Schüler für die „Welt“

Wird die „Welt Kompakt“ nun zu einer Übungszeitung für Journalistenschüler? Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Journalistenschülern und Redakteuren wird in Zukunft ja recht unausgewogen sein.

Jan-Eric Peters: Das Verhältnis ist nicht unausgewogen, sondern meiner Meinung nach perfekt. In jedem Ressort werden erfahrene Redakteure das Heft in der Hand halten, die Redaktionsleitung, Fotoredaktion, Grafik und Layout bestehen ausschließlich aus Profis – aber gleichzeitig haben die Journalistenschüler die Chance, unter professioneller Anleitung wichtige und verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen, weil es eben keine Übungszeitung, sondern eine echte Zeitung ist. Sie sind bestens vorbereitet, haben das journalistische Handwerk intensiv an der Akademie trainiert und ja auch vorher schon – oft über Jahre – journalistische Erfahrungen gesammelt. Im Übrigen war der Anteil der Journalistenschüler und Jungredakteure bei „Welt Kompakt“ schon immer hoch, was der Zeitung sehr gut getan hat.

Wer profitiert denn mehr von der Kooperation: Die Schüler oder die „Welt Kompakt“?

Das ist eine klassische Win-Win-Situation. Einerseits haben die Schüler die Chance, in einem überschaubaren Team genau die Grundfertigkeiten zu trainieren, die man immer und in jeder Redaktion braucht: von der richtigen Themenauswahl und Gewichtung über das Schreiben eigener Texte, Redigieren und Aktualisieren von Geschichten bis zum Zeilenmachen. Dazu kommt die enge Verknüpfung mit „Welt Online“, die perfekt zum crossmedialen Ansatz der Akademie passt. In einem klassischen Volontariat bieten sich solche Möglichkeiten nicht immer, da lernt man redaktionelle Arbeit oft nur ausschnittsweise kennen. Auf der anderen Seite profitiert „Welt Kompakt“ durch die Kooperation mit der Akademie, weil zusätzlich Journalisten für die Zeitung arbeiten, die genau im Alter der „Kompakt“-Leser sind und wissen, was hier besonders interessiert. Außerdem können jetzt mehr eigene Geschichten exklusiv für „Welt Kompakt“ gemacht werden, weil insgesamt mehr Mitarbeiter in der Redaktion sind und deshalb Freiräume entstehen und neue Ideen umgesetzt werden können.

Wird sich dadurch die Ausrichtung der „Welt Kompakt“ ein wenig ändern? Mit der „Frankfurter Rundschau“ gibt es ja jetzt auch in Deutschland ein Tabloid, das statt Häppchenjournalismus die aus den großen Zeitungen gewohnten längeren Geschichten bietet.

Man darf Quantität nicht mit Qualität verwechseln. Die Texte von „Welt Kompakt“ sind kurz, aber kompetent, genau das ist ja das Konzept der Zeitung. Da wird kein „Häppchenjournalismus“ betrieben, sondern werden sorgfältig komprimierte und oft exklusive Artikel aus der Gemeinschaftsredaktion von „Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Berliner Morgenpost“ gedruckt, ergänzt um eigene aktuelle Stücke. Hinter „Welt Kompakt“ stehen damit mehr als 400 Redakteure. Wir werden das Konzept der Zeitung nicht ändern, denn sie ist sehr erfolgreich. Die Auflage steigt seit Gründung vor drei Jahren beständig, die Leser sind jung, ihr Bildungsniveau liegt sogar über dem der Leser der „Süddeutschen Zeitung“. Aber natürlich erhoffen wir uns von den jungen Kollegen im Rahmen des Konzeptes frische Ideen, vielleicht für eine Kolumne oder andere neue Elemente.

Bei der Welt-Gruppe heißt die Prämisse ja jetzt „Online first“, und auch in der Axel-Springer-Akademie hat Crossmedia-Ausbildung hohen Stellenwert. Leidet darunter nicht die klassische Journalistenausbildung?

Das klassische Handwerk genießt an der Akademie einen hohen Stellenwert. Die Schüler lernen sehr gründlich, was eine Nachricht ist, wie man recherchiert, ein Interview führt oder eine Reportage schreibt. Das ist die Basis des Journalismus, und die ist auch im digitalen Medienzeitalter wichtig. Aber was heute noch Onlinejournalismus heißt, wird bald das klassische Berufsbild sein. Wir wollen junge Journalisten in der Ausbildung möglichst gut auf ihr langes Berufsleben vorbereiten, und deshalb spielen Online, Audio und Video auch eine große Rolle.

Ist jemand, der gar kein Interesse an Multimedia hat, an der Axel-Springer-Akademie also komplett falsch?

Wer gar kein Interesse an Multimedia hat, wird auf längere Sicht in unserem Beruf komplett falsch sein. Journalisten sind Dienstleister ihrer Leser, Zuhörer und Zuschauer – und die nutzen immer häufiger neue Medienkanäle, digitale Angebote, mobile Dienste. Menschen unter 30 beispielsweise gehen als erstes ins Internet, wenn sie sich informieren möchten, und selbst bei den Rentnern sind es mittlerweile mehr als 25 Prozent. Wir haben da keine Wahl, wir müssen unser Publikum, die Öffentlichkeit erreichen, sonst werden wir überflüssig. Deshalb muss jeder Journalist verstehen, wie man eine Geschichte crossmedial aufbereitet und wie das Zusammenspiel von Print, Online, Audio und Video funktioniert. Gleichwohl gilt: Wer kein Talent hat, mit Sprache und Geschichten umzugehen, ist auch im Onlinejournalismus falsch. Das bleibt.

Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 72 bis 73 Autor/en: Interview: Sonja Niemann. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.