Sprechernotizen

„Noch einmal, mit Gefühl“

Für die Insider kam es nur mäßig überraschend: Stefan Baron (59), das alte Schlachtross an der Spitze der „Wirtschaftswoche“, wird neuer Kommunikationschef der Deutschen Bank AG. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ brachte es als Erste – angetippt durch die Deutsche Bank. Derweilen tourte Baron durch sein geliebtes Asien, u. a. mit Station in Hanoi, der Hauptstadt Vietnams. Baron ist mit einer Chinesin verheiratet, hat u. a. die chinesische Ausgabe der „Wirtschaftwoche“ aufgebaut.

Eine interessante Personalie, die durchaus eine gewisse Logik aufweist. Bereits vor einem halben Jahr war zu hören, dass es zu Kontakten zwischen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Baron gekommen war, die über das Redaktionelle hinausgingen. Barons glück- und gesichtsloser Vorgänger Simon Pincombe war bereits Anfang März aus dem Haus Deutsche Bank komplimentiert worden und der Weg für den Nachfolger bereitet (s. a. Dr. Who, „medium magazin“ 4/07).

Für Baron kommt der Ruf nach Frankfurt gerade richtig. In der Bankenstadt war er schon mal, als „Spiegel“ Finanzkorrespondent, damals lebte Alfred Herrhausen noch Seit 1990 macht er seinen Job für die „Wiwo“, seit 1995 als Allein-Chefredakteur. Aber in letzter Zeit wurde es bei der „Wiwo“ ziemlich „harzig“, wie die Schweizer sagen. Die Auflage will nicht so recht, die Anzeigenkundschaft auch nicht, auch wenn die „Wiwo“ alles in allem erfolgreich geblieben ist. Mitte 2006 musste Verlagsgeschäftsführer Harald Müsse gehen, mit dem Baron gut konnte. Zu dem jungen und ehrgeizigen Nachfolger war das Verhältnis bei Weitem nicht mehr so gut. Was lag also näher, als dem Werben von Josef Meinrad Ackermann, dem CEO der Deutschen Bank AG, nachzugeben? Oder war es doch eher Clemens Börsig, seit einem Jahr Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, der seit Längerem einen Neuanfang in der Kommunikation fordert? Beide brauchten endlich ein kommunikatives Schwergewicht, nachdem zuvor jahrelang so ziemlich alles schief gegangen ist. Baron kennt jeder, er hat die richtige politische Farbe (sein Blog trägt den hübschen Titel „Black Baron“), und er genießt jede Menge Anerkennung in der Branche – im Gegensatz zu seinem Vorgänger. Rasierklingen an den Ellbogen hat er übrigens auch – was etwa sein früherer Co-Chefredakteur bei der „Wiwo“, Volker Wolff, leidvoll erlebt hatte, der nach kurzer Zeit mit Baron das Handtuch warf und seither Studenten in Mainz Wirtschaftsjournalismus beibringt.

Übrigens ist auch „Joe“ Ackermann 59 Jahre alt – und er hat gesagt, er will 2010 aufhören. Das wäre dann auch für Baron ein guter Zeitpunkt. Und dass die Deutsche Bank nicht kleinlich mit ihren Gagen ist, ist hinreichend bekannt. Wir sind gespannt, wie sich der „WiWo“-Chef demnächst auf der anderen Seite des Schreibtischs schlagen wird. Good luck!

„Blöde Reporter“

Wunderbar! Als wäre es ein Stück aus dem täglichen Leben eines Kommunikationschefs. Wir alle in den börsennotierten Unternehmen kennen das leidvoll: Medium A,B,C, gerne lachsrosa, oder die unfehlbaren, hochinvestigativen und mit allen trüben Wassern gewaschenen „Wall-Street Journal“-Kollegen rufen an – und plötzlich schrillen auf allen Fluren des Konzerns die Alarmsirenen, stundenlang, durchdringend. Was ist passiert? Der Journalist hat ein unglaubliches Gerücht gehört. Tolle Sache. Ehrgeiz, Eitelkeit, alles Dinge, die ein Journalist natürlich nicht kennt, denn er arbeitet ja nur für die Leser, blitzen nur kurz auf. Es geht um die Wahrheit, natürlich nichts als die Wahrheit. Das Unternehmen dementiert – na klar, tun die ja immer. Lächerlich! Der Journalist weiß es besser. Seine Quelle ist sicher. Es ist ja schließlich seine Quelle! Die Geschichte erscheint, läuft, der Aktienkurs schmiert ab, oder steigt, oder? Die Zeitung hat ihre tolle Geschichte, die zwar nicht stimmt, aber was soll’s, die PR-Abteilung hat ein Problem, und irgendjemand hat Geld verdient.

Und nun das: Ausgerechnet der ehemalige Goldman Sachs-Investmentbanker, Hedgefond-Manager und TV-Kommentator James Cramer hat offen gelegt, wie seine Kollegen die Presse benutzen, um Geld zu machen. Der Trick ist einfach: Erst streut man selber ein paar Gerüchte unter Investoren, dann ruft man die Presse an und sagt ihnen „Hey, es gibt da Gerüchte!“, zum Beispiel den „blöden Reporter“ (wörtliches Zitat!!) vom „Wall Street Journal“. Und schon läuft das Spiel. Kommt das einem Kollegen bekannt vor? Falls nicht: www.thestreet.com. Cramers website. Lesenswert!

