Coole Optimisten

Wir tun noch einmal so, als wären wir achtundzwanzig. Wir sitzen in Trainingsjacken und mit fransigem Seitenscheitel, vagen beruflichen Perspektiven und coolem Optimismus in einem Starbucks-Café mit Wireless-Lan-Anschluss herum. Dort blättern wir blasiert dreinschauend in „Neon“, „blond“ oder in „U_mag“. Magazine, in denen vor allem andere Trainingsjackenträger und Fransenscheitel abgebildet sind, deren Weltsichten und Problemlagen ausführlich erörtert werden. So skizziert Sascha Lehnartz in seinem Buch „Global Players – Warum wir nicht erwachsen werden wollen“ die neue urbane Unisex-Generation. Ihr Zentralorgan heißt „Neon“ und gilt derzeit als größtes Erfolgsprojekt auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt.

Der startschuss von „Neon“. „Neon“ war das Ende von „jetzt“, der 2002 eingestellten Jugendbeilage der „Süddeutschen Zeitung“. Der Verlag Gruner + Jahr erkannte damals rasch das Potenzial der Jungredaktion, die sich seither Leser, Medienpreise und Anzeigenkunden en masse einsammelt.

Die beiden Chefredakteure Timm Klotzek und Michael Ebert sind jung genug, um sich in ihrer Leserschaft auszukennen. Sie sehen das Blatt als General-Interest-Magazin, dessen Themenspektrum von Bundeswehr, über „Armut in Deutschland“ bis hin zur Familienreportage „Mein Onkel hat sich eine Thai gekauft“ reicht. Dazu der übliche Mix über Popstars und Beziehungsschmerz, über Mode, Musik und andere kulturelle Zerstreuung, alles ein bisschen origineller und lakonischer als die Konkurrenz. Aber es sind nicht allein die Themen, die „Neon“ so erfolgreich machen. Auch optisch ist das Heft nirgendwo besonders innovativ, eher solide und unaufgeregt. Es ist vor allem der Zugang zu den Themen – der Tonfall. Die Texte treffen den „Alltags-Sound“ einer Generation.

Die Nähe der Redaktion zu ihren Lesern ist ein weiterer Erfolgsfaktor. Nähe, was die Geisteshaltung und Lebenseinstellung angeht. Sie äußert sich darin, dass Print und Online eng verzahnt sind. Über 150 000 monatliche Online-Nutzer: Briefe, Kommentare, Debatten, Ideen – die Printredaktion nutzt die Plattform zum Finden neuer Heftthemen. So vermittelt der „Neon“-Kosmos das Gefühl, einer Community anzugehören.

www.neon.de

Smileys, Klamotten, Stil-Ikonen. „Blond“, verspricht „Das Beste für das Leben da draußen“ und fragt – gewissermaßen als Präventivmaßnahme – die Duz-Leserschaft schon auf dem Titel „Wie eitel bist du?“. Die Beiträge im Heft sind von ähnlich alltagskompatibler Wichtigkeit. Es geht um Klamotten, Smileys, neue Popstars und alte Stil-Ikonen, um Styling und Feeling. Motto: Leben heißt Rave. Oder umgekehrt? Wie auch immer. Chefredakteur Sven Bergmann outet sich schon im Editorial als überzeugter Exhibitionist und so kommt das gesamte Heft daher: laut, eitel – mit einer Dosis Größenwahn. Artdirector Floyd Schulze setzt auf Akzente durch opulente Typografie, die der Blatt-Dramaturgie gut tut. Allein dafür ist er in diesen foto-besoffenen Zeiten zu loben.

www.blondmag.de

Wie eine intelligente Gala sieht „U_mag“ aus. Aber Vorsicht: wer sich von dem misslungenen Cover nicht abschrecken lässt, den erwarten kurzweilig inszenierte Innenseiten. Die Redaktion setzt auf populäre Köpfe, kompakte Interviews, schnelle journalistische Service-Formate. Und weil derzeit hierzulande in keinem Magazin eine „Unsere Welt retten!-Serie“ fehlen darf, gibt’s diesmal Tipps für besseres, gesünderes Essen, angerichtet vom Foodwatch-Chef. Leckerer, kurzweiliger Lesestoff für den Jung-Hedonisten. Das Heft wirkt dennoch keinesfalls hektisch. Dazu trägt die Optik bei: Christian Autzen, der für die Artdirection verantwortlich ist, verzichtet konsequent auf den Einsatz von Antiqua-Schriften und lässt den Seiten viel Weißraum. Opulente Fotostrecken – beispielsweise die wunderbar „altmodisch“ anmutenden Porträtbilder-Seiten von Iris Vinokurova – sind ein Segen für die Blatt-Dramaturgie. Und das alles für ganze zwei Euro.

www.Umagazine.de

Erschienen in Ausgabe 6/2007 in der Rubrik „Ortners Blattkritik“ auf Seite 75 bis 75. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.