Fragen ans Team

Markus Balser:

„Gegenseitige Offenheit unter Kollegen ist zwar wichtig. Aber der Wunsch nach Informantenschutz muss natürlich auch in der Teamarbeit respektiert werden. Für die Arbeit ist das in der Regel kein Hindernis. Denn ausschlaggebend ist letztlich, dass die wichtigsten Rechercheergebnisse geteilt werden – für weitere Gegenrecherchen oder um sie mit zusätzlichen Informationen anreichern zu können.

Die Recherchen im Fall Siemens waren sehr zeitaufwendig, mühsam und zum Teil auch logistisch schwierig. Denn sie bewegten sich in einem sehr schwierigen Quellenumfeld. Viele Informanten blieben anfangs sehr reserviert, weil sie harte Sanktionen befürchten mussten. Einige Kontaktpersonen waren deshalb erst nach langem Vorlauf und mehreren Anläufen bereit, Informationen zur Verfügung zu stellen. Dann musste es manchmal ganz schnell gehen – zum Beispiel mit einem Treffen an einem hunderte Kilometer entfernten Flughafen schon am nächsten Morgen.

Dass versucht wurde, von außen über verschiedene Wege Einfluss auf die Arbeit der Redaktion zu nehmen, zählt sicher zu den unangenehmen Erfahrungen der Recherche im Fall Siemens. Entscheidend war für uns in wichtigen Phasen dabei aber der starke Rückhalt für die Arbeit in Ressortleitung, Chefredaktion und auch in der Verlagsleitung.

Es hat sich gezeigt, dass sich der langfristige Aufbau von Kontakten auszahlt und eine Vertrauensbeziehung zu wichtigen Quellen das wohl höchste Gut der Recherche überhaupt ist.“

Hans Leyendecker:

„Der Informantenschutz gilt auch gegenüber Kollegen, jedenfalls für mich. Nur, wenn der Informant erlaubt, dass man über ihn redet, kann ich ihn gegenüber dem Team kenntlich machen. Man muss den Kollegen also in hohem Maße vertrauen. Aber in Redaktionen gibt es immer zu viele geschwätzige Menschen, deswegen ist der Informantenschutz dort besonders wichtig.

Das Hauptproblem der Recherche war, dass wir zeitweise fast zu viel herausgefunden haben: Wir waren der Staatsanwaltschaft oft ein ganzes Stück voraus. Unter journalistischen Gesichtspunkten ist das gut – unter rechtlichen Aspekten aber manchmal schwierig, denn man muss genau aufpassen, wo der Tatbestand der Strafvereitelung beginnt. Wir haben deshalb eher auch mal verzichtet, etwas aufzuschreiben, was wir eigentlich schon wussten. Hinzu kommt, dass der Fall Siemens eine Art Zäsur in der Korruptionsbekämpfung gesetzt hat: Erstmals war ein Weltkonzern betroffen, erstmals konnte man ein weltweites Netz von Korruption nachweisen. Die Artikel wurden also auch in den USA übersetzt und gelesen, und amerikanische Anwälte waren damit befasst – die ja andere Kriterien anlegen als die deutschen. Entsprechend hoch war die Verantwortung, die wir mit unseren Artikel trugen.

Ich habe mit Klaus Ott ausgesprochen gerne zusammengearbeitet, weil er unglaublich beharrlich und fleißig ist. Auf meinem Rechner sind Korrespondenzen, die wir beide um 2.40 Uhr nachts geführt haben. Journalisten, die so hartnäckig kämpfen und arbeiten, gibt es in Deutschland nicht viele.“

Uwe Ritzer:

„Ein gutes Rechercheteam funktioniert im Idealfall wie eine starke Fußballmannschaft: Jeder entfaltet individuelle Stärken, man kombiniert zielstrebig miteinander und spielt so die Treffer heraus. Wer Mitspielern gegenüber neidisch ist und alleine groß herauskommen will, ist fehl am Platz. Ebenso, wer nur seine vorgefasste Meinung bestätigen will, anstatt herauszufinden, was wirklich war.

In unserem Rechercheteam spielten unterschiedliche Charaktere effektiv zusammen. Jeder brachte sein Hintergrundwissen, seine Perspektiven, Erfahrungen und Kontakte ein. Man half sich mit Ratschlägen und informierte sich zügig über neue Rechercheergebnisse. Die größte Hürde war nicht der Siemens-Konzern selbst, der sich beleidigt eingemauert hatte und selbst auf detaillierte Anfragen nichtssagend reagierte. Viel schwieriger war, überhaupt potenzielle Informanten dazu zu bringen, Wissen und Material herauszurücken. Schließlich stand für die wenigen, die Genaues wussten über die geheimen Millionen-Schmiergelder an den ehemaligen Chef der Betriebsräteorganisation AUB, viel auf dem Spiel.

Dabei war Informantenschutz kein Problem. Denn wer um die journalistische Kompetenz seines Teamkollegen weiß, traut ihm auch zu, die Seriosität und Zuverlässigkeit seiner Quellen einzuschätzen. Namen vertraulicher Informanten wurden daher nicht ausgetauscht. Wichtig ist schließlich nicht, von wem Material kommt, sondern wie viel es taugt. Das wiederum wurde hinterfragt und mit anderen Quellen abgeglichen. Das zwingt einen selbst zu Vollständigkeit und Präzision bei Recherche und Formulierung. An dieser Stelle habe ich von den Kollegen am meisten gelernt. Vor allem von Klaus Ott, dem Spielmacher, der selbst bei komplexesten und schwierigsten Zusammenhängen nie die Übersicht verliert. Und der weiß, wie und wohin der nächste Pass gespielt werden muss.“

Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Best of Henri-Nannen-Preis 2007“ auf Seite 54 bis 54. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.