Lohnender Aufwand

Aufwendige Recherche muss man sich leisten können: Wer täglich bis zu vier Lokalseiten allein stemmt, dem bleibt schlichtweg keine Zeit, um stunden-oder tagelang vor Ort Informationen einzuholen. Doch es lohnt sich, auch für groß angelegte Recherchen Ressourcen und Zeit freizuschaufeln. Denn solche Geschichten, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, sind für das Image der Zeitung von hohem Wert: So erstellte der Berliner „Tagesspiegel“ die ökologische Bilanz der Hauptstadt, die „Westfälische Rundschau“ (Dortmund) testete in einer großen Aktion die Mensen von Ganztagsschulen und der „Tages-Anzeiger“ (Zürich) recherchierte für eine Reportage unter Züricher Tagelöhnern.

Lokaltipp des Monats:

Aufgeschlüsselt. Der „Tagesspiegel“ bricht die aktuelle Klimadebatte auf die lokale Ebene herunter: Wie sehr setzen die Berliner ihrer Umwelt zu, fragte die Berlin-Redaktion und zog im Mai auf einer großen Doppelseite die Öko-Bilanz der Hauptstadt. Dazu analysierte Redakteur Stefan Jacobs die ökologische Situation Berlins in verschiedenen Bereichen wie Energie, Wasser, Luft und Abfall. Die Ergebnisse verarbeitete er zu einem sehr flüssig geschriebenen Text, der mit überraschenden Fakten aufwartet. „Das Schwierigste an der Geschichte war, die Zahlen zusammenzutragen und so aufzubereiten, dass der Text trotz der Informationsfülle interessant zu lesen ist“, sagt Gerd Nowakowski, Leiter des Berlin-Ressorts. So benötigte Jacobs vier Wochen Vorlaufzeit, um alle notwendigen Informationen zu recherchieren, vom Müllaufkommen pro Einwohner bis hin zum Blühbeginn der Birken in Berlin. Den Text, der die Öko-Bilanz in neun Kapiteln beschreibt, ergänzten zwölf Infografiken und eine Öko-Hitliste mit den Tops und Flops der Stadt. Ein Aufwand, der sich lohnt, wie zahlreiche positive Leserreaktionen und hohe Klickraten bei der Internetveröffentlichung zeigten. „Wenn man alles gut plant und Stück für Stück die Zahlen zusammenträgt, sollte sich keiner scheuen, die Geschichte nachzudrehen“, rät daher Gerd Nowakowski.

Kontakt: Gerd Nowakowski, Tel. 030 / 26 00 95 05, eMail: gerd.nowakowski@tagesspiegel.de

Ideenbörse:

Getestet. Was bekommen unsere Kinder in der Schule auf den Teller, fragte die Lokalredaktion Halver der „Westfälische Rundschau“ und sah sich in sechs Ganztagsschulen um. Mit einem Fragebogen, den Schüler, Lehrer und die Redakteure selbst ausfüllten, wurde das angebotene Essen der Schulmensen evaluiert. Zudem recherchierten Lokalredakteur Rüdiger Kahlke und die freie Mitarbeiterin Stefanie Löhn vor Ort und rundeten jeden Test mit einer Reportage und Infokästen ab. Die Resonanz der Leser war so positiv, dass die Serie nach den Sommerferien fortgesetzt wird.

Kontakt: Rüdiger Kahlke, Tel. 02353 / 30 74 01, eMail: r.kahlke@westfaelische-rundschau.de

Aufgespürt. An zwei Tagen um fünf Uhr früh fuhr Redakteur Stefan Häne zum Güterbahnhof, um für seine Reportage über Züricher Tagelöhner zu recherchieren. Dort führte er Gespräche mit Schwarzarbeitern, die sich auf dem „Arbeitsstrich“ zu Tiefstlöhnen anbieten. Es kostete viel Zeit, das Vertrauen der Tagelöhner zu gewinnen. Um die Gesprächspartner nicht zu verunsichern, schoss der Fotograf auch erst im Anschluss an die Recherche das Aufmacherfoto vor Ort. Die Reportage erschien ganzseitig im Züricher „Tages-Anzeiger“ und sorgte für einiges Aufsehen.

Kontakt: Stefan Häne, Tel. 0041 / 44 / 2 48 45 10, eMail: stefan.haene@tages-anzeiger.ch

Tipp

Weitere interessante Beispiele aus der lokaljournalistischen Praxis finden Sie in der aktuellen „drehscheibe“.

Kontakt: Redaktion „drehscheibe“,

Raufeld-Medien, Mehringdamm 57, 10961 Berlin, Tel. 030 / 695 665 22, eMail: info@drehscheibe.org,

Homepage: www.drehscheibe.org

Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 88 bis 88 Autor/en: Jan Steeger. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.