Blasen und Phrasen

„Unsere wichtigsten Leitlinien heißen Innovation und Qualität“

Willkommen auf dem großen, weiten Feld der Allgemeinplätze. Innovationen sind ja immer gut. Jeder Boss will innovativ sein und seine Branche, seine Firma voranbringen, mehr leisten als das arme Durchschnittswürstchen. Also: Innovation! Und danach im Gänsemarsch gleich die Qualität. Dieses Phrasen-Ehepaar feiert demnächst Goldene Hochzeit. Hand in Hand gehen beide schon eine halbe Ewigkeit durchs Phrasenland. Innovation ist der Heißsporn, der die Beziehung vorantreibt, Qualität suggeriert Beständigkeit und Bodenhaftung. Beide ergänzen sich ideal. „Für unser neues Modell haben wir uns ein kompromissloses Qualitäts-Programm verordnet“, hört man den Auto-Manager sagen. Das ist interessant. Man wüsste ganz gerne, wie es bisher so lief in den Fertigungshallen, wenn Qualität erst jetzt eine Rolle spielt. Auch Selbstverständliches, wie das Streben nach Qualität, darf und muss stets aufs Neue hervorgekehrt werden. Während die Qualität aber oft sogar noch eine nachprüfbare Größe darstellt (Pannenstatistik!), ist die Innovation einer jener in die Zukunft gerichteten Schwabbel-Begriffe, die Manager so lieben. Als Innovation lässt sich alles verkaufen, von der Waschmaschine über die Beauty-Beilage bis hin zur Web2.0-Community. Olle Kamellen, Fantastereien oder Banales, alles frech als Innovation etikettiert, wird flugs wieder salonfähig.

„Kooperation“

Wer nix kapiert, der kooperiert. Was ist das eigentlich, eine Kooperation? Die Firma X hat ein vermeintlich tolles Produkt oder einen ach so interessanten Service, der gut zu uns passt, also integrieren wir das in unsere Website. Zack Bumm. Kooperationen finden vorrangig im Internet-Sektor statt und bedeuten in der Regel, dass ein unbekannter Tunichtgut überflüssige Dienstleistungen für lau anbietet, um sich mit Ihrem guten Namen zu schmücken. „Wir möchten Ihnen eine Kooperation vorschlagen“, tönt es aus dem Telefonapparillo und der erste Impuls, den Hörer sofort auf die Gabel zu knallen, ist zwar unhöflich, wäre aber effizient. Was sonst folgt, sind ermüdende Diskussionen mit Programmierern, Kreativen, Marketing-Heinis und dem Vertrieb. Bloß das Controlling hält still, weil die Kooperation augenscheinlich nix kostet – außer Ihren Nerven. Die Kooperation endet fast immer mit der Pleite der Firma, die selbige vorgeschlagen hat. Eine Kooperation vorher aufzulösen, wäre schlicht zu anstrengend und würde zu viele Fragen aufwerfen. Also zieht man die Sache weiter durch, wohl wissend, dass es niemandem nutzt, nur Zeit kostet und im Prinzip überflüssig ist wie ein Kropf. In Meetings freilich wird die Kooperation dank ihres kosten- und nutzenneutralen Wesens recht gerne erwähnt. „Keine Sorge, das kostet kein Geld/frisst keine Ressourcen, das lösen wir über eine Kooperation!“

„Individuell maßgeschneidert“

Jeder Tropf, und sei er noch so hundsgemein, hält sich gerne für eine ganz besondere Sorte. Für ein ganz und gar einzigartiges Individuum. So auch der Kunde, der König sein will und also keineswegs mit Konfektionsware von der Stange zufrieden ist. So einer möchte eine individuell maßgeschneiderte Lösung. Ganz egal, ob es sich dabei um ein Stück Software, einen Katalog, eine Werbekampagne, ein Auto, eine Lebensversicherung oder (Hilfe!) einen Mobilfunkvertrag handelt. Das individuelle Maßschneidern ist ein beliebter Sport in Vertriebs- und Beraterkreisen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist ein nicht ganz unbeträchtliches schauspielerisches Talent. Nur so kann man, während das Gegenüber detailreich seine langweiligen persönlichen oder beruflichen Verhältnisse schildert, mit bedeutungsvoller Miene imaginäre Notizen kritzeln, während man in Wahrheit Nikolaus-Häuschen aufs Karopapier malt. Am Ende steht eine aufwendige Kosten-Nutzen-Analyse unter Zuhilfenahme eines überdimensionalen Taschenrechners und eines Lineals, die stets in einem 08/15-Standard-Vertrag mündet.

„Bullshit“

Ho, Ho, Ho, was ist denn jetzt los? Als Bullshit gilt doch seit Harry G. Frankfurts gleichnamigem Büchlein genau jenes Gewäsch, das in dieser Kolumne jeden Monat angeprangert wird. Stimmt, aber es ist nun mal das Wesen des Bullshits, dass solche Begriffe gerade von den notorischsten Bullshittern aufgegriffen und für ihre Zwecke gnadenlos missbraucht werden. Wie sagte der berüchtigte Ex-PR-Zampano Moritz Hunzinger neulich in einem Interview: „Money walks, Bullshit talks.“ Indem man das Bullshit oder, freundlicher formuliert, Buzzword-Geschwafel geißelt, zeigt man, dass man selbst über der Sache steht, die Phrasendrescherei durchschaut und selbst natürlich knallhart Tacheles redet. Ein gutes Beispiel, wie ein ganzes Unternehmen quasi als Meta-Bullshit-Kollektiv so handeln kann, ist der aktuelle IBM-Werbespot, in dem Mitarbeiter während einer Power-Point-Session des Grauens Buzzword-Bingo spielen. Viele kennen das Spiel: Jeder hat eine bestimmte Anzahl Phrasen auf einem Kärtchen, wer zuerst alle Buzzwords in dem Vortrag entdeckt hat ruft „Bingo!“. Dabei kann man sich gut vorstellen, dass es zahlreiche IBM-Manager gibt, die nach wie vor eine Phrase nach der nächsten dreschen. Dank des TV-Spots gilt der Laden aber plötzlich als ein Hort der Klarsprecher. Werbung wirkt eben doch – manchmal.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 81 bis 89. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.