Gott und die Welt

Afghanistan

Aufkeimende Zensur

Von Britta Petersen, Kabul

Die verschärften militärischen Auseinandersetzungen zwischen Taliban-Rebellen auf der einen und NATO-Truppen und afghanischer Armee auf der anderen Seite haben für afghanische Journalisten unerfreuliche Nebenwirkungen: Immer öfter gehen die Regierung von Präsident Hamid Karsai, aber auch dessen Verbündete in Washington gegen Berichterstatter vor. Kürzlich besetzte die Polizei in Kabul den Fernsehsender Tolo TV, weil der Sender angeblich eine Aussage des Generalstaatsanwalts falsch interpretiert hatte. Bereits zuvor hatte dieser auf Anordnung des Ministeriums für Kultur und Information die Übertragung des englischen Programms von Al Jazeera verbieten lassen. In der Provinz Nangarhar rissen im März US-Truppen afghanischen Journalisten ihre Filme aus der Kamera. Falls das neue Mediengesetz tatsächlich durchkommen sollte, werden sich Berichterstatter in Afghanistan künftig einem Regierungskomitee gegenübersehen, das die Tätigkeit der Medien überwachen soll. Der frühere US-Diplomat Richard Holbrooke warnte daher nicht ohne Grund kürzlich auf einer Konferenz des German Marshall Fund in Brüssel, die afghanische Regierung „entferne sich von der Demokratie“ und verliere dadurch an Autorität.

Internet: www.tolo.tv

Irak

Meinungsfreiheit ade

Birgit Svensson, Bagdad

In unseren Breiten mutet es fast schon alltäglich an: Demonstrationen. Im Irak aber geschieht dies unter Einsatz des Lebens. Zum ersten Mal seit dem Sturz Saddam Husseins sind Journalisten auf die Straße gegangen, um gegen ihre verheerenden Arbeitsbedingungen zu protestieren. Die vor zwei Jahren gegründete unabhängige Journalistengewerkschaft hatte zu dem Protest auf Bagdads Platz der Freiheit aufgerufen, ein Aufruf inmitten zerbombter Häuser und ausgebrannter Autowracks. Kaum eine Woche vergeht, in der getötete Journalisten, Angriffe auf Fernsehstudios und Entführungen von Radioreportern über die Nachrichtenagenturen vermeldet werden. Gut 200 irakische Kollegen sind allein im letzten Jahr dem Terror zum Opfer gefallen. „Das ist zu viel!“ stand auf den Transparenten der wenigen Demonstranten, die dem Aufruf der Gewerkschaft gefolgt waren. Doch nicht nur der Tod ist der Feind des Journalisten im heutigen Irak. Nach dem Frühling der Meinungsfreiheit unmittelbar nach dem Sturz des Diktators ist es um diese mittlerweile schlechter bestellt denn je. „Früher hatten wir einen Feind, Saddam“, erklärt ein Zeitungsreporter, der seinen Namen nicht gedruckt sehen will, „heute haben wir unzählige Gegner“. Schreibt er kritisch über die regierende Schiitenallianz, bedrohen ihn tags darauf deren Milizen. Schreibt er gegen die sunnitischen Aufständischen, muss er mit einer Bombe von denen unter seinem Auto rechnen. Thematisiert er die Probleme bei den irakischen Sicherheitskräften, wird er verhaftet. Und die Amerikaner geben viel Geld für diejenigen aus, die Artikel in ihrem Sinne schreiben.

Internet: http://www.baghdad.com

Philippinen

Pressefreiheit auf Philippinisch

Christina Schott, Manila

„Bei uns herrscht große Pressefreiheit“, erklärte Marites Vitug, Chefredakteurin des Nachrichten-Magazins Newsbreak bei einem Treffen deutscher und philippinischer Journalisten in Manila. „Journalisten sind in ihrer Berichterstattung lediglich eingeschränkt durch die Interessen der Verleger sowie die Gefahr, ermordet zu werden.“ Mit mindestens sechs Morden und 25 versuchten Anschlägen auf Reporter waren die Philippinen in 2006 nach Irak und Mexiko das gefährlichste Land für Journalisten. Sehr beliebt sind im Land mit der angeblich freiesten Presse Südostasiens auch Verleumdungsklagen, die die ohnehin schlecht bezahlten Reporter in den Ruin treiben. Allein Mike Arroyo, Ehemann der Präsidentin, erhob seit 2001 in mehr als 40 Fällen Anklage gegen Journalisten, die kritisch über ihn berichtet hatten. Nur wenige Wochen zuvor wurde die Newsbreak-Redakteurin Gemma Bagayaua vom Schreibtisch weg verhaftet. Angeblich habe sie in einem Artikel über unlautere Geschäfte den Senatskandidaten Luis „Chavit“ Singson diffamiert. Trotz korrekter Recherche drohen ihr Gefängnis und eine horrende Geldstrafe. Auf die Frage, ob sie nach dieser Erfahrung beim Schreiben gehemmt sei, antwortete Gemma: „Solange eine Geschichte danach verlangt, werde ich sie schreiben. Aber man macht sich natürlich Sorgen.“ Nach ihrem Bekenntnis griff ein älterer Herr vom staatlichen Fernsehen nach dem Mikrofon. Er sei im Auftrag der Regierung hier und wolle darauf hinweisen, dass früher alles viel, viel schlimmer war.

