?! Was machen Sie, wenn Ihnen mal nichts einfällt, Herr Zippert?

* Herr Zippert, Sie sind der Franz Josef Wagner der gebildeten Springer-Leser. Sechs Mal die Woche schreiben Sie die Kolumne „Zippert zappt“ in der „Welt“.

Hans Zippert: Wagner schreibt ja nur fünf Tage in der Woche. Das lässt sich mit mir nicht vergleichen.

* Aber auch Wagner arbeitet – wie Sie – von zu Hause, liefert täglich gegen fünf sein Werk ab.

* Das stimmt. Wenn man zu Hause arbeitet, muss man sich irrsinnig am Riemen reißen. Ein Meister der Selbstdisziplinierung bin ich aber nicht. Der Gedanke, dass der Kaninchenstall neue Dachpappe bräuchte oder die Mauer in der Einfahrt gestrichen werden müsste, bringt mich öfter aus dem Konzept.

* Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

* Ich stehe um 6.45 Uhr auf, frühstücke mit den Kindern, lese immer etwas zu ausführlich in den Zeitungen. Dann virtuelle und reale Post bearbeiten, Kontostand überprüfen, ARD-Text lesen und geeignete Meldungen ausdrucken, Mittagessen vorbereiten und verzehren, mich über die Lehrer meiner Kinder aufregen, mich über die Arbeiten meiner Kinder aufregen, dann merken, dass es höchste Zeit wird und mit dem Kolumnenbau anfangen. Anschließend je nach Bedarf, „Funk Uhr“, „Cicero“, „Geo-Saison“ oder „Handelsblatt“-Beiträge, Arbeit an Büchern, Gilmore Girls gucken, die neue Platte von Rufus Wainwright hören, ins Bett gehen.

* Und wann entsteht die Kolumne?

* Idealerweise zwischen 15 und 17 Uhr. Um drei schreibe ich, dann lasse ich sie ein bisschen liegen, werfe noch mal einen Blick drauf, bügle ein paar Unebenheiten aus und maile den Text in die Redaktion.

* Was ist Ihre Strategie, wenn Ihnen mal nichts einfällt?

* Ich fange einfach an, ein Wort hinter das andere zu setzen und mache damit so lange weiter, bis 25 halbwegs komische Zeilen zustande gekommen sind.

* Von welchen Zeitungen lassen Sie sich morgens inspirieren?

* Ich lese „FAZ“ und „Welt“, zimmere mir also ein schönes wertkonservatives Weltbild. Ich bin ein gründlicher Leser und bleibe gerne mal bei einer längeren Sachbuchbesprechung über Tierprozesse im Mittelalter hängen und schon ist wieder viel Zeit vergangen. „Bildblog“ arbeite ich täglich durch, dann die „Titanic-Magazin.de“-Seite, um mich über die Unfähigkeit meiner Nachfolger aufzuregen.

* Haben Sie – bevor die erste Kolumne ge-druckt wurde – ein inhaltliches und sprachliches Konzept entwickelt?

* Ich habe einfach drauflos geschrieben und versucht, dass die Kolumne in den Rahmen reinpasst und mit einer Pointe endet. Darauf achte ich heute stärker als früher, da war der Witz auch mal in der Mitte versteckt.

* Wie kommen Sie auf Ihre Themen?

* Ich sammle viel Material, hauptsächlich benutze ich als Quelle den ARD-Videotext. Da sind die Meldungen schön aufbereitet, meistens in Themengruppen. Die Überschriften sind dort so, dass ich sofort sehen kann: Das taugt was. „Google News“ ist mein Ticker-Ersatz. Wenn ich dann lese: „Seehofer fordert: Wale besser schützen“, dann ist das schon mal o.k. Oder hier: „Brutaler Tod des Braunbären Bruno vor Gericht.“ Da kann man was draus machen.

* Was muss ein Thema haben, damit darauf anspringen?

