Reif für die Insel

Die Leitung von Redaktionen oder ganzen Sendeanstalten, das Entwickeln von neuen Blättern oder das tägliche Kolumnieren verlangen höchsten Einsatz. Weil aber kein Hochleistungsaggregat ununterbrochen auf vollen Touren laufen kann, steht auch der Spitzenkraft im Medienbereich Urlaub zu. Zum Akku aufladen, Eindrücke sammeln, Abstand gewinnen.

Urlaub in der Badewanne. Für zwei Kreative ist 2007 kaum Sommerurlaub drin, weil sie erst in diesem Jahr neue Blätter auf den Markt gebracht haben, die in ihrer Babyphase noch besonders zuwendungsbedürftig sind. Ulf Poschardt, Chefredakteur der seit Februar erscheinenden Deutschlandausgabe von „Vanity Fair“, musste sich auf eine Woche auf der Mittelmeerinsel Korsika beschränken. Christoph Amend, Redaktionsleiter des im Mai gestarteten „Zeit-Magazin Leben“, traut sich sogar nur vier Tage auf die Ostseeinsel Usedom. Für Poschardt, der seine Urlaubsinsel dann auch gleich in den Mittelpunkt eines seiner Editorials stellte (er kann offenbar nicht abschalten!), war Korsika neu: „Aber meine Freundin war schon oft dort. Ich kann Korsika jedem empfehlen, der es ruhig und entspannt mag.“ Natürlich kann man als Chefredakteur das Mobiltelefon nicht einfach abschalten wie ein Volontär im Urlaub: „Ich war erreichbar.“ Dass es nicht mal eine Handvoll Anrufe gab, nimmt Poschardt als gutes Zeichen: „Das Team funktioniert ausgezeichnet. Alles Wichtige war vorher erledigt.“ Da es auf Korsika keine deutschen Zeitungen gibt, musste Poschardt sich im Internet über das tägliche Geschehen informieren. Und weil der Sommerurlaub ja wirklich arg kurz war, hofft er nun auf einen „frühen und schönen Winter. Dann können wir nämlich vielleicht noch in einen kleinen Ski-Urlaub fahren.“

Christoph Amend ist es ein wenig peinlich, dass er erst in diesem Jahr auf die Idee kam, nach Usedom zu fahren. Schließlich lebt er doch schon seit acht Jahren in Berlin und die Insel gilt als Badewanne der Hauptstadt. „Die letzten Jahre waren wir in Portugal am Atlantik. Bei einer alten Dame aus Deutschland, die dort Häuschen vermietet.“ Normalerweise reist Amend mit einem Stapel Bücher in die Sommerfrische. „So saß ich auch schon mit der 1200 Seiten dicken Autobiografie von Bill Clinton am Strand. Meine Freundin macht sich gern darüber lustig.“ In diesem Jahr wird ihr die Gelegenheit dazu fehlen, denn vier Inseltage reichen gerade so für eine schmale Taschenbuchausgabe.

Familienplanung. Und noch ein Teilzeit-Insulaner: Matthias Ehlert, zum Zeitpunkt der Urlaubsplanung noch Co-Chefredakteur der „Netzeitung“ (er und die BV Deutsche Zeitungsholding als neuer Eigentümer haben sich im Zuge des Verkaufs der Internetzeitung zum 1. August voneinander getrennt), fährt mit seiner Familie auf die schwedische Schäreninsel Utö. „Das ist so eine richtige Pipi-Langstrumpf-Insel.“ Vorigen Sommer war er mit seiner Frau im mexikanischen Acapulco, inzwischen bekamen beide ihren Sohn Otto. Mit einem neun Monate alten Baby verbieten sich Fernreisen: „So verändert eine Familie das Leben.“

In Skandinavien war Ehlert, dessen „Netzeitung“ der norwegischen Verlagsgruppe Orkla Media gehörte, bevor sie von der BV Deutsche Zeitungsholding gekauft wurde, zuvor noch nie: „Aber wenn man mehrere Monate unter norwegischen Gesellschaftern gearbeitet hat, weckt das natürlich Interesse.“

