„Jammern hilft nichts“

?Herr Fischmann, auf dem Schreibtisch des freien BILD-Fotografen X aus Berlin liegen die neuen AGB von Springer. Die passen ihm nicht, aber sein Auftragsbuch ist auch nicht so dick, dass er auf die Springer-Jobs verzichten will. Was raten Sie ihm?

Lutz Fischmann: Ich kann niemandem raten zu verhungern. Jeder muss sich aber über die Konsequenzen im Klaren sein, wenn er einen Vertrag unterschreibt – ganz gleich, ob er ein Haus baut, ein Auto kauft oder bei Springer arbeitet. Freelens übersetzt Verträge, das ist unsere Leistung, ganz unabhängig von Springer. Was bedeutet das, wenn ich das so unterschreibe, persönlich und finanziell. Danach muss der Fotograf selber entscheiden, ob er das in Gänze unterschreibt oder ob er dem Vertragspartner eine Vertragsänderung anbietet. Man kann in Verträgen ja auch streichen. Oder selbst was formulieren. Inwieweit die Marktmacht des Fotografen ausreicht, das durchzusetzen, das ist die zweite Frage.

Es sieht zurzeit aber nicht so aus, als wäre Springer daran interessiert, Tausende von Individualabreden zu vereinbaren. Es geht ja gerade um eine einheitliche Lösung. Wie sähe für Sie denn ein Kompromiss aus?

Ein Kompromiss kann ich Ihnen nicht sagen. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass sich die Medienlandschaft massiv verändert hat und damit natürlich auch die Publikationsformen und Anforderungen von Verlagen. Denken Sie an Online-Publikationen, e-Paper oder Fremdsprachenausgaben. Wir sind kein Verband, der dafür streitet, dass auf der E-Lok noch ein Heizer mitfährt. Wir haben zum Beispiel mit dem „Spiegel“ einen Vertrag für Fotografen geschlossen: Der „Spiegel“ lässt sich viele Rechte übertragen, weil er Sicherheit haben will, dass er das produzierte Material auch anderweitig verwenden kann. Aber: Wenn er das tut, dann bezahlt er dafür. Der Verwaltungsaufwand für den „Spiegel“ wird dadurch geringer, weil er weiß – wenn er ein Jahrbuch mit bestimmen Bildern machen will – dass er das darf, aber dafür bezahlen muss. Springer hingegen sagt: Ich nehme erst Mal alles und vielleicht bezahle ich dich. Wenn Sie an einen Obststand gehen, an dem eine Kiste mit Äpfeln steht und auf dem Preisschild steht: Bezahlen Sie mich, wenn Sie Lust haben – dann nehmen Sie einen Apfel und essen ihn auf.

Die Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing ermittelt eine Übersicht branchenüblicher Honorare. Könnte es – in Anlehnung an diese Sätze – eine Möglichkeit geben, Honorare so zu berechnen, dass sie die potenzielle Mehrfachverwertung durch Springer auffangen?

Das wäre nicht unser Vorschlag. Nur mal hypothetisch: Nehmen Sie die Honorare, die in Werbung und PR gezahlt werden. Da werden viel höhere Tagessätze als bei einer Tageszeitung bezahlt, in denen aber meist der Verkauf der Rechte beinhaltet ist. Statt 200 Euro wie bei der Tageszeitung kriegen Sie in Werbung und PR dann aber auch 2000 Euro. Daran können Sie ablesen, wie hoch ein Tagessatz für Springer sein müsste, wenn die Fotografen alle Rechte abtreten. So denken wir aber nicht. Eine Buy-Out-Flatrate mit hohem Honorar wollen wir nicht.

Wie läuft – im Protest – die Zusammenarbeit mit DJV und verdi?

Wir sind im Vergleich zu DJV und verdi ein kleiner Verein, der sehr schnell kommunizieren kann. Das kann per Mail innerhalb von Minuten gehen. Verdi vertritt tausend Berufsbilder, das macht die Kommunikation schwieriger. Wir haben zum Beispiel am ersten Tag erkannt, dass mit den neuen AGB was Großes auf uns zukommt und haben entsprechend schnell reagiert. Jetzt haben wir bereits 550 Widersprüche.

