Die Aussage. Der Aufbau.

Die Form für eine Geschichte entwickelt sich in einem Prozess, der mit dem ersten Brainstorming beginnt. Ab da schon suche ich starke Elemente für meine Geschichte, kontrast-oder konfliktverdächtige Konstellationen, Wendepunkte etc. Nach der Recherche kommt die Stunde der Wahrheit: Was möchte ich mit meiner Geschichte eigentlich sagen? Es gibt jetzt zwei Ebenen, auf denen Aussagen getroffen werden. Die eine spielt auf der Handlungsebene. Sie fokussiert das Thema, sie sagt, auf welchen Punkt ich hinaus will. Diese Aussage auf der Handlungsebene kann lauten: Der Fußball zieht aus dem Olympiastadion aus – Abgesang und Würdigung einer großen Zeit und eines großen Bauwerks in drei Stationen. Die zweite Ebene, auf der eine Aussage getroffen werden kann, ist der Subtext. Der Autor vermittelt zwischen den Zeilen, was er zum Geschehen meint. In unserem Beispiel sagt er: Hier endet eine Ära. Es gibt Gründe, traurig und wütend darüber zu sein. Das ist seine Deutung. Er macht sie nicht explizit. Aber er vermittelt sie durch die Art und Weise, wie er seine Hauptfiguren schauen und sprechen lässt. Einen Subtext kann nur schreiben, wer seine Haltung zur Sache oder den Personen geklärt hat, wer einen Standpunkt hat und den Mut, ihn mitzuteilen.

Die Form folgt der Aussage. Die Aussage beantwortet die Frage „Was will uns die Reporterin sagen?“ Eine klar formulierte Aussage weist den Weg zur Form. Sie lässt sich nutzen wie ein Magnet. Führt man sie über das recherchierte Feld, zieht sie die entscheidenden Späne an und richtet sie aus. Späne oder Rechercheergebnisse, die auf ihr Kraftfeld nicht reagieren, gehören nicht dazu. Man kann sie weglassen.

Die Aussage ist das Ziel, zu dem wir unsere Leserinnen hinführen wollen. Aus dieser Perspektive lassen sich die wesentlichen Entscheidungen treffen. Was ist mein roter Faden? Wer sind Haupt-, wer Nebenpersonen? Welche Reihung ergibt eine organische Abfolge von Anfang, Mitte und Ende? Was kann ich weglassen? Wen und was muss ich herausheben und also detailliert beschreiben? Was ist die angemessene Sprache?

Das Ziel. Marcus Jauer hat für seinen Text über die Stiftung Warentest zwei Ebenen verflochten. Handlungsebene 1: Ein Staubsauger wird im Labor getestet. Diese Ebene setzt sich aus vier Blöcken zusammen, die einen geschlossenen Handlungsablauf mit organisch eingebetteten Exkursen ergeben. Seine zweite Ebene bilden drei Gespräche mit drei Personen: dem Chefredakteur, einem jungen Projektleiter (vier Jahre dabei) und einem älteren (34 Dienstjahre). Die drei Personen werden jeweils eingeführt mit einer kurzen Beschreibung ihres Büros, erläutern ihre Arbeit und charakterisieren so auch sich selbst. Mit diesen sieben Elementen baut Jauer seinen Text. Er liest sich leicht, obwohl er viel Information transportiert. Die grafische Darstellung auf Seite 15 zeigt, wie klar er konstruiert ist. Und wie viel der Autor dafür tut, dass sein Subtext sich vermittelt. Er variiert das Staunen über den Kosmos der Testwelt dreifach. Am Anfang, in der Mitte und am Ende seines Textes.

Tipp:

Stellen Sie sich ein Reiseticket aus. Darauf steht Ihr Ziel (ihre Aussage). Wenn Sie sich im Material verlieren, hilft das Ticket, die Peilung wieder aufzunehmen.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Storytelling“ auf Seite 14 bis 14. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.