Die Revolution geht weiter

Der öffentliche Teil der birmesischen Revolution dauerte etwa zwei Wochen. Dann wurde das Internet gekappt, und die Revolution verschwand, wo sie hergekommen war: in den Untergrund, zurück in die verborgenen Zirkel der Regimegegner. Die Welt wandte sich der nächsten Krise zu, und Birma tröpfelte aus dem Bewusstsein. Die Mönche und Regimegegner hatten die wichtigste Regel für eine erfolgreiche Revolution nicht einhalten können: Beherrsche die Bilder, kon-trolliere die Information.

Kontrolliert wird nun wieder von der Militär-Junta, und die Welt darf sich nicht nur Gedanken über die richtigen Zutaten für einen Regimewechsel machen, sondern vor allem ein außergewöhnliches Medienereignis aufarbeiten. Denn seit dem Kollaps der sowjetischen Satellitenstaaten wurde kein derart abgeschotteter Staat so schnell ins Rampenlicht der Welt gezogen – aber auch selten zuvor konnte sich eine Junta mit Hilfe brutaler Unterdrückung der Information wieder in ihre selbst gewählte Isolation flüchten.

Cyber-Angriff. Ein Blitzausflug in die Blogger-Sphären war zu beobachten, in die vernetzte Bilderwelt der Pixel-Shots aus dem Fotohandy und die Skype-Telefonie. Der Leserreporter als Revolutionär – was westliche Medien als Spiel mit den Technik-Freaks begreifen, war plötzlich zentraler Antrieb des Informationsstroms. Das Regime konnte den Cyber-Angriff noch einmal abwehren. Noch.

Birma war gleichwohl kein Medien-Coup. Die Entstehungsgeschichte des Aufstands der Mönche handelt von Unterdrückung, von Gewalt und von Entbehrung. Der Aufstand war offenbar weitgehend unkoordiniert, jedenfalls blieb er in seinem Kräfteverhältnis eindeutig. Außerdem fehlten ihm charismatische Führungsfiguren, die den Mönchen eine Stimme hätten geben können – die unter Hausarrest stehende Oppositionsführerin musste stumm bleiben.

Dennoch wurde die Symbolkraft der safranfarbenen Kutten, die Botschaft von der ungleichen Konfrontation zwischen den Friedfertigen und den Allmächtigen überall auf der Welt verstanden. Und obwohl die wenigsten Medien bisher Platz hatten für Birma, obwohl auf der Schurkenkarte der Welt die Generäle der Junta nur von den Experten wahrgenommen wurden, begann die Revolution rasant, und die Informationsdichte war relativ hoch.

Reize und Realität. Birma steht selten auf der Reiseliste der Krisen-Korrespondenten. Unter den abgeschotteten Ländern der Welt genießt es wegen seiner touristischen Reize einen außergewöhnlich guten Ruf. Der nordkoreanische Herrscher täte vieles für so ein vorzeigbares Image. Als die heile Tempelwelt plötzlich nicht mehr so perfekt war, da gerieten die Nachrichten umso eindringlicher. Die Revolution aber war umkehrbar, weil zu wenige Korrespondenten vor Ort waren, weil der Bilderstrom versiegte, und weil damit die Eindringlichkeit verloren ging.

Wenn der Druck aus dem Inneren nachlässt, dann muss zumindest von außen der Antrieb zur Revolution kommen. Birmas Machthaber aber kontrollierten nicht nur bald wieder die Straßen, sie stoppten auch den Informationsfluss. Im Zeitalter der Massenverfügbarkeit von Information eine erstaunliche Leistung, die vom totalitären Charakter des Systems zeugt.

Das Netzwerk der Exilbirmesen, die wenigen Exilmedien und die professionellen Dienste etwa der BBC sorgten zwar für eine gewisse Nachrichtendichte. Aber auch ihre Informanten waren bald verstummt. Und zu wenige professionelle Journalisten gelangten in das Land, um die Revolution plastischer zu machen, um die Fluttore für die Bilder wirklich weit zu öffnen. Wer sich mit Hilfe von Touristenvisa nach Rangun schlich, der brachte zwar auch Laptops und Satellitentelefone mit. Als aber die Bilder das Land wieder verließen, da ebbte die Aufstand bereits ab, oder korrekt: Die Militärjunta hatte zugeschlagen und den Protesten mit Gewalt ein Ende bereitet. Nach dem Truppeneinsatz vom 27. September blieben die Straßen leer. Der Zugang zum Internet war von den Machthabern unterbrochen worden, Telefone waren gekappt. Birma war wieder isoliert.

Die Lehren. Birma im Herbst 2007 ist ein Lehrstück dafür, dass Journalisten keine Revolution machen, dass sie einen Aufstand aber befördern und notfalls auch am Leben erhalten können. Auslandskorrespondenten werden – ob sie wollen oder nicht – zu Umsturzgehilfen. Der japanische Kameramann Kenji Nagai bezahlte diesen Einsatz mit seinem Leben – es gibt Hinweise, dass er gezielt ermordet wurde, um andere Korrespondenten abzuschrecken.

Birma im Herbst 2007 ist das jüngste Beispiel für totalitäre Informationskontrolle. Wenn die autokratischen Nachbarn der Militärjunta die Botschaft korrekt entziffert haben, dann wissen sie jetzt aber auch: Die Kontrolle der Bilder wird sich mehr und mehr entziehen, Unrecht lässt sich auf der vernetzten Welt nicht mehr verstecken. Man muss nur genau hinsehen, muss die Spuren lesen lernen und die Quellen kennen. Informationen und Bilder sind verfügbar – auch über Birma, auch über den missglückten Aufstand. Denn die Revolution geht weiter.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 28 bis 29. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.