Schöner Alltag

Zeitschriften unter der Lupe: Blattmacher Helmut Ortner über Beispielhaftes und Merkwürdiges.

Wir kennen das journalistisch prekäre Verhältnis zwischen Verpackung und Inhalt. Wenn schon die tägliche Welt nicht so schön ist, so lässt sie sich doch schön gestalten. Dass man mit dem Magazin als Designobjekt die Auflagen steigern und wirtschaftlich erfolgreich sein kann, gilt spätestens seit „Wallpaper“ als bewährter Kunstgriff in der Branche. Das Lesepublikum – ungeduldig und schaulustig, wie es nun mal ist – will in Sekunden überzeugt werden, dass sich der Einstieg in das langatmigere Lesen auch lohnt. Form und Inhalt in eine spannende Balance zu bringen – das ist das kunstvolle Handwerk des Zeitschriftenjournalismus.

Publizistische Offenbarung: Die Redaktion des niederländischen Frauenmagazins „Linda“ beherrscht diese Kunst. Herausgeberin und Chefredakteurin ist die TV-Ikone Linda de Mol – hierzulande noch als Traumhochzeit-Moderatorin bekannt. Aber Achtung, wer jetzt gleich an platte Klischees und rosarote Wolkenproduzentin denkt, liegt völlig falsch: Das monatlich erscheinende Heft ist eine publizistische Offenbarung. Die drei blattmacherischen Credos, „Neues – Nähe – Nutzen“, hier werden sie ebenso exzellent wie unaufgeregt umgesetzt. Das beginnt bei der Fotosprache: seit jedes Magazin an Bildern herumdoktert, seit geglättet, koloriert und manipuliert wird, dass sich die Falten biegen, sieht man überall nur noch zurechtgezupfte Mainstream-Körper und-Gesichter. Die Macherinnen und Macher von „Linda“ dagegen zeigen Frauen jenseits des Model-Wahns. Gesichter mit Falten. Menschen, die uns auf der Straße begegnen. Alles in moderner Farb-Schwarzweiß-Optik. Selbstbewusst, eigensinnig, authentisch. Und die Typo? Selten habe ich so einen stimmigen – und verschwenderischen – Umgang mit Antiqua-und Grotesk-Schriften gesehen, der dennoch nie in Gefahr gerät, nur layouterischer Selbstzweck zu sein. Klar, auch „Linda“ präsentiert den gewohnten Mix aus Beauty, Mode, Wellness und den übliche lifestyligen Schnickschnack, auf den ein Frauenmagazin nun einmal nicht verzichten kann, will es nicht als feministisches Kampfblatt missverstanden werden. Doch die Redaktion findet die richtige Balance – und das allein ist schon eine Kunst. www.lindamagazine.nl

Auf den Hund gekommen: Schon Franz Kafka erkannte: „Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und aller Antworten ist in den Hunden enthalten“. Gut, dass es jetzt das Magazin „dogs“ aus dem Hause Gruner + Jahr gibt. Hier erfährt der Hundefreund beinahe alles über seine Gassi-geführten Lieblinge: Welche Fluggesellschaft zeigt Herz für Vierbeiner? Verstehe ich meinen Hund richtig? Was sagt uns das Kläffen, Knurren, Bellen? Und wo finden sich die besten Traumpfade für den lauffreudigen Waldi? Keine Frage bleibt unbeantwortet. Ob Dackel, Pudel oder Mops: die libidinöse Zuwendung der Hamburger Redaktion trifft alle Rassen mit voller Wucht. Der journalistisch gesinnte Hunde-Skeptiker muss nach der 146-Seiten-Lektüre neidlos anerkennen: das ist bestes gedrucktes Infotainment. Spannende Reportagen, lesenswerte Porträts, einfühlsame Beziehungsgeschichten (etwa Ulrich Tukurs venezianische Liebeserklärung „Toto“), gestalterisch kompakt und originär. Überraschende Bildstrecken (beispielsweise die wunderbaren Fotos von Elliot Erwitt), souveräne Typografie. Art-Direktorin Claudia Hohlweg ist ein Wurf gelungen. Keine Frage: Der Mensch ist auf den Hund gekommen – und „dogs“ hat alle Chancen, das neue Zentralorgan der deutschen Hunde-Community zu werden. Nur schade, dass Hunde noch nicht lesen können. www.dogs-magazin.de

Erschienen in Ausgabe 4/2007 in der Rubrik „Ortners Blattkritik“ auf Seite 51 bis 51. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.