Infohits für Kids

?Frau Kaminsky, seit April dieses Jahres bietet dpa einen eigenen Dienst für Sechs-bis Zehnjährige an. Besteht in diesem Alter überhaupt Bedarf an Nachrichten?

Petra Kaminsky: Kinder sehen Nachrichten im Fernsehen oder in der Zeitung der Eltern und werden neugierig. Wenn sie aber dann etwa in die Zeitung hineinsehen und dort keine Antwort auf ihre Fragen bekommen, bleibt ihr Informationsbedürfnis unbefriedigt. Schließlich springt ihre Phantasie an, was häufig dazu führt, dass ein verzerrtes Bild entsteht. Wir haben daher die Aufgabe, auch schwierige Dinge zu erklären, damit Kinder sie verstehen können.

Worin unterscheiden sich denn Nachrichten für Kinder von denen für Erwachsene?

Wenn man Nachrichten für Kinder macht, muss man immer im Kopf haben, welches Vorwissen Kinder möglicherweise fehlt und wie die Leseeigenschaften von Kindern sind. Außerdem kann der Aufbau oft auch ganz anders sein: nämlich nicht klassisch vom Allerneusten bis zum immer weniger Wichtigen. Es ist bei uns öfter so, dass Ereignisse in der zeitlichen Reihenfolge erzählt werden, in der sie auch passiert sind. Das soll das Verständnis erleichtern.

Gibt es so etwas wie Themen-Hitlisten, was Kinder interessiert?

Diese Hitlisten gibt es tatsächlich, das zeigen auch verschiedene Studien. Kinder interessieren sich zunächst einmal sehr für Tiere – mit einem mädchenspezifischen Schwerpunkt für Pferde. Kinder interessieren sich auch sehr für Sport – mit einem nicht-mädchenspezifischen Schwerpunkt für Fußball. Dieser Sport interessiert Mädchen und Jungs. Weiter interessieren sich Kinder auch für Geschichten anderer Kinder, für Vorbilder, wenn etwa andere Kinder etwas machen, was ihnen imponiert. Junge Stars finden Kinder natürlich auch spannend. Vor allem aber ist den Kindern Echtes und Authentisches wichtig. Sie wollen wissen, was bei einem Star nur Show ist und was Mensch. Grundsätzlich steht beim beliebten Thema Umwelt das Mitmachen im Vordergrund. Die Frage, wo man selbst aktiv werden und helfen kann, ist für Kinder oft generell wichtiger als bei Erwachsenen.

Gibt es auch Themen, die Sie meiden?

Wenn es nur um politisches Tauziehen und Scheingefechte geht, finden das Kinder langweilig. Diese Debatten haben keinen Bezug zu ihrer Realität. Interessant wird es für Kinder allerdings, wenn sie den Hintergrund einer Debatte erklärt bekommen. Das Gleiche gilt auch für Themen wie Kriege. Wir können und wollen nicht jeden Tag den gesamten Irak-Konflikt erklären. Aber es gibt Anlässe, zu denen man das tun soll und muss. Wir wissen aber auch, dass es Eltern gibt, die das gar nicht wünschen, weil sie ihr Kind noch vor solchen Themen bewahren wollen. Viele Studien zeigen jedoch, dass Schutzwälle schwer zu halten sind: Denn dort, wo man nicht hingehen soll, geht man erst recht hin. Gibt es dagegen einen großen Raum von interessanten Angeboten, dann ist es gleich weniger spannend, sich die Informationen woanders zu suchen. Wir wollen keine Grenzen setzen, sondern ein Angebot schaffen, durch das Kinder gute und anspruchsvolle Informationen bekommen.

Wie stark gehen Sie dabei auf die Wünsche von Kindern ein?

Die dpa ist zunächst natürlich einmal ein Medien-Dienstleister. Unser Auftrag kommt von den Kunden, die wir dabei unterstützen wollen, gute und immer bessere Kinderseiten zu machen. Auch weil wir uns nicht direkt an die Kinder wenden, sondern an unsere Abnehmer, wollen wir die Themen nicht allein pädagogisch angehen. Die Erfahrung hat uns gezeigt: Wenn wir versuchen, Schule zu spielen, wenn etwa unsere Grafik aussieht wie aus dem Lehrbuch, dann finden das Kinder sehr langweilig. Kinder wollen keine neue Schule in der Zeitung, sie wollen als Leser ernst genommen werden.

