Trend zur Zielgruppe

Vor allem im Magazinbereich war 2006 ein Jahr der kreativen Konsolidierung. Im Gegensatz zum Vorjahr gab es wenig Innovation. Es ist schon seit mehreren Jahren zu beobachten, dass die kreative Entwicklung nicht stetig verläuft, sondern wie eine Sinuskurve auf und ab schwingt. Wir haben dafür nur eine Erklärung: Die Kreativitätsplanung geht in großen Verlagshäusern nicht strukturiert vor sich, sondern folgt eher Zufälligkeiten. Da gibt es Nachholbedarf – andere Branchen planen Innovationen strategischer.

Die Jury kann immer nur das bewerten, was am Markt vorhanden ist. Zum Gesamteindruck eines Jahres der kreativen Konsolidierung passt deshalb, dass drei Magazine ausgezeichnet wurden, die über eine längere Phase hinweg stetig hohe kreative Leistungen gebracht haben: Gutes journalistisches Handwerk, interessante Inhalte, herausragende Gestaltung.

Trend. Der Trend zur individuellen Zielgruppe hält weiter an. Es wird immer schwieriger, mit Printmedien ein Massenpublikum zu erreichen. Diesen Gegebenheiten haben sich auch „SZ-Magazin“ und „Stern“ angepasst, die zwar auf den ersten Blick eher wie Massenblätter wirken, aber der individuellen Ausrichtung auf eine spezielle Zielgruppe dennoch Augenmerk schenken. Vor allem das „SZ-Magazin“ hat eine sehr treue, in sich geschlossene Leserschaft, die sich von anderen abgrenzen will – und vom „SZ-Magazin“ in diesem Bedürfnis bedient wird. Auch der „Stern“ hat sich vor allem deshalb stabilisieren können, weil er seine Zielgruppe über individuelle Ansprachen besser an sich binden konnte. Um weiterhin relevant zu sein, dürfen sich Printmagazine nicht mit den elektronischen Medien in den Kampf um die schnellste Verbreitung von Nachrichten stürzen und ungefiltert jede Information veröffentlichen. Print zeigt seine Qualitäten vor allem dann, wenn sich Journalisten intensiv und gründlich mit Themen beschäftigen und Substanz liefern. „SZ-Magazin“ und „Stern“ haben das im vergangenen Jahr beispielhaft vorgemacht – und setzen damit Maßstäbe.

Herausforderung. Im Internet ergeben sich durch Web 2.0, Breitband und höhere Speicherkapazitäten neue inhaltliche und ästhetische Möglichkeiten. 2006 hat sich das erstmals ganz konkret auf die Gestaltung und die Konzeption der Web-Angebote ausgewirkt. Bewegtes Bild, stehendes Bild und Text verschmelzen langsam. Zum ersten Mal ist so etwas wie Konvergenz erkennbar. Das hat zwei Folgen: Zum einen erleben wir die Multimedialisierung der Internet-Nachrichtenangebote, zum anderen die Visualisierung und Professionalisierung der Web-Communitys und Weblogs. Für Ersteres steht einmal mehr „Spiegel-Online“, für zweites „MySpace“ und der Web-Log-Gewinner „Teutonika“.

Große Innovationen der Verlage im Internet haben wir im vergangenen Jahr allerdings nicht gesehen. Das wichtigste Thema im laufenden Jahr wird sicher sein, wie wir den Demokratisierungsgedanken des Internets und den Qualitätsanspruch des Profijournalismus zusammenbringen. Dafür müssen Modelle und Strategien entwickelt werden. Ich gehe davon aus, dass Angebote entstehen, die sich dieser Aufgabe stellen. Und ich hoffe sehr, dass wir sie im nächsten Jahr auch unter den Preisträgern des LeadAwards haben.

Vielleicht noch ein Aperçu: Es ist interessant, dass ein Verlag wie Springer in „Second Life“ eine Zeitung, den AvaStar, herausgibt, aber im echten Leben kein neues Printprodukt entwickelt hat. Im virtuellen Spielraum, wo es nicht wehtut, probiert man etwas aus, in der Realität wagt man es nicht. Das zeugt von einem mangelnden Vertrauen der Verlage in ihr Kerngeschäft.

Protokolliert von Eva-Maria Schnurr

Erschienen in Ausgabe 4/2007 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 30 bis 33 Autor/en: Markus Peichl. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.