Film mit Folgen

Ein Familienporträt sollte es werden. Ein Blick hinter die Fassade dezenter Zurückhaltung, mit der sich die BMW-Eignerfamilie Quandt seit Jahrzehnten vor der Öffentlichkeit verbirgt. Doch je tiefer die Autoren, NDR-Redakteur Eric Friedler (35) und die freie TV- und Hörfunk-Journalistin Barbara Siebert, in die Geschichte einer der reichsten Familien Deutschlands eintauchten, desto mehr Ungereimtheiten und offene Fragen förderten sie zutage.

Fünf Jahre akribischer Recherchearbeit in enger Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Experten stecken in ihrem Film „Das Schweigen der Quandts“ – und reichlich Sprengstoff: Fundstücke aus Archiven und die Aussagen von Zeitzeugen belegen, dass Firmenpatriarch Günther Quandt und sein Sohn Herbert nicht nur mit dem NS-Regime kooperierten, sondern auch direkt von Zwangsarbeit und der „Arisierung jüdischer Betriebe“ profitierten. So schufteten beispielsweise Häftlinge des KZ Hannover-Stöcken unter Aufsicht der SS im benachbarten Afa-Werk der Quandts, das Hitlers Kriegmaschinerie mit Batterien versorgte – und Günther Quandt den Titel Wehrwirtschaftsführer einbrachte.

Die ARD strahlte den 60-minütigen Dokumentarfilm am 30. September aus – eine halbe Stunde vor Mitternacht und ohne Vorankündigung. Trotzdem sahen ihn 1,29 Millionen Zuschauer. Angeblich, so wurde spekuliert, weil der NDR juristischen Maßnahmen der Familie Quandt zuvorkommen wollte. Die muss er nun, vor der Ausstrahlung der Langfassung am 22. November, nicht mehr befürchten: Die Familie gab kurz nach der Erstsendung in einer gemeinsamen Erklärung der Kinder bekannt: „Wir erkennen, dass die Jahre 1933 bis 1945 in unserer Geschichte als deutsche Unternehmerfamilie noch nicht ausreichend aufgearbeitet sind.“ Man wolle nun die eigenen Archive für ein „unabhängiges, an wissenschaftlichen Kriterien ausgerichtetes Forschungsprojekt“ öffnen.

Denn schon die Kurzversion hat eine Lawine losgetreten: Die Erklärung der Familie sei kein Schuldgeständnis, hieß es beispielsweise in verschiedenen Internet-Blogs. Noch immer fehle eine Entschuldigung und der Wille zur Wiedergutmachung. Der „moralische Kredit namens Vergangenheitsbewältigung“ sei preiswert zu haben und inzwischen „zu einem echten Investitionsvorteil geworden“. Im Hildesheimer Rat beantragte die Fraktion der Grünen die Umbenennung der Herbert-Quandt-Straße, und auch in der Pritzwalker Stadtverordnetenversammlung denkt man darüber nach, ob man nicht zumindest den Vornamen Herbert aus dem Namen der Herbert-Quandt-Grundschule streichen sollte.

Ein Zuschauer schlug den Film gleich nach der Ausstrahlung für den Herbert-Quandt-Medien-Preis vor. Zu dessen Jury gehören neben Johanna und Stefan Quandt die Journalisten Gabriele Fischer (Chefredakteurin „brand eins“), Christoph Keese (Chefredakteur „Welt am Sonntag“, welt online), Mathias Müller von Blumencron (Chefredakteur „Spiegel Online“) und Helmut Reitze (Intendant des Hessischen Rundfunks). Die Antwort der Quandt-Stiftung stellte er auf seine private Homepage: Man freue sich über den Vorschlag, heißt es darin. Bei der Preisvergabe werde jedoch „ausschlaggebend sein, welche Publikation dem Ziel der Johanna-Quandt-Stiftung, die Bedeutung von Unternehmen und Unternehmern für die Marktwirtschaft zu vermitteln, am besten entspricht“. Ruth Hoffmann

Tipp: Am 22. November um 21 Uhr zeigt die ARD eine um 30 Minuten erweiterte Fassung der Dokumentation von Eric Friedler und Barbara Siebert.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 8 bis 8. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.