* Es muss in mir eine komische Assoziation auslösen. Klassisches Beispiel: „Schöne Soldatin gerettet“, eine Meldung aus den Anfangstagen des 2. Golfkriegs, da fragt man sich natürlich sofort: wer rettet die hässlichen?

* Wie viel haben die „Welt“-Kollegen am Anfang redigiert?

* Nicht viel. Am Anfang waren alle hochnervös. Da hat Döpfner noch persönlich angerufen. Nach der zweiten oder dritten Kolumne hat er mich mal erreicht, als ich gerade in der S-Bahn stand und die Kolumne schon abgegeben hatte. Er wollte wissen, wer denn diese Witta Pohl wäre. Die spielte 1999 die Hauptrolle in einer Hebammenserie.

* Gab es Tabus?

* Kohl durfte anfangs nur am Rande vorkommen, weil es da Probleme wegen des Spendenskandals gab. Hin und wieder gab es Beschwerden, wenn nicht genügend Kolumnen mit dem Thema Fernsehen zu tun hatten. Mehr als die Hälfte sollten es sein, hieß es, daran gehalten habe ich mich selten. Inzwischen begreifen die Leser das Wort „zappen“ in meiner Kolumne als realitätsumspannend.

* Wie groß ist Ihr Stehsatz?

* Ich habe keinen. Es gibt keinen Ersatz für Notfälle. Nur wenn ich in Urlaub fahre, schreibe ich vor. Drei Wochen schaffe ich. Dafür habe ich dann eine Mappe mit eher klassischen Meldungen. Hier zum Beispiel: „52 neue Arten auf Borneo entdeckt.“

* Kurt Kister, der vor Ihnen den Henri-Nannen-Preis in der Kategorie Humor erhalten hat, behauptet, zum Lachen in den Keller zu gehen. Ist das eine Voraussetzung, um lustige Texte schreiben zu können?

* Schwer zu sagen. Meine Familie hält meinen Humor für fragwürdig. Besonders meine Kinder sagen dann mit vorwurfsvollem Ton: „Papa, sehr komisch“. Meine Frau kritisiert gerne, lobt mich aber auch, wenn sie die Kolumne für gelungen hält. Meine Tochter liest sie nie, mein Sohn liest die Kolumne, aber völlig unbewegt. Manchmal sagt er dann: „Mhhhh“.

* Worüber können Sie im Fernsehen lachen?

* Ich vermeide alles, was mit Komik zu tun hat. Auch Harald Schmidt sehe ich eher zufällig, und wenn, dann finde ich ihn zur Zeit mau und uninspiriert. Er sollte nur noch improvisieren.

* Inzwischen lesen Sie „Zippert zappt“ auch vor. Funktioniert das genauso gut?

* Grundsätzlich schon, aber bei Lesungen stelle ich häufig fest, dass die 25 Zeilen zu wenig sind. Einige kommen da wegen der Themensprünge nicht mehr mit. Die lachen dann einfach nicht an den Stellen, die ich dafür vorgesehen habe.

* Sie bloggen auch auf Cicero.de, jeden Mittwoch neu. Was unterscheidet einen Blog von einer Kolumne?

* Für mich gibt es da keinen Unterschied. Als guter Blogger müsste ich das Improvisierte eines Blogs natürlich deutlicher in den Vordergrund stellen, den Text mehr als Tagebucheintrag gestalten. Aber das kriege ich nicht so richtig hin.

* Wollen Sie bis an Ihren Lebensabend Kolumnen schreiben?

* Das könnte noch endlos so weitergehen. In acht Jahren habe ich jetzt rund 2400 Kolumnen nur für die „Welt“ geschrieben. Vielleicht schaffe ich die 5000 noch.

Interview: Jochen Brenner

Erschienen in Ausgabe 7/2007 in der Rubrik „Best of Henri-Nannen-Preis 2007“ auf Seite 64 bis 64. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.