Recht so

Mehrere Gerichts-Beschlüsse, durch die eine Durchsuchung und Beschlagnahme in den Redaktionsräumen von „Cicero“ angeordnet worden waren, verletzen den Chefredakteur in seinem Grundrecht aus Artikel 5 des Grundgesetzes, urteilt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das die Beschlüsse nun aufgehoben hat. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse/Rundfunk und den Informanten. Dieser Schutz ist laut dem höchsten deutschen Gericht unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann fließt, wenn sich der Informant auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann.

Eine Durchsuchung in Presseräumen ist wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung auf Informanten eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit. Diese Feststellung gehört zur ständigen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. zuletzt BVerfG, NJW 2005, 965). Verschafft sich der Staat Wissen über die bei journalistischer Recherche hergestellten Kontakte, greift er unzulässig in das Redaktionsgeheimnis ein.

Der Beschlagnahmeschutz für Mitarbeiter von Presse und Rundfunk gilt nicht, wenn die Mitarbeiter einer Teilnahme oder der Begünstigung einer Straftat, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig sind, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat dienen oder die aus einer Straftat herrühren. Verhältnismäßigkeit ist allerdings zu beachten.

Im Fall „Cicero“ fehlte es nach Ansicht des BVerfG schon am ausreichenden Tatverdacht des Geheimnisverrats, um die Durchsuchung rechtfertigen zu können. Der Verdacht einer Beihilfe kann nicht allein darauf gestützt werden, dass das Dienstgeheimnis in der Presse veröffentlicht worden ist. Würde schon jedweder Verdacht für die Anordnung von Durchsuchung und Beschlagnahme ausreichen, könnte die Staatsanwaltschaft den besonderen grundrechtlichen Schutz der Medienangehörigen unterlaufen. Auf der Grundlage eines unzureichenden Verdachts, ein Ermittlungsverfahren mit dem Ziel einzuleiten, nur um den Informanten festzustellen, widerspräche dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Informantenschutz.

Offene Fragen. Die darüber hinausgehende, wichtige Frage, ob die journalistische Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses überhaupt als Beihilfe zum Geheimnisverrat angesehen werden kann, hat das Gericht jedoch nicht beantwortet. Damit wurde das entscheidende Problem nicht geklärt: Kann Journalisten überhaupt Beihilfe vorgeworfen werden, wenn ein Dienstgeheimnis schon verraten ist? Der Geheimnisträger begeht seine Tat bereits mit Offenbarung an den Journalisten, eine Beihilfe scheint danach logisch ausgeschlossen. Die Rechtspraxis geht aber davon aus, dass die (Straf-)Tat des Geheimnisträgers erst mit der Veröffentlichung beendet ist, sodass bis dahin grundsätzlich eine Beihilfe des Journalisten möglich ist („sukzessive Beihilfe“). Über diese umstrittene Rechtskonstruktion und ihre Anwendbarkeit speziell auf den Fall der Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses durch Journalisten ist höchstrichterlich also immer noch nicht entschieden worden.

Nach Ansicht des BVerfG konnte im Fall „Cicero“ offen bleiben, wie die seit Langem angemeldeten Bedenken gegen „sukzessive Beihilfe“ verfassungsrechtlich zu bewerten sind. Verbände sehen deshalb im „Cicero“-Urteil nur einen „kleinen Sieg“ (Deutscher Presserat). Nun fordern Politiker und Verbände vom Gesetzgeber, den Tatbestand der Beihilfe zum Geheimnisverrat für Journalisten gänzlich abzuschaffen.

Erschienen in Ausgabe 4/2007 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 26 bis 28 Autor/en: Dorothee Bölke. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.