Schon wieder Kirchhoff

Klaus Rainer Kirchhoff, schon mehrfach Gast in dieser Kolumne, versteht es wirklich aufs Beste, den Kommunikationschefs die Zeit zu stehlen – und daraus ein Geschäftsmodell zu machen. Gemeinsam mit dem „Manager Magazin“ rankt er nicht nur die Unternehmen für ihre Geschäftsberichte, sondern neuerdings auch für ihre neudeutsch „Corporate Social Responsibility“. Da ist es dann wohl Zufall, wenn Kirchhoff gern den so von ihm gerankten Unternehmen die Beratung seiner Agentur Kirchhoff Consult anbietet – auf dass sie in seinem Ranking besser abschneiden. Und nun der neueste Streich: Der Econ-Verlag und Kirchhoff schreiben 2007 erstmals die Econ Awards Unternehmenskommunikation aus. So ziemlich alles kann eingereicht werden. Das Beste: Die Einreichungen kosten nix! Das im Econ Verlag erscheinende Jahrbuch Unternehmenskommunikation präsentiert dann die Sieger und Platzierten, oder auch einfach nur die Teilnehmer – allerdings nur, wenn die dann 2.800 Euro pro Veröffentlichung zahlen. No further comment …!

Dries wechselt die Seiten

Folker Dries, mit 16 Jahren langgedienter „FAZ“-Redakteur und Ressortleiter Finanzmarkt, wechselt nun auch auf die andere Seite. Er geht zur PR-Agentur Hering Schuppener und soll dort „CEO’s coachen“. Folker Dries wurde schon lange Interesse an der anderen, lukrativen Seite nachgesagt. Er soll aber auch mit dem für ihn zuständigen „FAZ“-Herausgeber Holger Steltzner nicht immer auf einer Linie gelegen haben. Nun also PR. Allerdings wollte er eigentlich lieber Kommunikationschef in einem börsennotierten Unternehmen werden. Nun also „CEO’s coachen“. Dr. Who wünscht ihm trotzdem viel Fortune.

Grühsems erste Personalien

Stephan Grühsem, frischgebackener und sichtlich stolzer neuer VW-Kommunikationschef (s. a. „medium magazin“ Nr. 3/2007), geht mit Schwung an den Umbau seiner Truppen. Die jüngste Personalie: Neue Investor Relations-Chefin wird Christine Ritz (39). Sie war zuletzt „Sprecherin Finanzen“, davor bei der Lufthansa AG und dem Verband der Volks- und Raiffeisen-Banken. Investor Relations scheint allerdings bei VW nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste zu stehen.

Grühsems Nachfolger als Kommunikationschef bei Audi, Toni Melfi, kennt sich aus in der Autoindustrie, war bei DaimlerChrysler Leiter Corporate Communications und – aber nur wenige Monate – einer der Stellvertreter von Daimler-Kommunikationschef Hartmut Schick. Melfi hat bei der völlig unbekannten Tognum GmbH überwintert, zu der auch der etwas bekanntere Dieselmotorenhersteller MTU in Friedrichshafen gehört. Guter Schachzug von Grühsem!

Dafür geht Cord Dreyer wieder, nach einem knappen, aber aufreibenden Jahr bei VW. Dreyer, der zuvor das eher geruhsame dpa-Büro in Hannover stellvertretend geleitet hatte, war ohne Anlauf in den Albtraum namens Hartz-Affäre geraten, musste dann kommissarisch für den verlustig gegangenen VW-Kommunikationschef Dirk Grosse-Leege einspringen und rettet sich nun nach Frankfurt zur Wirtschaftsnachrichten-Agentur dpa-AFX, immerhin als Geschäftsführer und Chefredakteur.

Wenn Rat teuer wird

Das hat uns noch gefehlt. Als gäbe es nicht schon genug selbst ernannte Krisen-Kommunikations-Gurus, kommt nun Lovells daher, mit 3.000 Anwälten eine der ganz großen globalen Law Firms. Lovells verkündet nun per Pressedienst ots, sie erweitere ihr „Beratungsangebot im Krisenmanagement“ und biete jetzt rund um die Uhr über eine „Crisis Communication Hotline“ erste Hilfe für Unternehmen, deren Repu
tation „gefährdet ist“. Bislang hätten dies nur große Mandanten nutzen können, nun endlich biete Lovells dies allen Unternehmen und Verbänden an. Wie schön und demokratisch. Dazu getrieben hat Lovells die tiefe Erkenntnis: „Aus lokalen Brandherden können über Nacht globale Flächenbrände werden. Das beste Gegenmittel: Integrierte Krisenkommunikation an der Schnittstelle von PR und Recht.“ Unsinn mit System, meint Dr. Who. Arme Mandanten!

PR-Manager des Monats

Dr. Who’s PR-Manager des Monats ist Christian Kullmann. Der Kommunikationschef der RAG AG in Essen hat mit großer Eleganz wesentlich dazu beigetragen, dass sein Chef, RAG Vorstandsvorsitzender Werner Müller, nun fast alle Ziele erreicht hat und die Medien ihn irgendwie gut finden: Kohleausstieg zu erträglichen Konditionen zu Ende verhandelt, Aktionäre geben Anteile zu 1 Euro ab, fast alle einigermaßen glücklich. Nur NRW-Ministerpräsident Rüttgers und der eine oder andere Politiker wollen Müllers sehnlichsten Wunsch, den Vorsitz der RAG-Stiftung zu übernehmen, nicht erfüllen. Bleibt also noch einiges zu tun für unseren Kollegen. Dr. Who ist sicher, dass er’s packt!

Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. eMail: autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 5/2007 in der Rubrik „Unter „3““ auf Seite 64 bis 83. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.