Moderne Seelentröster

Das Leben ist nicht immer eine schöne Sause. Das wirre Geflecht aus Gefühlen und Beziehungen, Sehnsüchten und Kompromissen, alter Romantik und neuem Realismus führt mitunter zu heilloser Ratlosigkeit. Wir wollen alles. Und zwar jetzt. Liebesfreuden, Seelenfrieden, Harmonie. Doch der heilige Gral des immerwährenden Glücks rückt mitunter in weite Entfernung – und jeder ist sein Parzival auf der ewigen Suche. Nur gut, dass es Zeitschriften gibt.

Psycho-Dschungel: Beispielsweise „MEIN ICH. Das Psychologie-Magazin“. Es erscheint im Verlag Spektrum der Wissenschaft und liefert zum „Einführungspreis“ von 4,90 Euro allerlei Rüstzeug für die Suche nach der „Liebe fürs Leben“. In der Titelgeschichte analysiert Rabea Rentschler – sie ist Theologin und Philosophin „und auch im verflixten vierten Jahr glücklich verheiratet“ – auf knapp zwei Seiten die Gefahrenzonen und Frontverläufe im Beziehungs-Dschungel. Ihr Fazit: „Für eine stabile und glückliche Beziehung müssen beide Seiten arbeiten“. Aha. Solchermaßen alltags-kompatible Ratschläge durchziehen das gesamte Heft. Chefredakteur Carsten Könneker setzt auf populäre Themen: es geht um virtuelle Partnersuche, gesunden Schlaf, stressfreie Urlaubsplanung und Ängste am Arbeitsplatz.

Dass es sich hierbei mitunter um Zweitverwertung von Beiträgen aus dem im gleichen Verlag erscheinenden Wissenschaftsmagazin „Gehirn & Geist“ handelt, ist allein noch kein Verstoß gegen die Menschenrechte. Nichts gegen mediale Verwertungsketten, aber familiäre Print-Ableger sollten eine eigene „Persönlichkeit“ haben. Daran fehlt es „MEIN ICH“. Das Blatt kommt identitätslos daher. Journalistisch solide, aber nirgendwo originär. Layout und Typo wirken behäbig und beliebig. Vor allem Fotoqualität und Bildsprache sind zweitklassig.

Und dass in den Kommentaren und Kolumnen ausnahmslos optimistisch dreinlächelnde männliche Experten zu Wort kommen, ist sicherlich Zufall. Also: mehr Expertinnen ins Heft! Es geht schließlich um den Geschlechter-Frieden – oder nicht?

www.mein-ich.net

Frauenversteher: Ob Singles, Paare, allein erziehende Frauen oder Männer in der kinderlosen Dritt-Ehe, Teilzeit-Beziehungen oder Dauer-Affären – in allen nur denkbaren Lebens- und Liebesmodellen steckt der Wurm. „Du nervst mich!“, titelt „emotion“ und verrät sogleich präventive Abwehrmaßnahmen: „Wie Sie verhindern, dass kleine Konflikte große Folgen haben“. Das honoriert die überwiegend weibliche Leserinnenschaft. „emotion“ ist auf dem besten Weg, sich am Kiosk durchzusetzen. Auch hier der obligate Themenmix: Partnerschaft, Persönlichkeit, Psychologie – aber blattmacherisch gekonnt inszeniert. Kompakte News, kurzweilige Interviews, zielgruppennahe Reportagen mit hohem Informations- und Unterhaltungswert. Die Redaktion nutzt stilsicher alle journalistischen Formen und Formate und das tut dem Blatt gut. Gestalterisch ist Michael Darling ein Look gelungen, der zum Lesen einlädt. Nicht wirklich aufregend, aber in moderner, lesefreundlicher Optik, stellenweise exzellenten Fotos und einer Heft-Dramaturgie, die zum Lesen einlädt. So sehen moderne Magazine aus. Als Zugabe gibt es noch ein ebenso nutzwertiges wie verführerisches „soulfood-Extra-Heft“ mit vielen Rezepten, die sich auch als Seelentröster eignen.

www.emotion.de

Zentralorgan: „Psychologie heute“ ist seit mehr als 20 Jahren Trendsetter und Navigator, wenn es darum geht, die Entwicklung praxisnaher Pychologie zu beobachten und zu begleiten. Jetzt hat sich das Blatt einem sanften Relaunch unterzogen, mit respektablem Ergebnis. Ein Lead-Award wird es dafür zwar nicht geben, innovativ sieht anders aus. Insgesamt jedoch ist das Layout angenehm unaufgeregt und souverän. Geblieben ist die Qualität der Texte, informativ und verständlich. Der allseits beschworene Wissenschaftstransfer: hier findet er statt. Mitunter etwas routiniert statt ambitioniert, aber das ist nun mal das Schicksal aller Zentralorgane.

www.psychologie-heute.de

Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Ortners Blattkritik“ auf Seite 77 bis 77. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.