Jury-Statement

Stephan Richter, Chefredakteur

Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag

„Das genaue Hinschauen und Hinhören gehört zu den wichtigsten Tugenden guter Journalisten. Astrid Geisler hat dies gemacht, hat sich – welch‘ seltenes Glück in unserer von Wettbewerbsdruck und ökonomischen Zwängen gebeutelten Zunft – Zeit nehmen dürfen. Und sie hat die Zeit genutzt. Ihre Beobachtungen aus dem Dorf Bargischow in Ostvorpommern erklären mehr als viele politische und gesellschaftliche Analysen das Entstehen rechtsextremer Gruppierungen. Klammheimlich sickert neonazistische Ideologie ein. Es wird rekrutiert. „Kameradschaften“ bilden sich, Netzwerke entstehen, Feindbilder müssen her, das Unrechtsbewusstsein schwindet.

Astrid Geisler ist mitten drin im „vergessenen Land“ in Ostvorpommern. Aus den Gesprächen, die sie geführt, aus den Informationen, die sie zusammengetragen hat, setzt die Autorin ein Bild zusammen, ein Bild voller Tiefenschärfe, ein Bild, das Ecken ausleuchtet, ohne zu überzeichnen. Ihre Reportage vom leisen und stetigen Aufstieg der Rechtsextremen, die in diesem Landstrich bei Wahlen zweistellige Ergebnisse erzielen, wahrt trotzdem die notwendige Distanz. Dabei überzeugt die Arbeit durch fundierte Recherche. Die genauen Beobachtungen wurden sprachlich und stilistisch zu einer packenden Lektüre verarbeitet. Sie macht Zusammenhänge transparent und wird nicht zuletzt der Wächterfunktion der Medien – ganz im Sinne Theodor Wolffs – auf journalistisch vorbildliche Weise gerecht.“

Erschienen in Ausgabe 8/2007 in der Rubrik „Best of Theodor-Wolff-Preis 2007“ auf Seite 35 bis 35. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.