Sprechernotizen

Ratiopharm-Risiken und Nebenwirkungen …

Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis Jörg Nitschke, Kommunikationschef des Generika-Herstellers Ratiopharm in Ulm, das Weite sucht und wohl auch findet. Aus dem Markt ist vielfach zu hören, dass Firmenchef Philipp Daniel Merckle einen Nachfolger für Nitschke sucht. Mangelnde Initiative kann man Nitschke als Grund für den offensichtlichen Wunsch seines Herrn, ihn loszuwerden, sicher nicht vorwerfen. Wenn es um Pharmakommunikation ging, war Nitschke auf allen Kanälen zu finden – bis hin zu so heiteren Aktionen wie dem jährlich stattfindenden Ratiopharm-Zwillingstreffen – mal im Europapark in Rust, mal im Berliner Tempodrom. Pillen des Generika-Riesen Ratiopharm, so Nitschkes Botschaft, sind die besseren, weil smarteren, weil billigeren Arzneimittel. Der Herr über die gesamte Kommunikation von Ratiopharm war bereits in Schwierigkeiten geraten, als der „stern“ Ende 2005 für Negativ-Schlagzeilen über das Unternehmen mit einem Bericht über äußerst fragwürdige Methoden im Marketing und in der Ansprache von Ärzten sorgte. Ratiopharms junger Chef Merckle, Sohn von Ratiopharm-Gottvater Adolf Merckle, drehte die Kommunikation um, stieg komplett ein auf das Thema soziales Engagement, stellte sich selbst auch gern mal in den Mittelpunkt, warf die PR-Agentur Pleon raus – und nun bald wohl auch Nitschke, der die Kommunikation von Ratiopharm immerhin zehn Jahre maßgeblich gestaltete.

Die Pest mit den Pestiziden …

Es war einmal eine Umweltschutzorganisation, die wollte nur Gutes für die Erde und für die Menschen tun. Viele junge Menschen folgten ihr, waren stolz drauf, sich Aktivisten nennen zu dürfen. Sie stiegen auf Industrieschlote, schweißten Abwasserrohre zu, warfen sich vor vom Schuss bedrohte Wale … Dann kam die Organisation in die Krise. Die Umwelt war nicht mehr ganz so bedroht, die Wale auch nicht, und das Geld, das jahrelang wie ein kleiner Tsunami in die Büroräume der Organisation strömte, blieb irgendwann auch aus. Immer ärger wurden die Geldsorgen. Bootsrennen mit der Polizei vor Heiligendamm brachten es auch nicht mehr. Und alles kostete Geld – vor allem das Magazin, das man in besten Zeiten gegründet hatte und das nun immer weniger Leser fand. Da traf es sich gut, dass die arme gebeutelte Organisation auf einen Handelskonzern traf, der auch gerade ein Problem hatte: Bei Proben seiner Produkte auf Pestizidreste schnitt der Handelskonzern gerade im Magazin der Umweltorganisation immer besonders schlecht ab. Und da dieser Handelskonzern schon immer besonders schlau war, und soeben einen neuen Kommunikationschef hatte, der auch schlau war (und mittlerweile nicht mehr da ist), und weil die Aktivisten von der Umweltorganisation gerade ein Problem hatten und auch schlau sein wollten, machten sie einen Deal: Der Handelskonzern kaufte anfangs 150.000, dann dauerhaft 60.000 Exemplare des Magazins und bot sie an der Kasse seiner Filialen an. Bis zu 300.000 Euro soll der ansonsten als geizig geltende Händler pro Ausgabe gezahlt haben. Und startete flugs ein Anti-Pestizid-Programm. Und siehe da, plötzlich geschah das Wunder: Im Magazin der Umweltorganisation glänzte der Handelskonzern jetzt mit hervorragenden Werten. Da störte es kaum noch, dass die allermeisten beim Händler angebotenen Exemplare des Magazins im Altpapiercontainer endeten. Und wäre das nicht alles herausgekommen, hätten beide glücklich bis an ihr Ende gelebt. Doch so weit kam es nicht, „stern-tv“ sei Dank. Greenpeace, das waren die einen, tut zerknirscht, Lidl, das waren die anderen, sagt nichts mehr. Und das „Greenpeace Magazin“ gibt es bei Lidl plötzlich auch nicht mehr zu kaufen …

Unangenehmes Geschmäckle

Noch ein Wechsel auf die andere Seite: Brigitte Haacke, viele Jahre bei der „Wirtschaftswoche“ Beobachterin der Investmentbanken und Private Equity Branche, geht – wie zuvor schon Kollege Folker Dries von der „FAZ“ – zur auf den Finanzmarkt spezialisierten Agentur Hering Schuppener. Ihr letztes, allerdings großes Stück für die derzeit in Ermangelung eines Chefredakteurs nicht ganz straff geführte „Wiwo“ widmete sie der Private Equity Branche. Und da kamen ein Unternehmen und sein Chef besonders gut weg: KKR und Johannes Huth. In langen Passagen wurde er beinahe huldvoll zitiert. In einem nicht nur für „Wiwo“-Verhältnisse fast schon schmusigen Interview durfte Huth auf brav-bewundernde Stichworte Antworten geben und seine großartige Company vorstellen. Kein Wort darüber, dass KKR wegen einiger Deals und rüder Methoden in die Kritik geraten war, wie beispielsweise „Capital“ berichtete. Ein unangenehmer Beigeschmack entsteht. Denn einer der wichtigsten Kunden von Hering Schuppener ist …? Na …? … KKR. Beim Kauf des Grünen Punkts, beim Kauf von Pro7Sat1 sowie auch bei dem von Kion war Hering Schuppener für KKR an Bord. Überhaupt ist Hering Schuppener bei den Private Equitys wie auch bei einer Reihe ihrer aggressiven Brüder, den Hedge Fonds, dick im Geschäft. Neben KKR betreut Hering Schuppener u. a. auch noch HG Capital, CVC, Candover. Kein Problem mit Interessenskonflikten?