Welche handwerklichen Regeln sind bei Nachrichten für Kinder zu beachten?

Die Sprache muss verständlich sein, sie muss viele spannende Sätze und Verben enthalten. Die Sätze dürfen nicht zu lang sein. Es darf auch keine schwierige Satzkonstruktion benutzt werden, die Kinder gar nicht nachvollziehen können, etwa indem durch Adverbial-Konstruktionen ganz viel Wissen in den Satz gepackt wird. Nachrichten für Kinder müssen noch viel klarer als Nachrichten für Erwachsene strukturiert sein. Das erfordert von den Redakteuren oft ein viel klareres Denken. Weiter muss man bei Kindernachrichten auf sprachliche Bilder achten, die Kinder oft gar nicht verstehen. Beim Ausdruck „Blinder Passagier“ etwa fragen sich viele Kinder, ob da ein blinder Mann gemeint ist. Ein ganz wichtiger Punkt beim Machen von Kindernachrichten ist, an Themen anzudocken, die Kinder aus dem Alltag kennen – Schule, Freunde, Sportverein.

Woher wissen Sie denn überhaupt, was Kinder interessiert?

Wir haben uns nicht nur intensiv mit Studien auseinandergesetzt, sondern auch mit Kindern geredet, uns mit ihnen beschäftigt. Und wir haben uns auch die Medien angesehen, mit denen sich Kinder beschäftigen, da gibt es ja schon eine Menge Erfahrung. Schließlich zeigen wir unsere Produkte auch den Kindern und besprechen sie mit ihnen.

Geschieht das auf gemeinsamen Konferenzen?

Nein, so etwas haben wir nicht. Genauso wenig wie institutionalisierte Kinderreporter gibt es auch keine tägliche Kontrolle durch Kinder. Vielmehr nutzt unsere Redaktion die persönlichen Kontakte, die wir alle haben, und das Feedback, das wir durch unsere Kunden bekommen. Und manchmal machen wir Redaktionsbesuche in der Schule. Noch bevor es mit den Nachrichten für Kinder losging, sind wir in Klassen gegangen, und haben mit den Schülern gemeinsam eine Zeitung gemacht. Dabei konnten die Redakteure beobachten, was die Kinder interessiert, welche Themen sie gerne bearbeitet haben und welche Texte ihnen von uns gefallen haben. Regelmäßig organisieren wir außerdem Treffen mit Kindern, die unsere Texte lesen und die uns erzählen, was sie gemocht haben.

Sie bieten zu den Nachrichten auch Grafiken und Podcasts. Wie wichtig ist Ihnen das crossmediale Element?

Bevor wir gestartet sind, haben wir das Mediennutzungsverhalten von Kindern analysiert. Die Studien, die wir dabei zur Verfügung hatten, zeigen, dass Kinder neue Medien ganz stark aufgreifen und dort die Mediennutzung vorantreiben. Deswegen machte es für uns von Anfang an Sinn, nicht nur Texte anzubieten, sondern auch Angebote für das Internet. Bestimmte Studien sagen, dass etliche Kinder relativ regelmäßig im Netz surfen, es aber nur im einstelligen Bereich Zeitungen gibt, die Internetangebote für Kinder bieten. In diesem Bereich gibt es noch eine Menge aufzuholen.

Zur Person

Petra Kaminsky (42) ist Redaktionsleiterin der dpa-Kindernachrichten, die seit April 2007 auf dem Markt sind. Zuvor war sie stellvertretende Leiterin des Ressorts Vermischtes/Modernes Leben. Das neue Angebot der dpa richtet sich an Kinder zwischen sechs und zehn Jahren. Täglich bietet das fünfköpfige Redaktionsteam seinen Abonnenten etwa 25 Texte sowie Bildmaterial an, außerdem eine Grafik. Einmal pro Woche gibt es zudem eine bewegte Online-Grafik und einen Podcast.

Erschienen in Ausgabe 10/2007 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 50 bis 51 Autor/en: Interview: Isabella Kroth. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.