Blasen und Phrasen

„Mit dem Klammerbeutel gepudert.“

„Da wären wir ja mit dem Klammerbeutel gepudert!“ Hach, was sind die manchmal witzig, die Bosse. Da ziehen sie die erstbeste Schublade in ihrem Hirnkasten auf und ziehen einen Oma-Spruch hervor, den nun wirklich niemand mehr lustig findet, und servieren den ungerührt als vermeintlich lustiges Einsprengsel in einem Interview. Ganz kurz zum Ursprung dieses abgegriffenen Formulierungs-Witzes: Man stellt sich vor, dass jemand als Baby statt mit einer Puderquaste mit einem Beutel gepudert wurde, in dem sich Wäscheklammern befinden. Wegen dieser harten Schläge auf den Kopf hätte die mit dem Klammerbeutel gepuderte Person redensartlich einen Sprung in der Schüssel. Na ja. Benutzt wird der Spruch meistens, wenn der Fragesteller im Interview den Boss mit einer unangenehmen Tatsache oder Handlungsoption konfrontiert. „Werden Sie dieses Magazin einstellen?“ „Da wären wir ja mit dem Klammerbeutel gepudert!“ Zwei Monate später ist dann meistens Exitus.

„Wir haben noch viel vor.“

Die hohe Kunst des nebulös-wolkigen Geschwafels findet hier eine ihrer bewährtesten Formulierungen. Keine Idee, kein Konzept, keine Ahnung? Die Antwort lautet: „Wir haben noch viel vor.“ Kaltschnäuzige Phrasen-Profis setzen noch ein kumpelhaftes „Glauben Sie mir“ davor. Das erzeugt zusätzlich Nähe und nimmt die Lust auf lästiges Nachfassen. Aber Vorsicht, hier lauert eine Falle. Nie, nie, niemals diese Phrase zu Beginn eines Gesprächs oder Interviews abfeuern. Zu offenkundig müsste das Gegenüber dann nachfragen „Ja, was denn alles?“. Absolut tödlich. Sie müssten sich in weitere Phrasen-Orgien stürzen („an den Stellschrauben drehen“, „das Portfolio optimieren“, „Synergien ausschöpfen“, „ausgetretene Pfade verlassen“ etc. pp.) oder schlimmstenfalls: die Hosen runterlassen. Doch wer will das schon? Deswegen die „Wir haben noch viel vor“-Phrase erst ganz am Ende nach einem verstohlenen Blick auf die Uhr einsetzen, wenn Sie den Fragesteller danach beherzt hinausexpedieren können.

„Jetzt müssen wir erst einmal umsetzen, was wir uns vorgenommen haben.“

Eine hervorragende Phrase für Fortgeschrittene. Sollte jemand penetrant nach Ihren Strategien und Zukunftsplänen bohren, wissen wollen, wie es mit dem angeschlagenen Unternehmen weitergeht, dann holen Sie tief Luft und sagen: „Jetzt müssen wir erst einmal umsetzen, was wir uns vorgenommen haben.“ Wichtig ist, danach keine Pause zu machen, sondern unbeirrt so lange weiterzureden, bis es der Fragesteller nicht mehr aushält und sie unterbricht. Was Sie dabei erzählen, ist völlig schnuppe. Sie können bei Adam und Eva anfangen, die Tradition des Unternehmens langatmig referieren, aus alten Bilanzen zitieren oder einen kleinen Exkurs über die gesamtwirtschaftliche Lage, die Klimakatastrophe und ihre Auswirkungen auf hiesige Arbeitsplätze anschließen. Alles ist möglich, je langweiliger und weitschweifiger, desto besser. So bekommt der Reporter Angst, sich beim Weiterfragen noch mehr ödes Geschwafel anhören zu müssen.

„Ausgeruhte Analyse.“

Uaaah, gähn. Selten so eine ausgeruhte Analyse gelesen bzw. gehört. Wenn Sie bei dem Gelaber des Kollegen oder Untergebenen geistig kurz mal weggedriftet sind und keinen blassen Schimmer mehr haben, was da gerade in 50 Power-Point-Folien an Ihren Augen vorbeigeflirrt ist, loben Sie einfach die „ausgeruhte Analyse“. Das stimmt im Zweifel immer, ist erfrischend unkonkret und stellt witzigerweise auch noch einen inhaltlichen Bezug zu ihrem Präsentations-Nickerchen her. Kann man übrigens auch im Mediengewerbe anwenden. Sollten Sie in einer Blattkritik nach der Meinung zu dem öden Stück vom Kollegen Ressortleiter gefragt werden, so loben Sie einfach den „ausgeruhten Hintergrundbericht“. Besonders perfide, aber hart an der Grenze zum offensichtlich Ironischen: „Selten so einen ausgeruhten Hintergrundbericht gelesen.“

Erschienen in Ausgabe 6/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 89 bis 89. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.