Sprechstunde

Will Bertelsmann Gruner + Jahr verkaufen?

Dr. Med.: Wenn man sich in Londoner Investment-Banker-Kreisen umhört, kursiert dieser Plan schon über ein halbes Jahr lang – was freilich nicht viel heißen muss, denn viele Banker suchen nach Investitionsmöglichkeiten auf Art der selffullfilling prophecy. Wenn ich oft genug darüber rede, wird schon irgendwann ein Geschäft daraus. So ganz abwegig ist die Sache allerdings nicht. Dem designierten Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski wird nicht gerade ein libidinöses Verhältnis zum großen Zeitschriftenkonzern in Hamburg nachgesagt, sein Herz schlägt wohl eher für den Mediendienstleister „arvato“, der innerhalb des Bertelsmann-Konzerns einen weitaus größeren Teil zum Umsatz beiträgt. Es scheint auch so, als wolle man sich bei Bertelsmann auf wenige Geschäftsbereiche konzentrieren – dazu gehören das Fernsehgeschäft (RTL-Group), das Buchgeschäft (Random House und die Clubs) und das Musikgeschäft (Sony BMG Music). Gruner + Jahr könnte durchaus erstes Opfer einer Bereinigung sein, zumal die Veräußerung wohl mehrere Milliarden in die Kasse von Bertelsmann spülen würde. Der Verlag verdient weiter ordentlich, auch wenn man sich im vergangenen Jahr strecken musste, um die Bilanz gut aussehen zu lassen. Die fetten Jahre sind bei G + J definitiv vorbei und Innovationen wie „Park Avenue“, „Emotions“ oder „Dogs“ nicht gerade Kassenschlager. Auch der Umstand, dass man sich vom Zeitungsgeschäft weitestgehend verabschiedet hat, fand in Gütersloh nicht nur Beifall.

Wird man vom NDR bald besser unterhalten?

Dr. Med.: Schlechter geht es ja kaum. Die Unterhaltungsschiene ist eindeutig der Schwachpunkt beim NDR, kaum eine Sendung aus Hamburg, die man schauen mag, findet sich im Ersten. Außer dem europäischen Schlagerwettbewerb hat der NDR wenig zu bieten – und im Dritten bietet sich wenig an, was man Zuschauern jenseits des 53-sten Breitengrads zumuten möchte. Für Moderatoren vom Schlage eines Carlo von Tiedemann muss man schon eine Buddel Rum intus haben, um den Fernsehabend genießen zu können. Die NDR-Unterhaltung ist ein Trauerspiel – ganz im Gegensatz zum Informationsbereich, der die ARD mit Dokumentationen, Reportagen und Magazinen schmückt. Man kann sagen: Die Info-Domäne der ARD ist weitestgehend eine Domäne des NDR. Nun will der Sender aber auch endlich im leichten Fach qualitativ aufrüsten. Und dafür soll es folgenden Plan geben: In der Verwaltungsratssitzung Anfang Mai wird beschlossen, dass Thomas Schreiber, bisher Kulturchef beim NDR, Jan Schulte-Kellinghaus als Unterhaltungschef ablöst und wesentlich mehr Zuständigkeiten als dieser bekommt, um das Programm auf Vordermann zu bringen. Nachfolgerin von Schreiber wiederum könnte die Leiterin der Auslandsberichterstattung, Patricia Schlesinger, werden. Beide sind für Qualität bekannt, und wenn man sich was wünschen darf, dann vielleicht, dass sie als Erstes den furchtbaren Schlagerwettbewerb abschaffen.

Hat die „Bunte“ eigentlich wegen „Vanity Fair“ Einbußen?

Dr. Med.: Man kann sich gut vorstellen, dass die Menschen bei der „Bunten“ in München in Habacht-Stellung waren, als es hieß, dass Condé Nast ein deutsches „Vanity Fair“ herausbringt – jedenfalls sah die „Bunte“-Titelgeschichte über die wahnsinnige Tatjana Gsell ziemlich deutlich nach Panik aus. Und wie groß muss die Erleichterung gewesen sein, als Patricia Riekel, Paul Sahner und die anderen aus der Personality-Abteilung beim Burda-Verlag sahen, dass die Konkurrenz aus Berlin mit uralter Prominenz aufmacht und ganz anders, als angesichts der langen Entwicklungsphase erwartet, keine Geschichte in der Schublade hat, um Deutschland wenigstens die ersten Wochen unter Spannung zu halten. Nun ist die Stimmung bei „Bunte“ wieder gut, denn Auflageneinbußen gab es nicht, im Gegenteil: der Verkauf zeigt leicht nach oben. Es scheint so, als würden sich angesichts der Glamourgeschichten in „VF“ viele Käufer sagen: Dann kaufe ich doch lieber gleich das Original.

Hat Stefan Aust den Ex-Terroristen Peter Jürgen Boock in Geiselhaft?

Dr. Med.: Es sieht fast ein wenig so aus, als ob Boock an Aust in besonderer Weise gebunden wäre. Boock, einer der ganz wenigen redseligen RAF-Leute, durfte damals schon für „Spiegel-TV“ arbeiten, nun bescherte er Aust mit seiner im Exklusivinterview mit dem „Spiegel“ geäußerten Version des Buback-Attentats einen regelrechten Scoop, und unlängst traten die beiden gemeinsam im Fernsehen auf, um über die RAF zu reden. Ein tolles Team, das zeigt, dass Resozialisierung ein gutes Geschäft für beide Seiten sein kann.

Wirbt die Berliner „B.Z.“ wirklich mit einer Zeitungsente?

Dr. Med.: Tatsächlich kleben an Berliner Bushaltestellen Plakate mit einer riesigen Frontpage der „B.Z.“, auf der die Schlagzeile verkündet, dass Angelina Jolie und Brad Pitt für viel Geld eine riesige Wohnung in Berlin-Mitte gekauft haben. Das Berlin-Interesse des Hollywood-Paares gilt ja Berlin-Freunden schon länger als Beleg dafür, wie toll die Hauptstadt ist. Das Problem ist nur: Pitt und Jolie haben nichts gekauft, bis heute nicht. Dass die „B.Z.“ dennoch ausgerechnet diese Meldung als Werbung nimmt, zeigt ein erstaunlich großes Maß an Selbstironie.

Erschienen in Ausgabe 5/2007 in der Rubrik „Journaille“ auf Seite 18 bis 18. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.