„The Wall Street Journal“

Titelseite

1) + – Zeitungskopf: Er wird in Versalien gesetzt. Dadurch entsteht ein Lattenzaun-Effekt, der dazu führt, dass der Schriftzug nicht gut lesbar ist. Andererseits wirken Versalien immer bedeutend, wichtig und monumental.

2) – Anrisse über dem Zeitungskopf: Der Text in den Anrissen ist zu groß. Da besteht die Gefahr inhaltsleerer Überschriften. Außerdem ist die Bildzuordnung nicht eindeutig.

3) + Aufmacher: Die magere Schrift und die zweispaltige Aufmachung lassen den Aufmacher in der Seite verschwinden. Signal für den Leser: Heute ist nichts los, wie beruhigend.

4) + – What’s News: Diese schlammgrün unterlegte Kolumne ist seit Jahrzehnten an dieser Stelle. Links: Wirtschaft und Finanzen, rechts: Weltweit. Die Leser sollen einen Überblick über das Tagesgeschehen bekommen. Es fehlt an Auflockerung. Kleine Quadrate vor jeder Meldung und kleine Sternchen zwischen den Meldungen sind ein Tribut an den Zeitgeist.

5) – Einspalter: Dreizeilige Überschrift, dreizeilige Unterzeile: das 19. Jahrhundert lässt grüßen. Besser: Überschrift kleiner, Unterzeile weniger voll, nicht kursiv.

6) + – Porträtfotos: Bis vor Kurzem waren sie die einzigen Illustrationen in dieser Zeitung. Die auf schwarz und weiß reduzierten Fotos wirken einerseits altmodisch, andererseits unverwechselbar.

Innenseite

7) – Seitentitel: Der Seitentitel ist größer als der Zeitungskopf selbst. Ansonsten der gleiche Lattenzan-Effekt wie vorne.

8) – Anrisse: Im Anrissfeld rechts sind drei Artikel in Grundschrift-Größe angerissen. Wenn man hier mal eine Blickaufzeichnungsstudie machen würde, kämen null Prozent heraus.

9) – Leseablauf: Jede Blickaufzeichnungs-Studie bestätigt, dass der Leser vom großen Element zum kleinen vorgeht. Er wird also zuerst auf das Bild schauen und dann nach unten. Daher gehört die Überschrift in diesem Fall unter das Bild. Oder anders formuliert: man darf Überschrift und Grundtext nicht voneinander trennen.

10) + Infografiken: Sie werden in den letzten Jahren verstärkt eingesetzt beim „Wall Street Journal“. Sehr gut ist die dezente Farbigkeit und der sachliche Stil. Wichtig: Jede Grafik ist eine abgeschlossene Informations-Einheit. Der Leser muss den Artikel nicht unbedingt lesen, um die Infografik zu verstehen.

11) + Schmalsatz: Bei einer Spaltenbreite von 23,5 mm bekommt sogar die englische Sprache löcherige Wortzwischenräume. Es sind weniger Trennungen, weil die englische Sprache kürzere Worte hat als z.B. deutsch.

12) + Grundschrift: Als Grundschrift wird eine traditonelle Zeitungsschrift mit sehr ausgewogenem Schriftbild benutzt. Sie ist gut lesbar.

Gesamteindruck:

„The Wall Street Journal“ wurde 1889 gegründet und hat eine Auflage von 1,7 Millionen Exemplaren. Das Format dieser Wirtschafts-Zeitung wurde kürzlich reduziert. Es ist ein sehr schmales Format mit 58 cm Höhe und 30,5 cm Breite entstanden. Man will durch diese Verschmälerung 18 Millionen Dollar Papierkosten pro Jahr einsparen. Die Europa- und Asien-Ausgaben erscheinen im Tabloid-Format. Das Mutterblatt folgt diesem Trend also nicht.

Erschienen in Ausgabe 8/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 75 bis 76. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.