Europa muss mehr Druck machen

Der Nachrichtensender CNN kürte Richard M. Kavuma (38) aus Kampala / Uganda zum „besten afrikanischen Journalisten 2007“. Mit seiner achtteiligen Artikelserie „Zur Bewertung der vom Lande durchgeführten Millennium-Entwicklungsziele“ setzte er sich im Wettbewerb gegen 1670 Kollegen aus 40 afrikanischen Ländern durch.

* Herr Kavuma, es ist Freitagabend, 21 Uhr, und Sie sind noch immer im Büro. Ist das normal?

Richard M. Kavuma: Ja, leider. Ich würde mich als „workaholic“ bezeichnen. Mein Arbeitstag beginnt morgens zwischen 7.30 Uhr und 8 Uhr und endet gegen Mitternacht. Es gibt viel zu tun.

Sie schreiben für den „Weekly Observer“. Auf der Internetseite des Blattes steht, sie sei die „einzig wirklich unabhängige Zeitung Ugandas“. Wie unabhängig können sie berichten?

Ich würde uns schon als unabhängig bezeichnen. Schließlich kritisieren wir auch unsere Regierung, was allerdings häufig nicht ohne Folgen bleibt. Vor Kurzem verhörte die Polizei zwei unserer Redakteure. Sie hatten einen Politiker zitiert, der dem Präsidenten Vetternwirtschaft und Tribalismus vorgeworfen hatte. Meistens läuft so etwas immer gleich ab: Journalisten werden vorgeladen und verhört, die Polizisten drohen ihnen und lassen sie dann auf Kaution wieder frei. Nach etwa zwei Wochen müssen sie wieder vorsprechen, dieselben Fragen beantworten, dieselben Warnungen anhören. Verurteilt wurde bisher noch niemand. Angst macht es uns aber trotzdem – vor allem, seitdem sich die Polizisten eine neue Taktik haben einfallen lassen: Sie bestellen Journalisten gegen Abend aufs Revier, befragen sie dann aber erst am nächsten Morgen, sodass sie eine Nacht im Gefängnis bleiben müssen – und das ist kein Spaß in Kampala. Einem meiner Kollegen vom „Daily Monitor“ ist das vor Kurzem passiert. Ich selbst hatte bisher Gott sei Dank noch keine Probleme.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Behörden ab? Wie auskunftsfreudig sind die offiziellen Pressevertreter?

Seit drei Jahren haben wir ein Gesetz, das den freien Zugang zu Informationen garantieren soll: das sogenannte „Freedom of Access of Information Act“. Geändert hat sich aber so gut wie nichts. Politiker unterstützen die Arbeit von Medien nicht sonderlich in unserem Land. Pressestellen geben nur zögerlich und spärlich Auskunft – erst recht, wenn es sich um brisante Themen handelt.

Den westlichen Medien wird oft vorgeworfen, dass sie fast ausschließlich über Krisen und Katastrophen in Ihrem Land berichten, und zu wenig über Entwicklungen in friedlichen und wohlhabenden Gegenden Afrikas. Sehen Sie das auch so?

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Ich ziehe hier gerne folgenden Vergleich. Nehmen Sie an, Sie sollen über eine Hochzeit in Ihrer Stadt schreiben. Am anderen Ende des Ortes ereignet sich zu der Zeit, als die Feier stattfindet, ein tragischer Unfall mit einem oder mehreren Toten. Was tun Sie? Idealerweise berichten Sie über beides – sowohl über den Unfall als auch über die Hochzeitsfeier. Aber worüber zuerst? Was wird der Aufmacher? Es wäre doch eigenartig, erst ausführlich von der Hochzeitsfeier zu erzählen und dann am Ende zu erwähnen, ach ja, es gab da noch einen Unfall mit Toten. In Afrika gibt es nun mal sehr viele Tote, sehr viele Kriege, sehr viel Hunger. Wie schon gesagt: Über beides muss berichtet werden, sowohl über die Erfolgsgeschichten als auch über die Krisen. Und ja, oft sollten die Krisen den Aufmacher bilden. Das kann ich meinen Kollegen aus dem Westen mit auf den Weg geben. Das Problem mit der Gewichtung gibt es übrigens nicht nur in Bezug auf Afrika, hier tritt es nur deutlicher zutage.

Welche Themen kommen in afrikanischen Medien zu kurz?

Umwelt zum Beispiel ist bei uns kaum ein Thema, obwohl die Menschen hier im Süden eigentlich am meisten unter den klimatischen Veränderungen leiden werden. Das deutet sich ja bereits an. Trotzdem: Die Leute kämpfen täglich mit Armut und Krieg, mit schlechter medizinischer Versorgung oder mit einem maroden Bildungssystem. Das Thema Klimawandel scheint da noch zu abstrakt und viel zu weit weg.

Und politische Ereignisse in Europa? Wird darüber berichtet?

Natürlich. Wir haben allerdings kaum eigene Korrespondenten vor Ort. Das können wir uns gar nicht leisten. Viele Informationen entnehmen wir von CNN, BBC oder der Deutschen Welle. Und natürlich recherchieren wir viel im Internet. Zur Bundestagswahl 2005 habe ich zum Beispiel einen längeren Artikel über Angela Merkel veröffentlicht, mit dem Titel „The woman who wants to rule Germany“. Ohne den Zugang zu Online-Quellen hätte ich dieses Porträt gar nicht schreiben können.

Bleiben wir bei europäischen Politikern. Wie sollten sich diese gegenüber Afrika verhalten?

Manchmal verstehen wir nicht, warum europäische Regierungen nicht mehr Druck ausüben auf unsere Politiker. Da wird zum Beispiel darüber diskutiert, ob Robert Mugabe, Simbabwes Präsident, am EU-Afrika-Gipfel im Dezember in Portugal teilnehmen darf oder nicht. Ich sage, Mugabe hätte nie eingeladen werden dürfen. Ich glaube, die Menschen in Europa haben manchmal ein anderes Verständnis von Demokratie, die Rechte des Einzelnen werden höher eingeschätzt, auch wenn dies auf Kosten von anderen geht. Das können wir manchmal nicht nachvollziehen.

Ein Journalistengrundsatz in Deeutschland lautet, sich nicht „gemein zu machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten“. Gilt das auch für afrikanische Journalisten?

Generell schon, sollte er zumindest. Man muss aber gleichzeitig sagen, dass wir es da oft schwerer haben als unsere westlichen Kollegen. Viele Themen, über die wir berichten, sind zu eindeutig: korrupte Politiker, manipulierte Wahlen, Staatsgelder, die veruntreut werden. Da fällt es manchmal schwer, die Distanz zu wahren und nicht Partei zu ergreifen. Solange man sich aber strikt an die Fakten hält, ist man auf der sicheren Seite, denke ich.

Der CNN-Award ist ein angesehener Preis in Afrika. Was hat sich seit der Verleihung für Sie geändert?

Meine Kollegen waren sehr beeindruckt. Mehr gefreut hat mich allerdings, dass mich Leute auf der Straße ansprechen, die mein Bild in der Zeitung gesehen haben und mir gratulieren wollen. Das hat mich sehr stolz gemacht. In Kampala bin ich immer mit meinem Motorrad unterwegs. Neulich hatte ich einen kleinen Unfall. Als ich zurück in die Redaktion kam, wusste mein Chef bereits Bescheid. Jemand hatte mich erkannt und beim „Weekly Observer“ angerufen. Auf einmal produziere ich nicht mehr die Nachrichten, sondern werde selbst zu einer.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 30 bis 31 Autor/en: Interview: Isabella Kempf. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.