„Wir werden weiter expandieren“

?Herr Törnberg, Sie haben Ihren Rückzug als Chef des Gratiszeitungskonzerns „Metro“ angekündigt, als Metro das erste Mal einen Jahresgewinn nach Steuern vermeldet hat. Ihr Credo in den verlustreichen Jahren war stets „Wir können sofort Gewinne machen, wir müssen nur aufhören zu expandieren“ – ist die Zeit des aggressiven Wachstums mit ihrem Abgang und den schwarzen Zahlen nun vorbei?

Pelle Törnberg: Nein, ganz gewiss nicht. „Metro“ wird auch weiterhin expandieren. Ich habe vor einigen Jahren beschlossen, dass ich zurücktreten sollte, wenn „Metro“ profitabel ist und Stabilität erreicht hat. Wenn ich jetzt nicht gehe, besteht das Risiko, dass ich ewig bleibe.

Wie soll die Expansion also in Zukunft aussehen?

Wir haben es mittlerweile geschafft, eine gute Basis für das paneuropäische Anzeigengeschäft zu etablieren. Das ist eine gute Voraussetzung, weitere Ausgaben aufzubauen, mit vielen Anzeigenkunden im Rücken. Außerdem darf man bei der Expansion nicht nur auf die klassische Printausgabe von „Metro“ schauen. Wir haben insgesamt 75 Produkte, die es alle noch längst nicht in allen Ländern gibt, da ist noch Potenzial. Spezialausgaben und Internetseiten gehören genauso zu „Metro“ wie die klassische kostenlose Tageszeitung, und alles wird auch in Zukunft expandieren.

Dennoch haben Sie einen Teil Ihres Geschäfts in Polen und Finnland verkauft und sind in letzter Zeit mehr Partnerschaften eingegangen – haben Sie sich verkalkuliert?

Wir hätten auch ohne Verkäufe 2006 einen Gewinn gemacht. Natürlich sind wir nicht in jedem Land, in das wir gehen, gleich erfolgreich. In Finnland ist der Wettbewerb sehr groß und es gibt einen dominanten Spieler auf dem Markt, das macht es schwer, dort ähnlich profitabel zu sein wie in anderen Ländern. Auch in Polen ist die Konkurrenz hart, dort aber, weil dort so viele Verlage sind. Ich glaube, es gibt kaum einen ausländischen Verlag, der in Polen wirklich erfolgreich ist – außer Springer vielleicht. Wir wären in Polen sicher profitabel geworden, wenn wir noch ein paar Millionen mehr eingesetzt hätten, aber das Geld ist woanders besser investiert. Schauen Sie sich Google oder McDonald’s an – die sind auch nicht in jedem Land, in das sie zu expandieren versuchen, erfolgreich.

In Deutschland haben viele erwartet, dass Sie 2005 oder 2006 eine Gratiszeitung starten würden, es ist aber nicht dazu gekommen. Ist Deutschland doch nicht so interessant, wie immer behauptet wird?

Deutschland ist weiterhin ein absolut interessanter Markt. Wir müssen da jetzt nicht rein, weil wir jede Menge andere interessante Möglichkeiten haben. Je länger wir mit Deutschland warten, desto besser. Denn unser Anzeigennetzwerk wird immer stärker und mit vielen Anzeigenkunden im Rücken ist es leichter, in so einen Markt wie Deutschland zu gehen. Ich habe mir Deutschland jetzt seit 12 Jahren angesehen, da kann auch noch ein bisschen länger gewartet werden, länger heißt vielleicht eine Woche, vielleicht fünf Jahre.

Investoren wie Mecom steigen verstärkt bei Zeitungen aus klassischen Verlagen ein, es kommen immer mehr Gratisprodukte auf den Markt – wie sehen Sie die Zukunft der Zeitungsindustrie?

Wir haben derzeit eine recht gute Wirtschaftslage, doch das wird sich irgendwann mal ändern. Die Blätter, denen es jetzt schon nicht gut geht, werden dann wirklich Probleme bekommen. Die Rezession wird die Zeitungen härter treffen als andere Medien, einige werden sicherlich dichtmachen müssen. Aber generell sehe ich positiv für die Branche, allerdings müssen die Kosten gesenkt werden. Was den Gratismarkt angeht, haben wir jetzt täglich 35 Millionen Gratisexemplare. Murdoch, Mecom, „Le Monde“ – alle großen Namen sind im Gratisgeschäft dabei. Das hat also Zukunft, denn die werden sich nicht alle irren. Gleichzeitig werden auch die klassischen Blätter überleben. Gratiszeitungen sind für die Zeitungsindustrie, was mp3 für die Musikindustrie ist – eine Herausforderung, aber nicht das Ende.

Linktipp: www.metro.lu

http://www.newspaperinnovation.com/index.php/about-free-dailies/

Erschienen in Ausgabe 5/2007 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 28 bis 29 Autor/en: Clemens Bomsdorf. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.