Drehen wir kurz den Spieß mal um: Als Verleger bin ich auf eine gewisse Berechenbarkeit meiner Kosten angewiesen, die ich als Honorare sofort und bei künftiger Verwendung zahle. Ist die momentane Situation nicht zu unberechenbar?

Wenn ich ein Geschäftsmodell habe und mir unsicher bin, was ich damit verdiene, dann muss ich das Risiko dafür selbst tragen. Ich kann zu meinem Heizungsbauer auch nicht sagen: Ich bin jetzt auf Hartz IV, bau mir mal eine neue Heizung für 6000 Euro ein. Im Prinzip müßte man die Leute am Risiko und am Erfolg beteiligen und die Fotografen mit Springer-Aktien bezahlen. Wenn man Erfolg nur haben kann, wenn ein Foto fünf Euro kostet, dann muss man’s halt lassen. Die Fotografen wären aber bereit, an einer Lösung des Problems mitzuwirken, sie wollen ihre Fotos ja verkaufen. Aber eben nicht verschenken.

Wie machen Sie dem einzelnen Fotografen Mut, weiterhin den AGB zu widerstehen, auch auf die Gefahr hin, vielleicht rausgemobbt zu werden?

Ich kann niemanden rückversichern. Wir haben keinen Fonds, wir können niemanden auffangen. Bislang hat noch kein einziger Fotograf den Widerspruch zurückgezogen. Wenn ich aber als Fotograf in einer kleinen Stadt arbeite und nur eine Zeitung als Abnehmer habe, die von Springer ist, dann kann es an die Existenz gehen. Wir drängen niemanden, arbeitslos zu werden.

Wenn Springer Erfolg hat, bricht dann eine Lawine los?

Das kann sein, es gibt aber noch Zeitschriften in Deutschland, die erkennen, dass sie auf Dauer darauf angewiesen sind, dass sie Fotografen in ganz Deutschland zu fairen Preisen beschäftigen. Ich habe beispielsweise einen Vertrag mit dem „Stern“ abgeschlossen: Der ist einwandfrei. Die heutige Marktsituation wird leider sehr oft von Marketing-Leuten und Controllern bestimmt. Da entstehen unsinnige Entscheidungen.

Spürt die Branche die Entprofessionalisierung des Fotografierens durch den sogenannten Bürgerjournalismus, durch die Handy-Knipser?

Ja, sie wird es spüren. Concorde, Tsunami, Londoner Bombenanschläge: Heute hat jeder seine Kamera dabei und ist schnell am Auslöser. Dagegen ist nichts zu sagen. Wenn Magazine wie „Max“ sich für Fotos bei „Flickr“ bedient, ist das ihr gutes Recht.

Wir können das Rad nicht zurückdrehen. Jammern hilft nichts. Fotografen können nur über Qualität und Wahrhaftigkeit überzeugen. Denken Sie an Bruno: Das Amateur-Foto des Bären lief über ddp. Leider war er es gar nicht, der Fotograf auch kein Professioneller, aber der falsche Bruno wurde im „Stern“ gedruckt. Das ist peinlich. Dem Amateur ist das egal, der Profi wäre seinen Job los. Schreiber trifft das genauso. Ein Weblog wird nie so wahrhaftig sein wie ein Artikel in der Zeitung.

Empfinden Sie die ABG von Springer als Abwertung des Berufsstandes?

Ja, das Diktat der AGB ist – um es diplomatisch zu formulieren – höchst unfreundlich. „Wir nehmen uns nur die Rechte, die wir brauchen“, hat einer aus dem Vorstand von Axel Springer argumentiert. Das sagt alles.

Linktipp

Fotografen, die an dem organisierten Widerspruch von Freelens teilnehmen wollen, wenden sich an post@freelens.com

Freelens hat extra eine Seite eingerichtet zum Thema Springer-AGB mit den offiziellen Protesten und auch einem Musterformular zum Widerspruch: http://freelens.com/springer/

Erschienen in Ausgabe 5/2007 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 56 bis 57 Autor/en: Interview: Jochen Brenner. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.