Gott und die Welt

Venezuela

Schwierige Pressefreiheit

Klaus Ehringfeld, Caracas

Der Fall Chávez versus RCTV in Venezuela wirft neben aller berechtigten Kritik an der venezolanischen Regierung und der Beugung der Pressefreiheit auch ein schräges Licht auf unsere eigene Profession. Von Lateinamerika bis Europa ist in den vergangenen Wochen über das Aus für Radio Caracas Televisión mehr Falsches als Richtiges berichtet worden. Und leider bilden die deutschen Medien da keine Ausnahme. Entweder waren die Fakten ungenau oder viele Journalisten vernachlässigten ihrer feinsten Tugenden: die Recherche und die Trennung von Bericht und Kommentar.

Es gab kaum ein Medium, das die Nichtverlängerung der Sendelizenz für RCTV nicht als „Schließung“ bezeichnet hätte. Was so griffig klingt, ist juristisch ebenso falsch. Kein privater Sender hat Anspruch darauf, dass die Regierung seine Lizenz automatisch verlängert. Aber wenn im hoch polarisierten Venezuela einem regierungskritischen Kanal die Erneuerung der Sendegenehmigung verweigert wird, dann liegt der Verdacht der Zensur nahe.

Dabei hat es Staatschef Hugo Chávez seinen Kritikern im Fall RCTV allerdings auch einfach gemacht. Er hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass ihm der beim Volk beliebte Sender ein Dorn im Auge ist. Das Auslaufen der Sendelizenz bot Chávez die Gelegenheit, eine kritische Stimme weitgehend zum Schweigen zu bringen. Im Kabelnetz, im Internet und über Satellit ist RCTV prinzipiell weiter zu empfangen. Doch bisher hat RCTV-Chef Marcel Granier keinen Antrag auf Aufnahme ins Kabelnetz gestellt.

Die Verweigerung der weiteren Sendelizenz für RCTV ist ohne Zweifel ein Akt der Zensur. Aber denjenigen Medien, die das Ende der Pressefreiheit in Venezuela ausgerufen haben, sei Folgendes in Erinnerung gerufen: Beim Putsch gegen Chávez vor fünf Jahren hat RCTV genau wie die anderen drei Privatsender in Ausblendung aller journalistischen Kriterien und Ethik medial gemeinsame Sache mit den Putschisten gemacht und den Staatsstreich offen unterstützt. Chávez-Anhänger und ihre Demonstrationen für den gestürzten Staatschef wurden totgeschwiegen. Diejenigen, die jetzt wort- und tränenreich die Verletzung der Meinungsfreiheit geißeln, haben sie damals mit Füßen getreten.

Venezuela ist ein Land, in dem es schwer ist, die Wahrheit zu finden oder auch nur eine objektive Stimme. Es ist ein Land, in dem Medien oft politische Instrumente sind, in dem es nur Regierungspropaganda oder Regierungskritik gibt, oftmals an der Grenze zur Verleumdung, ein Land, in dem die Printmedien aktive Opposition gegen Chávez betreiben. In Venezuela gibt es mehr Pressefreiheit als in vielen anderen Ländern des Kontinents, nur gibt es keine freie Presse.

Internet: www.rctv.net

Thailand

Militäraktion gegen Radios

Christina Schott, Bangkok

Radio-Moderator Chupong Theethuan war völlig unvorbereitet, als er am 17. Mai einen Anruf aus dem Ausland erhielt. „Ich war sprachlos, als ich erkannte, wen ich da in der Leitung hatte: Thaksin Shinawatra, unseren ehemaligen Premierminister“, berichtet Theethuan, der für das kommunale Radioprogramm „Confidante“ arbeitet.Seit einem Putsch im vergangenen Jahr lebt der abgesetzte Staatschef Thailands in London und konnte bislang lediglich internationalen Medien Interviews geben. Die neue Militärregierung hat der thailändischen Presse eine strenge Zensur auferlegt und ließ Hunderte von Kommunal-Radios schließen – vor allem im Thaksin-freundlichen Norden.

Bei seiner ungewöhnlichen Blitzaktion im Mai kontaktierte der Ex-Premier erfolgreich drei kommunale Radiosender in Thailand. „Er forderte schnelle Neuwahlen und sagte, die jetzige Regierung solle sich keine Sorgen machen – er würde nicht mehr so schnell in unsere Region reisen“, so Chupong Theethuan. Für ihn war das Interview mit dem Ex-Premier des Landes vorerst eine seiner letzten journalistischen Arbeiten: Am Tag danach ließ die Militärregierung die drei Radiostationen schließen, rund 3.000 weitere Sender wurden wegen „möglicher Gefahr für die nationale Sicherheit“ durchsucht.