Internet: www.newsbreak.ph

Belgien

Die EU sucht Medienexperten

Alois Berger, Brüssel

Die EU-Kommission will endlich eine bessere Presse. Deshalb sucht sie 125 „hoch qualifizierte Kräfte“ für die Öffentlichkeitsarbeit, die Erfahrung mitbringen und wissen, wie die Redaktionen ticken. Leider ist der EU-Kommission die Ausschreibung etwas allgemein geraten, sodass mehr als 11.700 Bewerbungen aus ganz Europa eingegangen sind. Die kann man nun nicht alle nach Brüssel einladen. Ein Wissenstest soll die Zahl jetzt auf eine überschaubare Kandidatenzahl reduzieren: Was steht in Artikel 133 des EC-Vertrages? Wann wurde die OECD gegründet? Was ist der SFE und was ist unter Barcelona-Prozess zu verstehen? Das kann man lernen, dafür gibt es sogar extra Bücher und teure Internet-EU-Concours-Lernprogramme. Das Problem: Wer Erfahrung sucht, aber Lernwissen abfragt, holt sich zielsicher die falschen. Die erfolgreichen Kandidaten sind dann wieder nur die, die wissen, wie die EU tickt, aber nicht unbedingt, wie die Medien funktionieren. Erfahrene Medienleute werden in der zweiten Runde eher selten sein. Denn die haben in aller Regel keine Zeit, fünf Wochen lang Antworten auf unwichtige Fragen aus der Welt der Eurokraten zu büffeln. Fragen, die man im normalen Leben notfalls googelt. Die EU-Kommission braucht dringend erfahrene Personalberater.

Internet: http://europa.eu/epso/index_de.htm

Mexiko

„Plata o Plomo“

Klaus Ehringfeld, Mexiko City

Ende April fanden die Behörden den Leichnam von Saúl Martínez. Der 36-jährige Journalist und Herausgeber der Zeitung „Diario de Agua Prieta“ aus dem nordmexikanischen Bundesstaat Sonora war eine Woche zuvor auf offener Straße von schwer bewaffneten Männern entführt worden. Martínez recherchierte im Drogenmilieu. Das tat auch Amado Ramírez, Regionalkorrespondent des Fernsehsenders Televisa in Acapulco. Er wurde Anfang April in der Stadt, die mittlerweile für ihre spektakulären Morde ebenso berühmt ist wie für ihre Strände, in seinem Auto förmlich hingerichtet.

Martínez und Ramírez sind die Todesopfer zehn und elf unter mexikanischen Journalisten in den vergangenen 15 Monaten. Mexiko hat inzwischen das Bürgerkriegsland Kolumbien als den gefährlichsten Arbeitsplatz für Reporter in Lateinamerika abgelöst. Laut „Reporter ohne Grenzen“ starben 2006 lediglich im Irak mehr Medienvertreter als in Mexiko. Und Organisationen wie die „Interamerikanische Pressevereinigung“ machen die Rauschgiftmafia für die Morde verantwortlich.

In Mexiko kämpfen die Drogenkartelle um die Vorherrschaft auf dem wichtigsten Umschlagsplatz für Kokainlieferungen in die Vereinigten Staaten. Dabei wollen sie allerdings niemanden, der ihnen über die Schulter schaut. Mittlerweile haben in manchen Staaten, vor allem an der Grenze zu den USA, die Kartelle regelrecht die Macht übernommen. Dabei machen sie sich Richter, Polizisten und auch Journalisten nach der Formel „Plata o Plomo“ – „Geld oder Blei“ gefügig.

Internet: http://www.mexicanadecomunicacion.com.mx/

Italien

Falsches Essen

Florian Eder, Mailand

Neulich, am Abend vor der Hauptversammlung von Generali, des größten italienischen Versicherungskonzerns: Das Unternehmen feierte Geburtstag, den 175., mit dem Konzert eines
alternden Soprans im schönen Triester Opernhaus und einem feinen Essen für wichtige Aktionäre. Auch Journalisten waren geladen – allerdings in ein anderes Restaurant. Ich hatte mich in der Tür geirrt und war bei den wichtigsten Aktionären gelandet. Ein Sprecher spürte mich auf und wollte mich kurz sprechen. Die Empfangsdamen hatten ihn angerufen, dass sich hier einer eben als Korrespondent vorgestellt habe. „Wir haben eine eher geschlossene Kommunikationskultur“, sagt er: Lieber nicht zu viel Kontakt zulassen. könnten ja zu viel plaudern, die Großaktionäre, beim guten Weißen aus Generalis eigenen Weinbergen (was sie auch taten). Journalisten also eher unerwünscht, aber Rauswerfen ging auch nicht: Das würde brutta figura machen, für uns beide. Wie kommen wir nun da wieder raus? „Hat dich vielleicht ein Aktionär eingeladen?“, fragt der Sprecher. Könnte man so sagen. Problem gelöst, zur allseitigen Zufriedenheit. Zum Nachtisch wechselten wir ins Presse-Restaurant.

Internet: www.generali.it

Weltreporter

Serie: Die Nachrichten rund um den Globus aus verschiedenen Ländern werden regelmäßig im „medium magazin“ veröffentlicht. Die Autoren sind Mitglieder von Weltreporter.net. Homepage: www.weltreporter.net, eMail: cvd@weltreporter.net.

Erschienen in Ausgabe 6/2007 in der Rubrik „Weltreport“ auf Seite 32 bis 79. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.