Alles nur Zufall?

Gratulation an die PR-Kollegen von Bertelsmann: Im „stern“ ist es ihnen gelungen, ihren Patriarchen Reinhard Mohn nebst reichlich schönen PR-Fotos von Ehefrau und aktueller Verlags-Lenkerin Liz über sechs Seiten mit einem fast schon devoten Stück zu platzieren. Anlass: Mohn wurde für sein Lebenswerk und sein Gemeinwohl-Engagement der Deutsche Gründer Preis überreicht, eine Initiative u.a. des „stern“. Und der gehört ja bekanntlich Gruner & Jahr, und die wiederum gehören zu wesentlichen Teilen den Bertelsmännern. Unsinn, sagt da, wie immer, der „stern“, das Magazin würde sich nie, nie, nie von den Güterslohern beeinflussen lassen. Gut. Dann ist es eben Zufall, dass von den vier Förderern des Preises einer der Chef von Gruner & Jahr und zugleich Vorstand bei Bertelsmann ist, nämlich Bernd Kundrun, und ein weiterer, Gunter Thielen, der Vorsitzende des Bertelsmann-Vorstandes und enge Vertraute von Reinhard Mohn. Aber was soll’s: Die PR-Aktion riecht zwar, aber gut sieht sie trotzdem aus.

Nächste Runde beim Telekom-Karussell

Wieder ein Wechsel bei den Telekom-Kommunikatoren: Michael Lange wird neuer Leiter der Unternehmenskommunikation von T-Mobile. Vorgänger Stefan Zuber hatte es nur etwas mehr als ein Jahr ausgehalten. Er geht zu Nokia-Siemens und bleibt damit der Branche treu. Übrigens sollen weitere Top-Kommunikations-Leute der Telekom und ihrer Töchter sehr aktiv auf dem Markt sein und intensiv suchen. Es ist nur eine Frage der Zeit also bis zur nächsten Personalie. Größtes „Hindernis“ für einen Wechsel: Die Telekom hat bisher seine Top-Kommunikationsleute mehr als generös bezahlt. Headhunter sprechen von einer „Busch-Prämie“, die der verlangen konnte und in der Regel auch erhalten hat, der bereit war, trotz aller Warnungen zur Telekom zu gehen.

Unter Strom gestanden?

Und hier wieder ein Beweis, dass Satire die Realität nicht toppen kann: Diesmal, mal wieder, von EnBW, Deutschlands viertgrößter Strom-Konzern, und seinem Noch-Vorstandschef Utz Claassen – der vor Kurzem mitteilte, dass er zum 1. Mai 2008 seinen Vertrag nicht mehr verlängern werde und dafür gleich mehrere, nämlich „strukturelle, professionelle, persönliche und familiäre Gründe“ nannte. Claassen war 2003 zum EnBW-Chef berufen worden und seither keineswegs unumstritten gewesen. So, wie es aussieht, ist er mit seinem freiwilligen Rückzug einer unfreiwilligen Entmachtung zuvorgekommen. Aber zurück zur Satire, und die geht so: Terminankündigung in der Branchenpresse (wörtlich!): „Montag, 2. 7. 19.00 Uhr EnBW Sommerfest. Gastgeber Utz Claassen lädt zum Sommerfest … Franz Beckenbauer diskutiert über das Thema „Ist unsere Erde noch zu retten?“… Durch den Abend führt Comedian Oliver Welke.“ Na? Noch Fragen?

Ärger bei den Werbern

Auch Werber machen PR – und die dafür Zuständigen sind sich derzeit einig, dass sie mit ihrer Leib- und Ma
genpostille „W&V“ alias „Werben und Verkaufen“ ein massives Problem haben. Chefredakteur Stefan Krüger versucht seit einiger Zeit, das Magazin aufzupeppen. Bevorzugte Mittel: Zuspitzung und ziemlich viel Spekulation. Allerdings schlecht, wenn man dabei falsch liegt, wie u. a. die Mutmaßungen über den vermeintlichen Abgang von BBDO-Chef Klaus Peter Schultze zeigen. Schultze is not amused und denkt öffentlich über eine Klage nach. DDB-Chef Tonio Kröger, auch nicht gerade ein Leichtgewicht in der Branche, musste wegen der Entscheidung der Telekom, seine DDB als Lead Agentur auszuwählen, ebenfalls böse Spekulationen in „W&V“ lesen – auch er ist sauer. Und Ogilvy CEO Lothar Leonhard, Grandseigneur der Branche, kritisiert ebenfalls immer lauter die neuen Praktiken von „w&v“. Die Jagd ist eröffnet. Es darf spekuliert werden, wie es weiter geht!

Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. eMail: autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 8/2007 in der Rubrik „Unter „3““ auf Seite 68 bis 83. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.