Gott und die Welt

Frankreich

Kärcher gegen Zweckentfremdung

Barbara Markert, Paris

„Im Zuge der wiederholten Benutzung unseres Firmennamens fern unseres gewohnten Einsatzbereiches möchten wir das Wort erheben, um jegliches Missverständnis aus der Welt zu schaffen.“ Mit diesem bürokratisch anmutenden Satz hat sich die deutsche Firma Kärcher vor Kurzem in einer Anzeige an das französische Volk gewandt, um klarzustellen, dass die Firma ganz gewöhnliche Reinigungsmaschinen produziert. Der international tätige Hersteller aus Deutschland reagierte in dem „Communiqué“, das unter anderem in der angesehen Tageszeitung „Le Monde“ erschien, auf die Verwendung des Firmennamens im Zusammenhang mit dem „Säubern“ der Vorstädte von „(menschlichem) Abschaum“. Der Hintergrund: Im Juli 2005 hatte Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy anlässlich der Unruhen in den Pariser Banlieues gesagt: „Wir werden das mit dem Kärcher reinigen.“ Durch ständiges Zitieren dieses Satzes fand das Wort „Käärschäär“ mittlerweile Eingang in die französische Sprache. Zum großen Entsetzen des deutschen Hochdruckreiniger-Unternehmens, das nun keine andere Möglichkeit sah, als mit kostenintensiven Anzeigen über Dreiviertelseiten seinen Ruf zu retten.

Internet: www.kaercher.fr

Irak

Überleben im Irak

Birgit Svensson, Bagdad

Iraker sind Überlebenskünstler. Einer davon ist Radiojournalist Waad al-Sibah aus Basra. Um seinen Sender „Shanasheel“ zu retten, verkauft der Programmdirektor die öffentliche Zuteilung für den Gas-Generator auf dem Schwarzmarkt und finanziert damit sich, seine Kollegen und die Ausgaben für die Programme. „Ansonsten müssten wir den Laden hier schließen“, klagt der 38-Jährige. Als im Jahre 2005 eine Wahl nach der anderen im Irak stattfand, brauchte Ijad Allawi, Ministerpräsident der ersten Übergangsregierung in Bagdad, ein Sprachrohr im Süden. Zu Zeiten Saddam Husseins gab es nur den staatlichen Einheitssender. Nach der Wende im Irak entstanden deshalb in Basra vier private Rundfunkstationen. Eine davon ist Radio „Shanasheel“, wie die traditionellen Holzhäuser in Iraks zweitgrößter Stadt genannt werden. Der Schiit Allawi wollte eine Opposition zu den schon damals immer stärker werdenden religiösen Sendern aufbauen. Doch die Wähler wollten es anders. Seine Liste erhielt nur einen Bruchteil der erwarteten Stimmen. Von den anfangs 35 Mitarbeitern blieben bei „Shanasheel“ noch fünf übrig, die Sendezeit musste um sechs Stunden verkürzt werden, eigene Beiträge sind jetzt rar. Immer öfter muss Sibah auf fremd produzierte Stücke zurückgreifen, wie die von Radio Niqash, dem von Deutschland finanzierten Irak-Radio.

Internet: www.iraq.net

Indonesien

Im Königreich der Satire

Christina Schott, Jakarta

Neun Jahre nach Einführung der Demokratie gibt es im indonesischen Fernsehen endlich eine intelligente Polit-Satire: In der „Republik Mimpi“ (Republik der Träume) versammelt sich jeden Sonntagabend eine ausgesprochen fähige Gruppe Imitatoren von Indonesiens Ex-Präsidenten und aktuellen Ministern, um die Politik zu persiflieren. Während sich die Intellektuellen des Landes am neu entdeckten Genre erfreuen, regt sich die alte Elite des ehemaligen Suharto-Regimes über den angeblichen Rufmord an Respektspersonen auf. „Die Show stellt eine negative politische Erziehung für die Öffentlichkeit dar“, behauptete Informationsminister Sofyan Djalil, der die Sendung auf dem News-Kanal Metro TV am liebsten verbieten lassen wollte. Die Republikaner reagierten, indem sie im Fernsehreich kurzfristig die Monarchie ausriefen und Djalil als Ehrengast zu Hofe luden. Dieser erklärte zunächst mit erhobenem Zeigefinger, dass Parodie und Satire das Volk dazu erziehen könnten, die Politiker nicht ernst zu nehmen. Als der Imitator von Ex-Präsident Abdurahman Wahid daraufhin in perfekt nachgeahmter Gestik des „Volkslehrers“ erklärte, dass ein guter Politiker keine Parodie fürchten müsse, konnte sich allerdings auch Djalil der Komik der Situation nicht entziehen und musste laut lachen. Seitdem ist die Traum-Republik vorerst wiederhergestellt.

