Bücherkiste

Klein, aber oho

Jörg Magenau, Die taz. Eine Zeitung als Lebensform, Carl Hanser Verlag, München 2007, 280 S., 21,50 Euro

Im September 2008 feiert „die kleinste unter den großen deutschen Zeitungen“ ihren 30. Geburtstag: Jörg Magenau zeichnet in seinem Buch die Geschichte der „taz“. Als „Lebensform“ versteht der Autor das Blatt, dessen Entwicklung das politische und gesellschaftliche Geschehen der alten Bundesrepublik und des wiedervereinigten Deutschlands widerspiegelt. Einst gegen das bürgerliche Establishment angetreten, bezieht die „taz“ längst Zimmer in dessen linksliberalem Seitenflügel, was sie irgendwie weiterhin als inoffizielles Zentralorgan der Grünen erscheinen lässt. Jörg Magenau, heute freier Autor in Berlin, hat selbst zwei Jahre für die „taz“ als Redakteur gearbeitet (und übrigens Biografien über Christa Wolf und Martin Walser verfasst). Offenbar eine gute Schule: Viele ehemalige Mitarbeiter, die im Zeichen der Bärentatze in den Journalismus gefunden haben, zieren mit ihren ganz speziellen Erfahrungen die Edeltannen des deutschen Blätterwalds. Der alte rebellische Geist der „taz“ indes wird nur noch hier und da aus der Flasche gelassen-etwa, wenn mit einer Rudi-Dutschke-Straße dem früheren Intimfeind eine lange Nase gedreht werden soll.

Virtuos am Ball

Michael Schaffrath (Hrsg.), Traumberuf Sportjournalismus, LIT Verlag, Berlin 2007, 354 S., 19,90 Euro

Einmal Sabine Töpperwien oder Günther Koch bei der samstäglichen Bundesliga-Schlusskonferenz der ARD-Hörfunksender mit dem entfesselten Ruf „Tor in Dortmund!“ ins Wort zu fallen-das war der Traum von Holger Dahl. Der Radio-Redakteur des WDR hat ihn sich erfüllt und erzählt in dem Sammelband „Traumberuf Sportjournalismus“, wie man die Hörer in seinen Bann schlägt. Sprachwitz und großer Wortschatz sorgen bei jedem Journalisten für die persönliche Note, im Radio spielen natürlich auch die richtige Atemtechnik und dramaturgisches Talent eine wichtige Rolle. Zahlreiche Profis kommen in dem Buch mit ihren Beiträgen zu Wort: das mediale Spektrum reicht von „Sport Bild“ über dpa bis hin zu Premiere. Eine gewisse Gleichsetzung von Sport mit Fußball wird den einen mehr, den anderen weniger erfreuen. Dennoch geht es sehr abwechslungsreich und kurzweilig zu, etwa wenn „kicker“-Redakteurin Jana Wiske selbstironisch von ihren Erfahrungen als „Quotenfrau“ berichtet. Zart besaiteten Naturen rät sie vom Sportjournalismus ab. Wer es aber wissen möchte, der erfährt eine Menge über Einstiegsmöglichkeiten, etwa im Interview mit „Abendzeitung“-Sportchef Gunnar Jens. Er plädiert dafür, Erfahrungen bei verschiedenen Medien zu sammeln. Und sich nicht allzu früh auf den Sport festzulegen, sondern auch andere Ressorts kennenzulernen.

Blinde Flecken

Horst Pöttker, Christiane Schulzki-Haddouti (Hrsg.), Vergessen? Verschwiegen? Verdrängt? 10 Jahre „Initiative Nachrichtenaufklärung“, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, 255 S., 24,90 Euro

Eine verdienstvolle Aufgabe übernimmt seit 1997 die „Initiative Nachrichtenaufklärung“: Jedes Jahr veröffentlicht sie eine Top-Ten-Liste, welche die „blinden Flecken“ der journalistischen Berichterstattung benennt. Die Expertenbeiträge des Bandes „Vergessen? Verschwiegen? Verdrängt?“ befassen sich zum einen mit Arbeitsweise und Schwierigkeiten der Initiative, werfen aber auch einen Blick auf den investigativen Journalismus. Im Anhang werden alle Top-Ten der vernachlässigten Themen von 1997 bis 2006 aufgeführt. Streiten lässt sich darüber, ob Altersarmut in Deutschland oder die hohe Verschuldung ostdeutscher Kommunen auf dem medialen Radarschirm tatsächlich nicht oder kaum auftauchen. Die wenigsten dürften hingegen wissen, dass die Vergewaltigung Behinderter in Deutschland weniger hart bestraft wird als die Nicht-Behinderter.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 84 bis 91. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.