Erst der GAU führte zum Umdenken: Seit den Geständnissen von Publikumsliebling Erik Zabel und dem ehemaligen ZDF-Radsport-Experten Rolf Aldag steht das Thema im Fokus der öffentlich-rechtlichen Sportberichterstattung: Doping. „Wir haben meist nur reagiert. Eigene Recherchen, das müssen wir einräumen, hat es dabei kaum gegeben“, sagt etwa ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Dieses Fehlverhalten haben inzwischen auch andere Funktionäre der gebührenfinanzierten Sender eingeräumt. Die ARD hat ihrer bereits zum Jahresbeginn eingerichteten und beim WDR-Sport angesiedelten Doping-Redaktion jüngst einen Etat verpasst, über den Redakteur Ulrich Loke sagt: „Wir haben alle Freiheiten.“
Neben den insgesamt vier ständigen Mitarbeitern arbeiten inzwischen mehr als eine Handvoll Freie für die Redaktion – viele wühlen schlicht als Rechercheure im Hintergrund in den verschiedensten Ecken des Doping-Sumpfs. Selbst Reisekosten seien dabei kein Problem. Ähnliches beim ZDF: Chefredakteur Nikolaus Brender hat eine sog. Task-Force zu Doping gegründet, bindet dort unter anderem das hauseigene Politmagazin „Frontal21“, die Sportredaktion und Experten aus Fachredaktionen, etwa der Medizins, ein. Die Zuschauer scheinen den neuen Vorstoß der Öffentlich-Rechtlichen kaum zu honorieren. Jedenfalls berichtet Gruschwitz von einem „sehr geringen“ Zuschauerinteresse und einer schlechten Quote: „Wenn wir uns die Zuschauerkurven ansehen, etwa zu den Gesprächsrunden zum Thema Doping, erkennt man ganz klar einen Einbruch.“ Nicht nur der ZDF-Sportchef spricht deshalb von einem „Spagat“ zwischen Informationspflicht und der Gunst der Zuschauer.
Zur diesjährigen Tour de France erwarten die Zuschauer dennoch weitere Sendestrecken zu den kriminellen Machenschaften im Sport. So hat die ARD für ihre elf Sendetage jeweils einen Experten zum Thema eingeladen und eigene Stücke vorproduziert. Ähnliches plant das ZDF. Von bis zu 15 Minuten täglicher Doping-Berichterstattung ist die Rede.
Kritiker, wie die wenigen schreibenden Journalisten, die seit jeher am Thema dran sind, warnen ARD und ZDF aber zugleich vor Übermut: „Im Vergleich zur Vergangenheit ist das eine dramatische Wende, die aber genauso unnatürlich wirkt, wie das quasi Totschweigen des Themas zuvor“, sagt etwa Andreas Burkert, der auch in diesem Jahr für die „Süddeutsche Zeitung“ die Tour begleiten wird. Und Jörg Hahn, Sportchef der „FAZ“, mahnt: „Wenn man von den Doping-Task-Forces bei ARD und ZDF hört, dann bekommt das schon fast etwas von, Wir jagen jetzt alle Saddam Hussein!‘. Das ist doch alles keine Geheimwissenschaft“, sagt er. „Wir müssen doch einfach nur unseren Job machen.“ dan
Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 22 bis 22. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.