Aufmacher aus dem Nichts

Auch das Nichtvorhandensein bestimmter Dinge kann zu einem journalistischen Thema werden. Fehlende Mülleimer im Park, mangelnde Kompetenz des Bürgermeisters oder klaffende Haushaltslöcher – die Leser können sich oft über das Fehlen bestimmter Sachen leidenschaftlich aufregen. Denkanstöße kann die Zeitung damit allemal geben. Häufig erfordert es von einem Redakteur jedoch gehörigen Einfallsreichtum und erhebliche Recherchearbeit, um aus dem Nichts einen Aufmacher zu stricken. Die „Ostfriesen-Zeitung“ (Leer), die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ und der „Döbelner Anzeiger“ haben jeweils auf ihre Weise das Thema Nichts und Vergänglichkeit umgesetzt.

Lokaltipp des Monats:

> Haus ohne Hüter. „Die Menschen haben sich an den Zustand der leer stehenden Geschäfte in der Fußgängerzone gewöhnt“, sagt Gabriele Boschbach, Redakteurin der „Ostfriesen Zeitung“ im ostfriesischen Leer. Auf einer Doppelseite wurde das Thema unübersehbar im Blatt platziert. Eine Seite war dabei einer Grafik der Leeraner Innenstadt vorbehalten, Bilder der leer stehenden Geschäfte mit kurzer Beschreibung wurden eingeklinkt. Die Redakteurin Boschbach und der Chef vom Dienst, Jan Kaymer, sprachen mit dem Chef der Werbegemeinschaft und hörten sich bei der lokalen Politprominenz sowie bei einem Immobilienmakler um. „Wir werden das auch in Zukunft thematisieren“, sagt Gabriele Boschbach. Die Beteiligten seien sehr kooperativ gewesen, wohl auch, weil sie sich über die Berichterstattung Lösungsmöglichkeiten erhoffen. Der Clou an der Doppelseite: Die „Ostfriesen-Zeitung“ mischt sich selbst in die Diskussion ein und stellt ein Modellprojekt aus Nordrhein-Westfalen vor, wo sich fünf Städte und zahlreiche Unternehmen zusammengetan haben, um den Leerstand gemeinsam zu bekämpfen. „Eine Lösung liegt im Interesse von allen“, sagt die OZ-Redakteurin.

Kontakt: Gabriele Boschbach, Tel. (0491) 979 01 84, eMail: g.boschbach@ostfriesen-zeitung.de

Ideenbörse:

> Ausgestorben. Das Fleischerhandwerk ist eine aussterbende Spezies, wie Redakteur Thorsten Fuchs von der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ festgestellt hat. Die Zahlen der Handwerkskammer in Hannover sind eindeutig: Während es in den 1960er-Jahren noch 390 Betriebe gab, so sind es heute gerade noch 38. Das Fehlen von Fleischereien hat Fuchs zum Thema einer Geschichte gemacht. „Man kann darin Geschichte und Strukturwandel in einzelnen Stadtteilen ablesen.“ Früher gehörte der Fleischer zu jeder Straße, heute gehen die Menschen zum Discounter, um Fleisch einzukaufen – wenn überhaupt noch. Viele muslimische Gastarbeiter kamen in die niedersächsische Landeshauptstadt und meiden das Schweinefleisch. Andere Menschen sind Vegetarier, BSE und Fleischskandale taten ein Übriges. Der Redakteur sprach mit Fleischern, die keine Nachfolger finden. Er erfuhr für ihn Erstaunliches: Würste müssen manchmal bis zu einem Jahr „abgehangen“ werden, um das richtige Aroma zu bekommen. Mit dem Handwerk stirbt auch Wissen um dasselbige aus, musste der Redakteur erfahren.

Kontakt: Thorsten Fuchs, Tel. (0511) 51 82 82 0, eMail: t.fuchs@haz.de

> Todehrlich. An einem Tabu rüttelte der „Döbelner Anzeiger“, als er über Sozialbeerdigungen im Kreis berichtete und einen Preisvergleich bei Bestattungsunternehmen vornahm. „Das Schwierigste an der Geschichte waren die Kriterien für einen seriösen Vergleich“, sagt Redakteurin Elke Kunze. Hilfe bekam sie von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur ( www.aeternitas.de). Die Bestattungsunternehmen gaben bereitwillig Auskunft. Die zweite Anlaufstelle für die Redakteurin war der Landkreis, bei dem sie sich über die Kosten von Sozialbestattungen informierte. Obwohl der Kreis eine hohe Arbeitslosigkeit hat, war die Zahl mit 33 Fällen und 55.000 Euro Kosten geringer, als die Redakteurin vermutet hatte.

Kontakt: Elke Kunze, Tel. (0341) 71 94 14, eMail: kunze.elke@dd-v.de

Tipp

Weitere interessante Beispiele aus der lokaljournalistischen Praxis finden Sie in der aktuellen „drehscheibe“.

Kontakt: Redaktion „drehscheibe“,

Raufeld-Medien, Mehringdamm 57, 10961 Berlin, Tel. 030 / 695 665 22, eMail: info@drehscheibe.org,

Homepage: www.drehscheibe.org

Erschienen in Ausgabe 5/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 72 bis 72 Autor/en: Bernd-Volker Brahms. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.