Die Sprache.

Die Botschaft des Erzählers an seine Leser transportiert sich über den Gestus des Erzählens, über die Art der Ansprache, über Stil und Sprache. Identifikation und Nähe entstehen über sinnliche Eindrücke. Sinnliche Eindrücke sind die Folge dichter Beschreibungen.

„Wenn Udo Lattek, der Trainer, aufsprang, spürte er (Hugo Robl)das Vibrieren der Ersatzbank, wenn ein leichter Wind ging, wehten ihm die Schwaden aus der Pfeife von Robert Schwan um die Nase. Vor seinen Augen zauberte Beckenbauer, wütete Schwarzenbeck, wieselte Hoeneß, müllerte Müller. Hinter dem Spielfeld sah er die Spitze des Olympiaturms, noch weiter dahinter kam nur der Himmel, im Sommer schön blau, im Winter schon schwarz, jedenfalls in der zweiten Halbzeit.“

Das richtige Detail – Detail juste. Die Beschreibung von Holger Gertz bedient drei Sinneskanäle: Fühlen, Riechen, Sehen. Und im Detail vom schwarzen Himmel – winters in der zweiten Spielhälfte – verdichtet sich die lange Weile des Wartens, des Wartens über Jahreszeiten hinweg. Auf dem Spielfeld wilde Aktion. Auf der Ersatzbank ist Zeit, den Himmel zu betrachten. Das Detail der Himmelsfarben gibt mehr als einen optischen Eindruck. Es gibt ein Bild für die Lebenssituation des Protagonisten.

Elegant schreiben heißt, verdichtet schreiben. Je weniger Worte, je mehr Bedeutung, desto besser. Es kommt auf knappe Beschreibungen an, auf das treffende, sprechende Detail. Welche Details braucht meine Geschichte, welche sind überflüssig? Es geht nicht um Vollständigkeit, sondern um das Typische. Wenn ich die Handlung meiner Geschichte klar habe, und die Rolle meiner Protagonisten, weiß ich, welche Aspekte für meine Leser von Interesse sind, vielleicht sogar notwendig. Hugo Robl – eine Skizze:

„Er war damals schon ein kräftiger Mann, seine Schenkel fast so dick wie die von Gert Müller, und inzwischen ist er ein ziemlicher Brocken mit einem fein geschnittenen Gesicht, dem Schauspieler Josef Bierbichler ähnelnd. Seine Hände sind Torwarthände, und Torwarthände sind Pranken.“

Glitzerworte. Bestimmte Begriffe lösen stärkere Assoziationen aus als andere. Das Wörtchen „heimlich“ ist so eines. Wenn die Stiftung Warentest Staubsauger untersuchen will – so heißt es im Text: „… geht jemand von der Stiftung heimlich in einen Laden und kauft welche.“ So was geht natürlich gar nicht, heimlich Staubsauger kaufen. Wir Leser wissen aber, was gemeint ist. Und mit den anderen im Text gestreuten Vokabeln wie „geheim“, „verraten“ und „verschwiegen“ entsteht eine wunderbar konspirative Atmosphäre. Die verlässt man ungern. Da bleibt man bis zum letzten Satz. Suchen Sie solche schwingenden Worte. Schaffen Sie stimmungsvolle Räume. Schreiben Sie nicht „Schachtel“, schreiben Sie „Schatulle“. Wenn es passt.

Der Stil. Die Sprache schafft Aura und Atmosphäre. Ein Beispiel dafür ist der Einstieg in einen Text von Tanja Rest über einen Schamanismus-Kongress: „Es begann damit, dass Wai Turoa–Morgan in ihrem Workshop fünf Steine verteilte … Und es war so, dass einer dieser Steine bei Jens Fischer landete …“ Die Autorin spricht im Duktus eines Schöpfungsmythos. Das spüren wir, das muss sie nicht explizit sagen. Ihr Stil und ihre Beschreibungen formen sich zu der Aussage: Schamanen haben ein Bild von der Ordnung in ihrem Kosmos. Sie stellen sich in diese Ordnung, und handeln aus dieser Vorstellung heraus. Die Autorin muss nicht über Schamanismus urteilen.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Storytelling“ auf Seite 18 bis 18. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.