Ehlert tummelt sich bei der Urlaubsplanung ewig in Internetforen, um auch wirklich das optimale Ferienhaus zu finden. „Da bin ich Perfektionist. Die Urlaubszeit ist zu wichtig, als das man da irgendwas dem Zufall überlassen sollte.“ Und so inspizierte er die Insel Utö vor der endgültigen Buchung sogar mit Google Earth. „Ich muss doch wissen, ob es Großbaustellen in der Nähe des Ferienhauses gibt.“

Flaschenpost von Wagner? „BILD“-Kolumnist Franz Josef Wagner („Post von Wagner“) wird im Sommer Kapitän: „Vielleicht fahre ich mit Freunden auf einem Segelschiff von Piräus aus durch die Ägäis.“ Das „Vielleicht“ hat mit dem Wetter zu tun. „Wenn es mir zu heiß ist, dann fahre ich lieber an die Ostsee. Zum Beispiel nach Heiligendamm, dort ist es ja wirklich sehr schön.“ Wobei Wagner die Feststellung wichtig ist, dass er Heiligendamm schon lange vor dem G8-Gipfel kannte.

Deutschlandradio-Intendant Ernst Elitz verbringt seinen Sommerurlaub immer in Keitum auf Sylt: „Ich habe wahrscheinlich schon ein Lebensjahr auf Sylt verbracht. Allein von meiner Kurtaxe konnte man sicher schon eine Strandaufschüttung bezahlen.“ Für den 66-Jährigen gehört ein morgendlicher Jogginglauf am Watt genau so zu den Vorzügen der Nordseeinsel wie das abwechslungsreiche Wetter und der besondere Himmel über Norddeutschland: „Die Wolken gehören hier zur Landschaft.“ Und das 3. Programm des NDR-Fernsehens auf den TV-Bildschirm. Elitz: „Das schaue ich mit großer Begeisterung. Die Moderatorinnen sind schön blond und man erfährt viel über Ackerbau und Viehzucht. Das fasziniert mich als Stadtmenschen.“ TV-Journalist und-Moderator Ulrich Meyer („Akte“ auf Sat.1) setzt in Sachen Urlaub auf spontane Entscheidungen. Für seine USA-Reise stehen nur die Termine für Hin- und Rückflug fest. Und ein Mietwagen wurde gebucht. In welchem Hotel er mit seiner Frau Georgia Tornow (Generalsekretärin der Filmlobby-Organisation „Film 20“) und einem befreundeten Ehepaar einkehrt, soll jeweils nach Lust und Laune entschieden werden. „Wir wollen die Ostküste erkunden.“ Und weil vier Personen im Wagen sitzen, mag er sich auch kein schlechtes Gewissen wegen des gewählten Autos einreden lassen. Bei dem handelt es sich nämlich um einen jener in letzter Zeit so ins Gerede gekommen „SUV“ mit serienmäßigem Strudel im Tank: „Da wir zu viert in diesem Auto sitzen werden, geht das doch sicher ökologisch in Ordnung.“

Auch Peter Hahne, der stellvertretende Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Moderator von „Berlin direkt“ und Kolumnist der „Bild am Sonntag“, ist ein großer USA-Fan. Er muss seine Sehnsucht allerdings noch ein wenig im Zaum halten: „Ich kann erst nach den, Berlin direkt‘-Sommerinterviews in Urlaub fahren, muss also damit noch bis September warten.“ Wohin es gehen wird, steht allerdings schon fest: “ Ich fliege wieder nach Santa Barbara in Kalifornien und fahre von dort nach Carmel-by-the-Sea.“ Das ist der kleine Ort, in dem Ernest Hemingway, John Steinbeck und Jack London lebten. Und wo Clint Eastwood von 1986 bis 1988 Bürgermeister war und heute noch eine Farm hat. Für Hahne ein echter Geheimtipp. „Touristen oder Hotels gibt es hier kaum. Darauf legen die Einwohner auch gar keinen Wert.“ Carmel-by-the-Sea fühlt sich für den deutschen Fernsehmann nach Mittelmeerland an: „Ziemlich bald nach der Ankunft stellt sich ein mediterranes Gefühl ein und man ahnt, warum die Einheimischen sich das nicht durch Touristenhorden kaputtmachen lassen wollen.“ Angenehmer Nebeneffekt weit weg von ZDF-Land: „Es ist ein Segen, dass ich dort keinem begegne, der mich kennt!“

Erschienen in Ausgabe 8/2007 in der Rubrik „Leben“ auf Seite 70 bis 71 Autor/en: Andreas Kurtz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.