Viererpack

Mit über 60 Ausgaben ist „Le Monde diplomatique“ die weltweit größte Monatszeitung für internationale Politik. Nun gibt es – vorerst zwei Mal jährlich – im Zeitschriftenhandel ein „Sampler“-Magazin (Copypreis 8,50 Euro). Das Konzept: Ausgewählte Texte älterer Editionen, ergänzt um Reportagen, Essays und Porträts. Will heißen: ein weiteres Produkt in der publizistischer Verwertungskette des Le Monde-Presse-Imperiums. Das allein ist noch kein Verstoß gegen die Menschenrechte und der Leser muss daran keinen Schaden nehmen – er sollte nur nicht zu viel erwarten. Im deutschsprachigen Premieren-Heft geht es um China. Wer etwas erfahren möchte über das Land, die Umstände seiner wirtschaftlichen und kulturellen Transformation, über soziale und politische Widersprüche, der findet auf über 100 Seiten informativen Lesestoff. Nur: Leicht wird dem Leser die Lektüre nicht gemacht: durchgängig zweispaltiger Blocksatz mit Marginalie (immerhin nicht für grafischen Firlefanz, sondern nutzwertige Zusatzinfos), Verzicht auf Zwischentitel, keine erkennbare Bildsprache, konservative Typografie. Das Heft wirkt ebenso starr wie beliebig – nirgendwo originär. Schade. www.monde-diplomatique.de

Ganz anders „zenith“. Die „Zeitschrift für den Orient“ (Untertitel) ist eine Entdeckung. Ein Non-Profit-Magazin aus Hamburg, das uns den Blick für die islamische Welt weitet. Journalistisch solide und engagiert (beispielsweise die hervorragende Bildreportage über Beiruts Taxifahrer „Trümmer im Rückspiegel“ von Birte Staude), optisch unaufgeregt und stilsicher. Leserfreundlich und gekonnt auch der reduzierte Einsatz von Farbfonds sowie der Schriftenmix von Antiqua und Grotesk. Kurzum: Ein wunderbares, lesenswertes Magazin, dem viele neue Leser zu wünschen sind, nur: Die erste und letzte Seite im Heft sind sichtbare Schwachstellen. Das Editorial (wer hat es verfasst?) ist kein gelungener Start ins Heft und das Finale beinahe schon ein kleines Desaster. Da muss die Redaktion ran. Und wenn sie sich zukünftig traut, auch größere Fotostrecken zu drucken, dann ist „zenith“ eine journalistische Offenbarung. www.zenithonline.de

Opulente Fotoseiten, fotografiert von den besten Fotografen der Welt, sind ein Markenzeichen von „Zoo“ (Copypreis 5 Euro). Wer sich für Mode und Film und deren Protagonisten interessiert, findet hier überraschende Perspektiven und Formate – und viele, viele Interviews. Und weil man gute Interviews vor allem an guten Fragen erkennt, gibt es in „Zoo“ ausnahmslos gute Interviews. Das von Bryan Adams herausgegebene Magazin ist nicht nur auf bestem Papier gedruckt, es ist voluminös und verschwenderisch. Ein Heft für Augenmenschen, die es nicht stört, wenn Anzeigen und redaktionelle Seiten mitunter eine friedlich-ästhetische Koexistenz demonstrieren, die unter Zeitschriften-Puristen als schamlos gilt. www.zoomagazine.com

Lieben Sie Jazz? Dann kennen Sie „Jazzthing“. Die Zeitschrift im XL-Format, auf herbem Papier gedruckt, ist so etwas wie der verlässliche Navigator durch den Jazz-Kosmos. Wer als Musiker etwas gilt, über den ist hier zu lesen: nüchtern, informativ, hintergründig. Gerade ist Nr. 68 erschienen und es ist wie immer – eine Zumutung. Ganz nach dem Motto, „Jazz muss man sich erarbeiten“, malträtiert die Redaktion den Leser mit Typo-Miniaturen, kleinen Bodyschriften und Texten, die so lange und so trocken sind wie die Wüste Gobi. Werden die Autoren nach Zeilen bezahlt? Das Heft kommt daher wie eine Ballade von Chet Baker – unendlich melancholisch. Und das ist fast schon wieder genial. www.jazzthing.de

Erschienen in Ausgabe 5/2007 in der Rubrik „Ortners Blattkritik“ auf Seite 61 bis 61. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.