Zweiter Anlauf im Netz

Interview Matthias Morr

?Wochenlang wurde über die Nachfolge von Sabine Christiansen in der Öffentlichkeit diskutiert, als stünde nur die ARD für öffentlich-rechtliches Fernsehen. Sie könnten doch das ZDF wieder in die Schlagzeilen bringen, wenn Sie Günter Jauch verpflichteten …

Markus Schächter: Das ist kein Thema im Moment. Wir haben die vergangenen Monate genutzt, um unsere eigenen Hausaufgaben zu erledigen, wir wollen das ZDF fit machen für das digitale Zeitalter.

Ab September wollen Sie daher verstärkt Sendungen zum Abruf im Internet anbieten – in welchem Umfang?

Wir wollen dort, wo wir über die Rechte verfügen oder sie erschwinglich sind, das Programm der vergangenen sieben Tage zur zeitsouveränen Nutzung anbieten. So ähnlich ist das schon in Holland und Dänemark oder bei der BBC. Wir wollen damit einer der ersten Sender in Europa sein. Spielfilme und Sport wird es allerdings nicht geben, da sind die Internet-Rechte in der Regel an andere vergeben.

Wenn man sich auf Plattformen wie „YouTube“ umschaut, dann findet man allein mehr als 300 nicht-lizensierte Videos unter dem Stichwort „Wetten, dass …?“ – das kann Ihnen ja eigentlich nicht recht sein, denn da werden ja Ihre Rechte verletzt …

Da haben wir natürlich etwas dagegen. Ich denke, dass Google, das ja YouTube für viel Geld gekauft hat, mit Klagen rechnen muss. Und zwar in erster Linie aus dem Sport-und Spielfilmbereich. Da wird es Ordnungskriterien geben müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diejenigen, die Sportrechte teuer ins Internet verkauft haben, die Anarchie dulden werden.

Zudem sind die Klickraten bei „YouTube“ nicht relevant für die Einschaltquote. Ärgert sie das auch?

Die Quote wird ohnehin in einer digitalen Welt eine abnehmende Rolle spielen. Aber das gilt auch jetzt schon. Wir werden uns nicht jeden Tag nach der Herzattacken-Maschine Quote zu richten haben. Statt Marktführer wollen wir eher Markenführer sein. Wir schauen auf die Qualität des Markenkerns unserer Programme, wobei wir immer die Akzeptanz voraussetzen müssen. Ein Theater, das vor leeren Stühlen spielt, ist nichts wert. Das Gleiche gilt für ein Massenmedium, wenn es keine Massen anlockt.

Im Internet sind ja mittlerweile Inhalte sehr populär, die von den Nutzern selbst erstellt worden sind. Sind die eine Bedrohung für das ZDF?

Sie sind eine Ergänzung. Allerdings gibt es da noch ein paar richtige Probleme. Wer sagt, dass das, was ein Blogger bringt, auch journalistischen Vorstellungen einer korrekten Qualität entspricht? Woher kommt das Videobild – wie ist es entstanden? Dennoch ist es für uns wichtig, mit „user generated content“ umzugehen. Wir sehen uns an, was in den Communities passiert, ohne dass wir bei allem dabei sein müssen.

Aber nicht nur Laien produzieren jetzt Filme fürs Internet. Betrachten Sie die zunehmenden Aktivitäten von Verlagen in Sachen IP-TV – und Film als Konkurrenz?

Hier sucht jeder seinen Platz. Wir stellen fest, dass die Verlage in der Erwartung, dass Online eine ganz wichtige Ergänzung ihres Kerngeschäftes wird, ihre Onlineangebote attraktiver machen. Da spielt neuerdings auch das Bewegtbild eine Rolle. Das nehmen wir zur Kenntnis. Gleichzeitig müssen wir schauen, wo wir bleiben. Allerdings bewegen wir uns in jedem Fall in dem gesetzlich vorgegebenen Korridor – unsere Angebote müssen programmbegleitend oder programmunterstützend sein-und wir wissen auch, dass das Geld dafür gedeckelt ist.

Und das in einem engen Rahmen – Internetaktivitäten dürfen bislang ja höchstens 0,75 Prozent Ihres Haushalts ausmachen.

Deshalb habe ich begrüßt, dass in den Verhandlungen mit Brüssel die Deckelung weggefallen ist – allerdings ist das ja noch nicht Gesetz.

Das ZDF bekommt ja im Moment keine Gebühren für Internet-PCs – weil dafür nur Radiogebühren fällig sind – ist das angemessen?

Grundsätzlich gilt: In der Weise, in der Fernsehen nicht mehr bloß auf herkömmlichen Fernsehgeräten empfangen werden kann und Radio nicht mehr nur auf Radiogeräten, muss es ein Äquivalent zur bisherigen Praxis geben. Die Sommerkampagnen einiger interessierter Kreise haben diese Argumentation leider außen vor gelassen.

Sie gehen also davon aus, dass in Zukunft auch Fernsehgebühren für Internet-PCs fällig werden?

Wir haben es gegenwärtig mit einer Übergangsregelung zu tun, solange Fernsehen im Internet noch nicht die Rolle spielt, die der Hörfunk heute schon hat. Im Grundsatz hat der Gesetzgeber bereits entschieden, dass alle Geräte, die Fernsehen empfangen können, auch gebührenpflichtig sind. Das ist nicht zuletzt eine Frage der Gebührengerechtigkeit.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme haben nach wie vor massive Probleme die 14-bis 49-Jährigen zu erreichen – da reicht es ja nun nicht, neue Verbreitungswege anzubieten. Mit welchen Inhalten wollen Sie die künftig erreichen?

Das ist bisher Millimeterarbeit gewesen. Wir wissen, in einigen Bereichen machen wir Fortschritte, zum Beispiel bei unseren Wissensdokumentationen – die werden zum Teil schon überdurchschnittlich stark auch von jüngeren Menschen eingeschaltet. So geht es Genre für Genre. Aber im Prinzip sind wir strukturell wie alle öffentlich-rechtlichen Sender, die den Schwerpunkt auf Information legen, in einem Dilemma. Junge Leute meiden klassische Information, öffentlich-rechtliche Sender dürfen nicht auf klassische Information verzichten. Wir hoffen, dass wir im Zuge der Digitalisierung stärker an diese Gruppe herankommen und dass ein Generationsabriss keine unabdingbare Konsequenz sein muss.

Bedeutet das in erster Linie nur eine Frage der Vertriebskanals oder wird sich das ZDF digital auch mit eigenen Angeboten an jüngere Leute richten?

Wir haben aufgehört, für Teile des Programms explizit nur an jüngere Leute zu denken. Wir müssen die bestehenden Formate in sich modernisieren. Das ist zum Teil schon gelungen, ein Beispiel dafür ist „Frontal 21“. Ein eigenes Angebot im Internet soll ein Schulportal für Schüler und Lehrer sein, über das sie Filme zu Bildungsthemen aus unserem Archiv abrufen können.

Wagen Sie eine Prognose? Wird es das ZDF in zehn Jahren noch als klassisches 24-Stunden-Vollprogramm geben?

Wir werden insgesamt noch lineares Programm haben. Menschen lieben Bequemlichkeit und schauen sich gern auch ein fertiges Programm an. Aber wir werden auch immer mehr junge Leute haben, die ergänzend zum linearen Programm das Abruffernsehen und die Möglichkeiten des Netzes nutzen.

Link-Tipp: http://mediathek.zdf.de

Erschienen in Ausgabe 3/2007 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 32 bis 34. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.