Internet: www.republikmimpi.com

Dänemark

Peinliche Regierungs-PR

Clemens Bomsdorf, Kopenhagen

Manchmal scheinen die Dänen so stolz auf die großen Erfolge ihres kleinen Landes, dass sie sich arg selbst überschätzen. Vor dem EU-Energiegipfel, so dachte sich die Regierung, wäre es doch noch mal an der Zeit, ihr Land zu feiern, und zwar passend zum Anlass für die beste Energiepolitik der Welt. Also schusterte das Außenministerium kurzfristig eine interessante zweitägige Pressereise zusammen und lockte unter anderem mit Interviews wie mit dem Chef von Dong, Dänemarks größter Energiegesellschaft, der angeblich auf das Gespräch mit mir brenne. Das entpuppte sich allerdings nicht mal als Schwelbrand. Nein, er könne sich nicht konkret weder zu den Deutschland-oder anderen Plänen äußern, angesichts des im Herbst geplanten Börsengang wolle man sich jetzt zurückhalten, so der Dong-Chef, in dessen Powerpointpräsentation mehr Rechtschreibfehler waren als Konstruktionsfehler in einem schwedischen Atomkraftwerk. Kurz darauf schwärmte der Chef von Suzlon Dänemark von den guten Investitionsbedingungen und konnte seine Heimat gar nicht genug loben als Standort für Arbeitsplätze. Und nannte 9.000 eigene Mitarbeiter in Europa. Ja, und in Dänemark? 60, so die lapidare Antwort. Wohl eher ein Beispiel dafür, dass es lohnt, Dänemark als Produktionsstandort zu umgehen. Warum sein Konkurrent Vestas, größter Windradproduzent der Erde, in Dänemark herstellt, konnte dessen Vorstandsvorsitzender nicht beantworten. Er war zwar ursprünglich als Gesprächspartner angekündigt, doch letzlich kam nur der Investor-Relations-Chef zum Termin. Nun solle ich doch bitte auch noch mit zu Novozymes kommen, schließlich „sei dort schon George Bush gewesen“, so ein Mitarbeiter des Außenministeriums, sein Kollege lockte mich mit der Information, dass dort auch seine Tochter arbeite… Übrig blieb von der Pressereise ein Zitat für einen Text – und nachhaltige Erkenntnisse über das dänische Selbstverständnis.

Internet: www.um.dk

Niederlande

Kodex für Soldaten-Blogger

Kerstin Schweighöfer,

Den Haag

„Die Menschen stinken, und die Kinder sind gestört“, schrieb kürzlich der niederländische Soldat Jan-Willem in seinem Weblog aus Afghanistan. Statt die Lieben daheim anzurufen oder ihnen einen Brief zu schicken, berichten immer mehr Soldaten über ihre Erlebnisse im Kriegsgebiet in einem Blog, der von jedem auf der Welt eingesehen werden kann. Viele nannten ihren Einsatzort geitenland, Ziegenland. Als Reaktion auf diese undiplomatischen Äußerungen hat das Verteidigungsministerium einen Kodex für die militärischen Blogger eingeführt. So ist es verboten, wie Jan-Willem zu beleidigen oder wie es einer seiner Kollegen tat, militärische Informationen zu veröffentlichen. Der Soldat schilderte im Internet genauesten, wie neben der Militärbasis in Kandahar eine Rakete einschlug, „etwa 150 bis 200 Meter entfernt“. Wenn der Taliban lesen könne, dass er das Ziel nur knapp verfehlt habe, dann weiß er beim nächsten Mal genau, wie er zielen muss, um besser zu treffen, so Jan Blacqière, Sprecher des Verteidigungsministeriums. Mit Stichproben wird täglich nachgeprüft, ob die neuen Richtlinien eingehalten werden. Dabei stoßen die Kontrolleure inzwischen auf Sätze wie: „Darüber darf ich nicht mehr schreiben“. „Die Soldaten sind sich also über das Problem bewusst“, so Blacqière. Er schätzt, dass rund 50 von den 1900 niederländischen ISAF-Sodaten einen Weblog führen. „Die meisten mailen noch, aber bloggen boomt, bei der nächsten Mission werden es mit Sicherheit mehr werden.“ Denn Weblogs haben einen therapeutischen Effekt: „Warum ich dauernd in die Tasten von meinem laptopje haue?“ schreibt Militärkoch Kevin. „Weil ich mir die Dinge so von der Se
ele schreiben kann.“

Internet: www.oruzgan.web-log.nl

Argentinien

Montecristo und die Menschenrechte

Karen Naundorf, Buenos Aires

Eine Telenovela, die im argentinischen Fernsehen lief, hat ungeahnte Spätfolgen: In den 150 Episoden von Montecristo – einer Adaptation des Werkes von Alexandre Dumas – ging es um die Militärdiktatur (1976-1983), in der 30.000 Menschen ermordet wurden. Mehr als 400 Kinder wurden zusammen mit ihren Eltern verschleppt oder kamen in Folterzentren zur Welt. Wo diese Kinder sind, versuchen deren Großmütter seit mehr als zwanzig Jahren herauszufinden. Sie haben sich zusammengetan und eine DNA-Datenbank der Verschwundenen angelegt. 87 Enkeln haben sie schon zu ihrer echten Identität verholfen, auch dank Montecristo: Seit die Telenovela im Fernsehen lief, melden sich jeden Monat 50 junge Erwachsene bei den Großmüttern und bitten um einen Abgleich mit der DNA-Datenbank, weil sie vermuten, Kinder von Diktaturopfern zu sein, drei Mal mehr als vor Ausstrahlung der Serie. Außerdem wurden in der Telenovela originale Babybilder gezeigt – von den Kindern der Diktaturopfer, aufgenommen vor der Entführung. Eine Frau erkannte auf einem Bild ihre Adoptiv-Tochter und meldete sich bei den Großmüttern. Ein DNA-Test bestätigte die Vermutung. Die junge Frau hat inzwischen ihre leiblichen Großmütter und eine Tante kennengelernt.

Internet: http://montecristofan.googlepages.com/

Weltreporter

Serie: Die Nachrichten rund um den Globus aus verschiedenen Ländern werden regelmäßig im „medium magazin“ veröffentlicht. Die Autoren sind Mitglieder von Weltreporter.net. Homepage: www.weltreporter.net, eMail: cvd@weltreporter.net.

Erschienen in Ausgabe 5/2007 in der Rubrik „Weltreport“ auf Seite 52 bis 79. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.