Im Spiegel des „Spiegel“

Gebrochen

Ist von Fraktur die Rede, geht es meist um verletzte Sportler. Und als die gebrochene Schrift mal Thema war, wurde ihre Abschaffung in ihrem Leitmedium gemeldet: Dem Verzicht der „FAZ“ auf die „heilige Frakturschrift“ über den Kommentaren bei gleichzeitiger Aufhebung des „Bilderverbots für die Titelseite“ widmete zunächst der „Spiegel“ nette Häme über den „marottenhaften Konservativismus“ des Blattes und dergleichen. Die „FAZ“ selbst kündete auf ihrer allerletzten Titelseite alten Stils am 4. Oktober von einer „ausführlichen repräsentativen Leserbefragung“, derzufolge „mehr als drei Viertel der Leser“ aus „allen Alters- und Lesergruppen“ die Neuerung begrüßten, vor allem Frauen und Jüngere, aber auch Ältere, also ganz bestimmt alle. Bloß fehlte die Angabe, wie viele Testleser befragt wurden. Dass das tapsige Selbstmarketing nötig war, erklärte ein Blick in die online veröffentlichten Lesermeinungen („Schande!“, „Schade!“, „Willkommen im Blätterwald der Beliebigkeit!“). Am ersten Tag mit regulärem Titelfoto (eine Tischszene mit koreanischen Staatschefs) hielt Mit-Herausgeber Werner D’Inka anstelle des Leitartikels ein eindrucksvolles Plädoyer für die Fotografie-in Worten. Visuell machte das Debüt weniger her: Die Seite wirkte, „als sei sie von Menschen gemacht worden, die nichts im Kopf hatten, als zu beweisen, dass man auf Bilder sehr gut verzichten kann“ (Arno Widmann, „Frankfurter Rundschau“).

Betroffen

Über das Verfassungsgerichts-Urteil zur letzten Rundfunkgebühren-Erhöhung war vorab so viel gestritten worden, dass die im September verkündete Entscheidung überhaupt nichts Neues brachte: „Die öffentlich-rechtlichen Sender betonen zufrieden, sie hätten ihre Ziele erreicht. Und die Politik feiert einen großen Erfolg. Das zeigt zwar Konsensdeutschland von seiner besten Seite, passt aber leider nicht zusammen“ („taz“). Nur ein Blatt schwang sich auf die ganz hohe Gipfelposition hinauf, um zum Urteil ein richtig wuchtiges Urteil abzugeben: Damit sei „die Republik um 30 Jahre zurückgeworfen worden. Willkommen bei Helmut Schmidt“, schimpfte der „Spiegel“. Nach ganz guten Argumenten und den üblichen pseudo-juvenilen („Ist nicht das quirlige Internet viel demokratischer als Opas Öffentlich-Rechtliches?“) zitierte das Magazin am Schluss erst indirekt die Verfassungsrichter: „Es müsse jede Form des öffentlichen Auftretens möglich sein, die auch den Privaten möglich ist-im Internet ebenso wie in digitalen Kanälen. Denn wenn die Medienwelt sich weiterentwickele, warum solle das öffentlich-rechtliche Fernsehen zurückbleiben?“, um zu antworten: „Vielleicht, weil man sonst gar nicht merkt, wenn man es eines Tages nicht mehr braucht“.

Also weil „Spiegel“, „Spiegel Online“ und „Spiegel TV“ dann ARD und ZDF ersetzen? Dass der „Spiegel“-Verlag so multimedial aufgestellt ist, ist schön für die Mitarbeiter, denen er mehrheitlich gehört, und sicher nicht schlimm für die Demokratie. Bloß müsste zumindest im Medienressort des gedruckten „Spiegel“ öfter drinstehen, wie oft er inzwischen selbst Partei ist.

Vielseitig

Immerhin in anderen Medienressorts kommt der „Spiegel“ oft vor. Sei es, weil sich seine Mitarbeiter ausführlich halb-öffentlich die Köpfe zerbrechen, ob sie nun die halbe „FTD“ kaufen wollen. Sei es in den Besprechungen zum Fernsehprogramm. Etwa, weil die ARD-Anstalt NDR ihre allerrepräsentativste RAF-Doku zum 30. Jahrestag des Herbstes 1977 „Spiegel TV“ und Stefan Aust anvertraut hatte. Zur „Cross-Promotion“ fragte Christopher Keil in der „SZ“ dann: „Hat da der, Spiegel‘ mit einem ehemaligen RAF-Mitglied gesprochen? Oder, Spiegel TV‘? Oder der NDR? Die Quellen sind nicht mehr adressierbar. Und Aust? War der für den, Spiegel‘ aktiv? Oder für, Spiegel TV‘? Oder hat er für, Spiegel TV‘ einen ARD-Film gemacht? Oder hat er einen ARD-Film gemacht und nebenbei eine, Spiegel‘-Titelgeschichte entworfen?“ Das zumindest hätte es vor 30 Jahren wohl nicht gegeben.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Chronik“ auf Seite 12 bis 12 Autor/en: Christian Bartels. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.