Vorlesung für unterwegs

Wer in unserer Branche arbeitet, ist mit zwei Sachverhalten konfrontiert: Er oder sie ist viel unterwegs, und sie oder er muss viel lesen. Es gibt dabei unterschiedliche Strategien, diese beiden Anforderungen miteinander zu verbinden. Eine Zeit lang habe ich es mit Bahn fahren und lesen probiert. Das hat nicht geklappt, die Verspätungen waren einfach unerträglich. Und im Auto sitzend, die Dokumente auf dem Lenkrad liegend, die Zeit im Stau (vorzugsweise auf der A 6) verbringend, macht das Leben auch keinen Spaß.

Blechstimme ade: Der Leidensdruck war also erheblich. Und nur deshalb habe ich eine Software für die Sprachausgabe am Computer ausprobiert. Ich muss zugeben: Ich halte nichts davon, von einer blechernen Stimme aus schlechten PC-Lautsprechern schallend mit nur noch unanständig zu nennenden Betonungen belästigt zu werden. Und für die Realisierung hörbarer Melodiebögen scheinen ja auch noch keine Algorithmen gefunden worden zu sein.

Die ersten – teilweise recht hochpreisigen – Computerprogramme für die Sprachausgabe, die ich ausprobierte, waren denn auch eine Beleidigung fürs Ohr. Ausgerechnet ein Billigprodukt für 49 Euro hat dann die Funktionen und Qualität geboten, die ein längeres Hinhören rechtfertigen. Voicereader von der Münchner Linguatec wird seitdem von mir fast immer auf längeren Strecken beim Autofahren benutzt.

Dahinter steckt der recht einfache Algorithmus der Sprachausgabe. Voicereader wandelt Textdateien, wie Word-Files oder PDFe, in MP3-oder WAV-Dateien. Auf diese Weise kann man sich ganze Bücher oder einzelne E-Mails vorlesen lassen. Die Betonung ist bei Voicereader erträglich, zumindest von den bisher bekannten blechernen Computerstimmen weit entfernt. Melodiebögen werden ansatzweise vorgetragen, sodass die Sprachausgabe zumindest nicht vom vorgelesenen Inhalt ablenkt, weil man sich einfach nur noch über die Art des Vortrages ärgern muss. Nein, die Präsentation ist erträglich bis angenehm.

So habe ich mir erst kürzlich auf der Fahrt von Stuttgart nach Hannover satte 40 Seiten Dokumentation einer Podiumsdiskussion über „Informationsgesellschaft und Überwachungsstaat“ vorlesen lassen. Tatsächlich habe ich nach gut 230 Kilometern eine brauchbare Fundstelle gehört, die ich als Zitat in einen Beitrag übernehmen konnte.

Häppchenweise: Allerdings muss man bei der Arbeit mit Voicereader einige Kleinigkeiten beachten. Solange beispielsweise die meisten Pkw noch nicht mit einer Abspielmöglichkeit für MP3-Dateien ausgestattet sind, kommt man gar nicht darum herum, eine Audio-CD zu brennen. Dann allerdings ist es wichtig, dass die 40 Seiten zum Beispiel einer Podiumsdiskussion in mehrere MP3-Vorlesehäppchen zerlegt und als einzelne Tracks auf die Audio-CD gebrannt werden. Denn hin und wieder erfordert ja doch die Fahrertätigkeit ein wenig Aufmerksamkeit. Und dann überhört der Voicereader-Nutzer erfahrungsgemäß die eine oder andere Information, die gerade vorgelesen wird. Er wird sich also diese Stelle noch einmal anhören wollen.

In einer solchen Situation alles von Anfang an noch einmal hören zu müssen, ist öde, die letzten drei Minuten noch einmal anhören zu können, dagegen hochwillkommen. Deshalb sollten die Vorlesetracks auch jeweils zwischen drei und fünf Minuten lang sein. Das entspricht in etwa einer einzeilig beschriebenen DIN-A4-Seite.

Die Aufteilung in Tracks ist übrigens auch bei Nutzung eines iPod eine ausgesprochen komfortable Angelegenheit. Denn auch mit den iPod-Stöpseln im Ohr werden wir ja hin und wieder von der Außer-iPod-Wirklichkeit beansprucht, hören dann einige Sekunden nicht so genau hin, was da gerade vorgelesen wird, und sind dann für das erneute Hören eines kurzen Tracks dankbar.

Infos zum Voicereader: www.softline.de oder www.linguatec.net

Erschienen in Ausgabe 8/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 74 bis 74. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.