Sprechstunde

Wird Reinhard Mohr wirklich neuer Moderator von „Titel, Thesen, Temperamente“?

Dr. Med.: Wie es aussieht, hat der ehemalige „Spiegel“-Redakteur, der sich ein ums andere mal mit den Alpha-Tieren beim Nachrichtenmagazin angelegt hat, gute Chancen, in Zukunft die Kultursendung in der ARD zu moderieren. Es gibt ja schließlich nicht so viele Moderatorentalente beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, als dass man nicht mal bei den Kollegen vom Print wildern könnte. Über einen Fernsehrmoderator Mohr, bisher als Allzweckwaffe für sämtliche Themeneinsätze einsetzbar und dankenswerterweise über Jahre einer, der nicht den 68ern die Schuld an allem gibt, würde sich auch die „taz“ freuen. Die hat Reinhard Mohr seit Jahren zu ihrem Lieblingsfeind erkoren und ihm den Spitznamen „Meinhard Rohr“ verpasst.

Hängt bei der „FR“ der Haussegen schief?

Dr. Med.: Ganz so schlimm ist es nicht. Allerdings hat sich Chefredakteur Uwe Vorkötter nicht eben viele Freunde in der Redaktion gemacht, mit seinem Geständnis, dass die Redaktion langweilige Überschriften fabriziere und ihm vorkomme wie eine Wohngemeinschaft, die zum gemeinsamen, langen Ausschlafen neige. Die „FR“ konnte das anschließend auf Welt-Online lesen und empfand Vorkötters süffisante Bemerkungen als Unkollegialität. Auch Vorkötters Lieblingsfloskel fand sich darin – dass nämlich bei der „FR“ die „Schlagzahl“ erhöht werden müsse. Nun hängt in der Redaktion ein Bild, auf dem seitlich an den Schreibtischen Ruder befestigt sind – in Anspielung auf Vorkötters Sprüche in der „Welt“. Die Kreativität hat also nicht gelitten.

Wer kauft denn nun die „SZ“?

Dr. Med.: Ich tippe auf die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), die 2003, als es der „SZ“ schlecht ging, eingestiegen ist und ein Vorkaufsrecht hat. Wie in den letzten Monaten ausführlich in der Presse dargestellt, sind den Eigner-Familien, die sich von ihrem Anteil trennen wollen, die von der SWMH gebotenen 7,5 Millionen Euro pro Prozentpunkt zu wenig. Statt mit 750 Millionen schätzen sie den Wert des Verlages auf eine Milliarde, was angesichts der guten Bilanz durchaus Sinn macht – und was Finanzinvestoren womöglich zu zahlen bereit wären. Die dürften aber dennoch nicht zum Zuge kommen, schließlich wollen selbst die von der „SZ“ genervten Eigentümer in Zukunft noch einmal in Ruhe ein Weißbier in München trinken können. Das wäre aber kaum möglich, sollten sie die Zeitung tatsächlich an eine Heuschrecke verkaufen. Daher wird es wohl so kommen, dass sich die Südwestdeutsche Medienholding und die verkaufswilligen „SZ“-Eigner auf einen politischen Preis zwischen 800 und 850 Millionen einigen werden. Schlimm genug für die Redaktion. Den meisten gilt ja schon die SWMH als eine Art Heuschrecke.

Warum sieht die neue „zitty“ von Holtzbrinck so furchtbar aus?

Dr. Med.: Chefredakteur Matthias Kalle, erst vor Kurzem bei „Vanity Fair“ geflüchtet, hatte den Relaunch groß angekündigt und sogar seinen Wiederantritt als Chefredakteur daran geknüpft – und dann das: Das Berliner Stadtmagazin „zitty“ ist nach der Abschaffung der Ressorts ein seltsam unstrukturiertes Blatt, in dem sich ausgerechnet die typischen Stadtmagazinleser, denen es auf Nutzwert ankommt, kaum noch zurecht finden dürften. Alles steht mehr oder weniger willkürlich nebeneinander: ein Interview mit Christian Ströbele, eine Doppelseite mit streetfashion oder die Titelgeschichte zum Boom alles Grünen. Optisch sieht die „zitty“ nun ein bisschen wie der „Stern“ aus, auf jeden Fall nicht sehr modern. Wie auch. Für das neue Layout hat man sich von der fast sechzigjährigen Hamburger Grafikerin Nikola Wachsmuth beraten lassen. Könnte sein, dass auf diese grandiose Idee die Geschäftsführung der „zitty“ gekommen ist, die sich laut Insidern viel zu sehr in das Blattmachen einmischt. Und so sieht die neue „zitty“ tatsächlich aus: Als hätten Menschen, die mehr Ahnung von Zahlen als von Buchstaben haben, das Blatt gemacht.

Tritt Putin-Freund Gerhard Schröder wirklich auf einem Medienforum auf?

Dr. Med.: Darauf muss man erst mal kommen: Den Spezi von Wladimir Putin, dem zu ermordeten Journalisten nicht viel mehr einfällt als Schulterzucken, zu einem Medienforum einzuladen und ihm die Eröffnungsrede anzuvertrauen. Genau das aber wird beim vom Medienboard Berlin-Brandenburg mitveranstalteten „European Televison Dialogue“ im November passieren. Was Schröder für „Visionen des Europäischen Fernsehens“ (so sein Thema) hat, wurde neulich schon einmal deutlich, als er angesichts der Verabschiedung von ARD-Mann Thomas Roth nach Moskau, dazu riet, in Zukunft etwas freundlicher über Russland zu berichten. Aber es kann halt nicht jeder so gut über tote Journalisten hinweggucken wie Schröder.

Warum ist Polylux eigentlich immer noch auf Sendung?

Dr. Med.: Tatsächlich grenzt es an ein Wunder, dass diese Berufsjugendlichensendung des Ersten bald Zehnjähriges feiert. Wenn man die Verantwortlichen beim RBB im Vertrauen fragt, schlagen sie die Hände über dem Kopf zusammen und gestehen, alles zu wissen: Dass die Sendung dünne Bretter bohrt, dass die Reporter irgendwelchen Trends hinterherlaufen, dass sie Berlin zu einer reinen Zeitgeistwüste degradieren, dass die Moderatorin und Produzentin Tita von Hardenberg gar keine Moderatorin ist, dass die Sendung uralte Zuschauer und kaum junge habe. Und dann sagen sie, dass sie nichts machen könnten. Warum? Weil sie Angst vor den Reaktionen haben. Dass Tita von Hardenberg und vor allem ihre Mutter Isa von Hardenberg ihre ganze Kaffeekränzchen-Power einsetze und ihre Beziehungen zu anderen Adeligen spielen ließen. Wie hieß noch mal der langjährige Chefredakteur der ARD? Ach ja: Hartmann von der Tann.

Erschienen in Ausgabe 6/2007 in der Rubrik „Journaille“ auf Seite 16 bis 17. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.