Internet: http://ipsnews.net/news.asp?idnews=35023

Australien

Neue Treibhauseffekte

Julica Junghülsing, Sydney

Wahljahre in Australien sind Glanzjahre für die Werbebranche. Denn kurz vor dem Urnengang, der Down Under nicht Recht, sondern Pflicht ist, muss die Regierung plötzlich besonders viel erklären. Und das macht sie am liebsten per TV-Spots und Hochglanzbroschüren. Selbst in Jahren, in denen nicht gewählt wird, ist die Regierung einer der besten Reklame-Kunden des Kontinents: 127 Millionen AUS $ (78 Mio Euro) hat der australische Premier John Howard seit 1996 pro Jahr für PR ausgegeben. Das Pikante: Bezahlt wird die Belehrung von den Belehrten selbst. Die konservative Regierung nutzt ausschließlich Steuergelder, um den Wählern zu erklären, wie prima sie ihren Job macht. Diese Ausgaben, wehrt sich Howard gegen Unmut in Volk und Opposition, dienten allein der Information, nicht dem Wahlkampf. Und gewiss: von den Millionen werden auch Kampagnen finanziert, die etwa über Impfungen aufklären. Die dicksten Batzen enden indes anderswo: Allein 23 Mio $ (14,5 Mio Euro) propagieren derzeit die nach eigenen Angaben „ausgewogene Stimme des Landes zum Klimawandel“ – eine Stimme, die neuerdings zwar hörbar ist, bis vor Kurzem aber nicht existierte. Denn Klimawandel ist ein Wort, dass Howard erst seit knapp einem Jahr überhaupt benutzt-schon klar, dass da nun umso tüchtiger getrommelt werden muss. Neuerdings leidet sogar die Internetadresse des Umweltministers unter Treibhauseffekten.

Internet: www.greenhouse.gov.au

Usbekistan

Journalistenterroristen

Marcus Bensmann, Taschkent

Ich bin Mitglied der Hisb-ut-Tahrir“, raunt die Stimme am Telefon, „wir sind in Usbekistan aktionsbereit“. Seltsame Anrufe bekommt man als Journalist öfters. Der Anrufer, der sich so freimütig als Mitglied einer radikalislamischen Bewegung in Usbekistan ausgibt, entstammt jedoch wohl eher den usbekischen Sicherheitsbehörden. Es riecht nach einem plumpen Trick, um mich der Nähe zu Extremisten zu überführen.

Die ersten beide Male rief er mich Mitte Mai und ausgerechnet, so verriet es die Nummer auf dem Display, von einem usbekischen Mobilfunknetz aus an. In Usbekistan bekommt man jedoch nur eine Handynummer, wenn man sich vorher mit einem Pass registriert. Die Mobilfunknetze unterliegen der strikten Kontrolle des usbekischen Sicherheitsministeriums.

Die usbekischen Behörden sind seit dem Massaker von Andischan überzeugt, dass Journalisten und Terroristen zusammenarbeiten. In den Gerichtsakten zu den Andischaner Ereignissen vom 13. Mai 2005 ist dies detailversessen beschrieben, auch mein Name ist darin aufgeführt.

Die nach usbekischer Lesart für die den Aufstand in Andischan verantwortliche Hisb-ut-Tahrir wird in Usbekistan mit aller staatlichen Härte verfolgt. Viele Tausend junger Männer sitzen nach erfolterten Geständnissen in usbekischen Straflagern ein. Die Vorstellung, dass einer von dieser Bewegung zum usbekischen Handy greift, um einen deutschen Journalisten über bevorstehende Aktionen zu unterrichten, ist absurd. Das sagte ich auch dem unbekannten Anrufer. Wenige Tage später rief er wieder an, er hatte gelernt, und nutzte diesmal ein russisches Mobilfunknetz. Ich legte auf.

Internet: www.hizb-ut-tahrir.org

Dänemark

Geschminkte Politiker

Clemens Bomsdorf, Kopenhagen

Das nordeuropäische Öffentlichkeitsprinzip ist für Journalisten eine prima Hilfe für die Themenfindung. Teils freiwillig, teils per Gesetz gezwungen machen Politiker in Nordeuropa publik, was in Deutschland kaum öffentlich wird: Einkommen aus Abgeordneten- und Nebentätigkeiten, Aktienbesitz und Ausgaben für Repräsentation oder Spesen. Journalisten bietet sich deshalb eine Fülle mehr an Themen als den Kollegen in Deutschland. Einmal jäh
rlich krönen sie in Schweden den Minister mit dem größten Aktienportfolio (Außenminister Carl Bildt), listen deren Steuerbeiträge auf oder informieren die Öffentlichkeit darüber, wofür die Volksvertreter ihr Budget ausgeben. In Dänemark gab eine derartige Aufstellung im Frühsommer einmal wieder Anlass, über zwei Politiker zu schimpfen. Bei der Durchsicht der Spesenabrechnungen des Gesundheitsministers Lars Løkke Rasmussen entdeckten Journalisten der Gratiszeitung „Nyhedsavisen“, dass dieser in Ernährungsfragen nicht zum Vorbild taugt: „Hotdogs, Burger, smørrebrød, Bier und Zigaretten füllen Rasmussens Einkaufsliste. Die Zigaretten muss er aber selber zahlen“, schreibt die Zeitung. Außerdem hat der Gesundheitsminister sich auf Dienstreisen viel von Fastfood ernährt. Sein Kollege Klaus Bondam, für Umweltfragen zuständiger Bürgermeister in Kopenhagen, muss sich nach Durchsicht seiner Abrechnungen von Journalisten des Boulevardblatts „B.T.“ vorhalten lassen, Schminke für öffentliche Auftritte mit Steuergeldern bezahlt zu haben. Zwar geht es nur um 200 Euro, doch Schminke und Steuern sind in Dänemark ein sensibles Thema. Schließlich streitet der Finanzminister seit Langem mit der Sängerin Lina Rafn darüber, ob sie ihre Schminke, die sie bei Konzerten braucht, von der Steuer absetzen darf. Internet: www.bondam.dk

Weltreporter

Serie: Die Nachrichten rund um den Globus aus verschiedenen Ländern werden regelmäßig im „medium magazin“ veröffentlicht. Die Autoren sind Mitglieder von Weltreporter.net. Homepage: www.weltreporter.net, eMail: cvd@weltreporter.net.

Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Weltreport“ auf Seite 32 bis 79. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.