Schreiben mit Bildern

Ein einziger Tag musste der Jury des Internationalen BFF-Förderpreises & Reinhart-Wolf-Preises genügen, um aus Hunderten von Fotografien fünf Gewinner-Bilder zu küren. Beworben hatten sich 128 Studenten aus China, Frankreich, Österreich, der Schweiz und Deutschland, deren Abschlussarbeiten im Stuttgarter Haus der Wirtschaft Baden-Württemberg ausgestellt wurden. Der BFF (Bund Freischaffender Foto-Designer) vergab den mit 15 000 Euro dotierten Preis, benannt nach dem vor fast zwanzig Jahren verstorbenen Star-Fotografen Reinhart Wolf, nun zum neunzehnten Mal.

Zur siebenköpfigen Jury gehörte Tom Jacobi, Artdirector des „Stern“, ebenso wie Susanne Nagel von der Werbeagentur „Jung von Matt“ oder Gunter Schwarzmeier, der Artdirector der unter Nachwuchsfotografen beliebten Jugend-Zeitschrift „NEON“.

Lob und Tadel. Überzeugt hatte die Jury die Innovationsfreude der jungen Fotografen. So konnte Christian Köhler mit einer bemerkenswerten Technik für seine Bilderserie „schlafenszeit“ Punkte sammeln: Er weckte Menschen aller Altersstufen nachts zwischen zwei und drei Uhr auf, um sie unmittelbar danach zu fotografieren. Dadurch entstanden Porträts, die frei von den kontrollierten Posen des Alltags sind.

Auch der brasilianische Fotograf Victor de Castro bediente sich eines Stilmittels: der Inszenierung. Auf seinen Fotos aus der Zeit nach dem brasilianischen Karneval ist die Stimmung abzulesen, die bleibt, „wenn der Alltag die Phantasie an den Rand drängt“. In der Serie „After Carnival“ mischt er Porträts, Stillleben und Landschaften zu einer Geschichte. „Ich schreibe mit Bildern“, sagt er über seine prämierte Arbeit.

Die Jury bescheinigte den Werken insgesamt ein hohes Niveau, „Neon“-Artdirector Schwarzmeier vermisste jedoch „die Risikobereitschaft“ des Nachwuchses. „Junge Fotografen haben mitunter spießige Mappen“, sagte er. Auch Werberin Susanne Nagel vermisste „jugendlichen Leichtsinn“. Unter den Arbeiten habe es aber „gute, solide Serien“ gegeben. Die Zusammenarbeit mit Fotografen, sagt sie, basiere im Werbe-Alltag oft auf einem Missverständnis: Bei Vorstellungsgesprächen ließen einige Fotografen die zweite Mappe „mit den freien, spannenden Bildern“ in der Tasche. „Das beweist vielleicht, dass Fotografen oft eine feste Vorstellung haben, mit welchen Arbeiten sie ankommen können. Sie setzen aber zu wenig das um, was zu ihnen passt.“

„Stern“-Artdirector Jacobi hingegen begrüßte, dass „die ausgebleichte Fotografie der Belanglosigkeit“ abnehme und polarisierende Arbeiten zu Themen wie „Morbidität“, „Sex“ und „Auseinandersetzung mit der eigenen Jugend“ einen großen Stellenwert hätten. „Die Jugend scheint wieder mehr zu rocken“, sagte er.

Tipp:

Vom 5. Oktober bis zum 11. November siind die Gewinner-Arbeiten in der Ausstellung „ausgezeichnet“ im Gruner+Jahr Pressehaus am Baumwall in Hamburg zu sehen.

Internet: www.bff.de

Erschienen in Ausgabe 10/2007 in der Rubrik „Fotos des Monats“ auf Seite 6 bis 7 Autor/en: Jochen Brenner. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.