Herr Abromeit, Sie sind schon wieder auf einer Expedition, vor der Küste Neuguineas. Wie arbeiten Sie denn dort, so ganz abgeschnitten von allen modernen Kommunikationswegen?
Lars Abromeit: Mit dem Satellitentelefon sind wir ja zum Glück nicht völlig von allen Kommunikationswegen abgeschnitten. Von dem Korallenriffarchipel, das wir hier erkunden, ist die nächste größere Siedlung aber so weit entfernt, dass wir mit den meisten Problemen alleine klarkommen müssen. Darauf haben wir uns allerdings ganz gut vorbereitet: Die wichtigsten Ausrüstungsteile und Medikamente haben wir doppelt oder gar dreifach an Bord und wir haben Experten dabei, die sich hier ganz gut auskennen. Aber dennoch ist jeder Tag für sich ein eigenes Abenteuer. Das macht diese Art von journalistischer Arbeit aber natürlich so interessant.
Und welche Abenteuer mussten Sie in der Antarktis bestehen?
Auch da hat man natürlich bei größeren Krankheiten schlechte Karten. Besonders relevant war das, als wir besonders schnell auf 4.000 Meter gestiegen sind. Das wirkt sich wegen der dünneren Luft an den Polkappen noch einmal stärker aus als sonst. Weil dort das Wetter oft schlecht ist, muss man aufpassen, dass man nicht höhenkrank wird. Denn ohne den Hubschrauber, der nur bei gutem Wetter fliegen kann, kommt man nicht rechtzeitig vom Berg runter. Außerdem hat uns ein Schneesturm einige Tage von allem abgeschnitten. Zweien ist das Zelt zerfetzt und einer mit der Lippe im Reisverschluss hängen geblieben. Da muss man dann etwas improvisieren.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, die Expedition multimedial zu featuren?
Vor der Expedition haben der Fotograf George Steinmetz und ich erfahren, dass die meisten amerikanischen Forschungscamps selbst mitten im Eis noch per Satellit ständig ans Internet angebunden sind. Da kam uns der Gedanke, die Expedition mit einem multimedialen Angebot vom Ende der Welt zu begleiten. Als Redaktion eines Monatsmagazins sind wir ja eher an langsamere Rhythmen gewöhnt. Da wollten wir uns die Chance nicht nehmen lassen, einmal ganz aktuell von einem solch ungewöhnlichen Ort zu berichten. Und wie man mit elektronischen Medien Geschichten erzählen kann, habe ich während meiner Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule und bei meiner Zeit beim Fernsehsender 3sat gelernt.
Welche Technik hatten Sie denn dabei?
Die GEO.de-Redaktion hat mir ein Notebook, einen Minidisc-Rekorder und eine Digitalkamera mitgegeben, mit denen die meisten Fotos und Audio-Clips für das Feature entstanden sind. Die kleinen Geräte hatten den Vorteil, dass man sie ständig nah am Körper tragen kann – also tief unter den Fleece- und Daunenschichten, die man in der Antarktis so mit sich rumschleppt. Dadurch halten die Batterien relativ lange durch. Die Knöpfe der Kamera waren auch groß genug, um sie noch mit Handschuhen zu bedienen.
Wie haben Sie sich auf die Reise vorbereitet?
Die Recherche in der Antarktis war nur möglich, weil wir von der amerikanischen National Science Foundation mit einem Stipendium unterstützt wurden. Dafür mussten wir uns allerdings durch einen zentimeterdicken Papierstapel aus Fragebögen kämpfen. Unter anderem sollten wir unseren wöchentlichen Alkoholkonsum berechnen und Auskünfte zu unseren Schnarchgewohnheiten geben. Außerdem haben wir ein umfassendes ärztliches Gutachten gebraucht, weil das nächste Krankenhaus von diesem Teil der Antarktis acht Flugstunden entfernt und in Neuseeland gelegen ist. Da sollte man sich besser keine Zahnschmerzen oder eine Blinddarmentzündung einfangen.
Ist ja alles gut gegangen. Wie war das denn im Anschluss beim Texten?
Ich musste mich vor allem daran gewöhnen, dass man im Internet viel schneller auf den Kern der Erzählung kommen muss und komplexe Zusammenhänge eher in kleinen Happen als in einer großen fließenden Dramaturgie anbietet. Während die „Geo“-Reportage stärker von der inhaltlichen Tiefe und dem langen Atem lebt, gleicht ein Online-Feature mit seiner verschachtelten Erzählweise eher einem journalistischen Puzzle. Ich musste mir immer neue Ansatzpunkte suchen, an denen ich mit der Geschichte ein- und wieder aussteigen konnte. Journalistisch erlaubt das zum einen eine viel unmittelbarere Ansprache und zum anderen einen spielerischen Umgang mit Anekdoten und kleinen Geschichten.
Das Antarktis-Special ist in einzelne Kapitel unterteilt, wirkt sehr durchdacht. Haben Sie schon vor der Reise ein Drehbuch geschrieben?
Nein, in erster Linie musste ich mich auf die Recherchen für meine Print-Reportage konzentrieren. Die Arbeit für das Online-Feature lief eher nebenbei. Allerdings hatten wir in den acht Wochen genügend Schneestürme und logistische Wartezeiten, in denen ich Einträge für das Online-Tagebuch aufschreiben konnte. Das eigentliche Konzept und viele Teile des GEO.de-Features haben wir aber erst nach unserer Rückkehr in Hamburg zusammengestellt.
Halten Sie ihre Reportagen eigentlich lieber in einem Hochglanzmagazin in der Hand oder gefällt Ihnen dieser Blick „in die Röhre“?
Das Internet eröffnet dem Journalismus ein paar extrem faszinierende neue Erzählstrukturen. Allein die Geschwindigkeit des Mediums und der Spielraum in der Verknüpfung von Text, Bildern, animierten Grafiken und Karten, Musik, Ton und Film erlauben, Geschichten in einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten. So kann man den Charakter einer Expedition in einem Onlinetagebuch viel authentischer vermitteln als Monate später im Magazin. Und den Ausbruch eines Vulkans sieht man sich doch viel lieber in einem Film an. Das Medium auszuprobieren reizt mich schon sehr, zumal wir noch am Anfang stehen und sich die Möglichkeiten des Internets rasant verändern. Die große Print-Reportage bleibt für mich trotzdem die Krönung des Genres, vielleicht weil sie so puristisch ist.
Aber heißt es nicht, Online sei die Zukunft?
Ich glaube, die Chancen des Internetjournalismus werden immer noch unterschätzt. Jedenfalls ist der Wille vieler Verlage, dieses Medium erzählerisch auszureizen, nicht klar erkennbar. Die Budgets sind begrenzt und viele gute Ideen – auch in dem Antarktis-Special – werden allein mit freiwilligem Engagement umgesetzt. Ich denke und hoffe, dass sich das bald ändern wird. Lange Texte und opulente Fotografie will man dann aber doch in der Hand halten, blättern und genießen und vielleicht Monate oder auch Jahre später wieder aus dem Regal nehmen können. Letztlich müssen sich beide Formen ergänzen und das ist auch der Grund, warum wir einige Inhalte der Antarktis-Recherche nur im Internet präsentiert haben und andere nur im gedruckten „Geo“. Die wichtigste Frage ist immer: Mit welchem Medium kann ich zu welchem Aspekt des Themas die beste Geschichte erzählen?
Interview: Daniel Bouhs
Erschienen in Ausgabe 6/2007 in der Rubrik „Best of Axel-Springer-Preis für junge Journalisten“ auf Seite 14 bis 14. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.