Sind Journalisten besondere Künstler?

Was machen Journalisten eigentlich, wenn sie nicht (mehr) schreiben, recherchieren, kommentieren, kritisieren? Fragte sich dieser Tage Ingeborg Kaiser-Bauer, und die Leiterin der Gruppe Bonn des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung fand auch gleich die Antwort: Sie produzieren. Nicht irgendetwas. Sondern: Kunst.

Vernissagen in der Bonner Filiale des BPA sind nun wahrlich nichts Neues, es gibt sie seit Jahren in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. Weshalb das Amt in der Welckerstraße sich sogar einen Kunstbeirat gönnt, ehrenamtlich. Nun aber wurde Mitte Oktober eine Ausstellung namens „Journalisten-Welten“ eröffnet, von der Kunstbeirat-Vorsitzender und Kaiser-Bauer-Vorgänger Manfred Obländer flugs behauptete, sie sei „in dieser Form einmalig“, so einmalig, dass sie irgendwann auch in Berlin gezeigt werde. Eine zumindest in den Augen des Bonner Publikums ziemlich fragwürdige Auszeichnung. Doch auch dieses Publikum schien schon aus der Einladung auf ein einmaliges Erlebnis geschlossen zu haben, war es doch an diesem Abend so zahlreich versammelt wie selten, wenn nicht gar nie zuvor.

Neue Perspektiven. Es war eben eine Premiere, dass nicht mehr oder weniger gestandene Künstler(innen) ihre Werke präsentierten, sondern neun insgesamt gestandene Männer der Pressezunft, teils noch aktiv, teils längst im (Un-) Ruhestand: Michael Ebner, Jürgen Forster, Klaus Hartung, Wolfgang Hoffmann, Rudi Mews, Geert Müller-Gerbes, Gert Scharrenberg, Jens Schicke und Claus Wettermann. Einige von ihnen haben sich mit ihren künstlerischen Aktivitäten schon ein neues oder ein zweites „Standbein“ geschaffen, andere hatten ihre diesbezüglichen Anstrengungen bislang sorgsam vor der Öffentlichkeit verborgen.

Das war schon seltsam: Sie, die es gewohnt sind oder waren, Ereignisse in Wort und Bild festzuhalten, waren auf einmal selbst das Ereignis, fanden sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und im Fokus der (überwiegend lokalen) Zeitungsleute und Fotografen, wurden einzeln oder in der Gruppe abgelichtet und abgefragt. Manche (wie etwa der show-erprobte Müller-Gerbes) nahmen es gelassen, andere suchten verlegen schleunigst Deckung im Kreis von Freunden und Kollegen. Apropos Kollegen: Die Schar der Presse-Veteranen aus Bonner Hauptstadtzeiten – inklusive der früheren Regierungssprecher Herbert Schmülling und Dieter Vogel – unter den Kunstfreunden war beachtlich.

Keine Fleischerinnungskunst. Beachtlicher noch war die Qualität der Werke der künstlerischen Journalisten respektive journalistischen Künstler, wie auch Dieter Ronte, Chef des Kunstmuseums der Bundesstadt Bonn, in seiner Würdigung konstatierte. Zum Glück hätten sich die Neun nicht an Goethes Forderung gehalten: „Male, Künstler, rede nicht“, die ja wohl auch umgekehrt gelte, denn dann gäbe es nichts zu würdigen, sondern eher an Beuys‘ ebenfalls diskussionswürdige Devise: „Jeder ist ein Künstler“. Angesichts der Unterschiedlichkeit der Exponate stelle sich, so der Kunstprofessor, gar nicht erst die Frage, ob es so etwas wie „Journalistenkunst“ gebe: „Das wäre schon seltsam, wenn man sagen könnte: Journalisten malen so oder so.“ Wäre es anders, müsste es ja auch beispielsweise eine „Fleischerinnungskunst“ geben.

Ronte bescheinigte den Protagonisten im Einzelnen „exzellente Fotografie auch im Experimentellen“ (Ebner), „professionelle Grafiken“ (Forster), „wilden Drang zum Malen“ (Hartung), „kreative Arbeit mit dem exaktesten Instrument, dem Computer“ (Hoffmann), „Einblicke in eine ironische Bilderwelt“ (Mews), „feinfühlige Aquarelle mit vorwiegend skandinavischen Motiven“ (Müller-Gerbes), „Nutzung vielfältiger Materialien, fragil und wankend“ (Scharrenberg), „sinnlichen Umgang mit der Kamera“ (Schicke) sowie „Strukturen aus Holz mit neuen Seh-Erfahrungen“ (Wettermann). Insgesamt zeigten die Arbeiten nicht die Ergebnisse eines bloßen Hobbys, sondern seien Zeugnis einer „sinnvollen Tätigkeit – spannend und vorbildlich“.

Mangelerscheinung. Nur eines missfiel dem Kunstverständigen: Bei den Ausstellenden handele es sich ausschließlich um Männer, keine einzige Frau sei dabei. Das ließ dem früheren „Stern“- und „ZEIT“-Mann Hoffmann keine Ruhe. Er bedauere diesen Umstand ebenfalls, wehrte er sich, auch im Namen seiner Künstler-Kollegen. Doch seien vor Jahr und Tag sämtliche Mitglieder der Bundespressekonferenz, selbstverständlich auch die weiblichen, zur Teilnahme an den „Journalisten-Welten“ aufgefordert worden. Neun Interessenten hätten sich gemeldet – alles Männer, keine Frau. Über das Warum und Weshalb darf munter spekuliert werden.

Tipp:

Die Ausstellung „Journalisten-Welten“ ist noch bis 7. Dezember montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr im Bundespresseamt, Dienstsitz Bonn, Welckerstraße 11, 53113 Bonn, zu sehen. Die Werke sind zum überwiegenden Teil verkäuflich, die Preise liegen zwischen 10 und 3. 500 Euro.

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Leben“ auf Seite 76 bis 79 Autor/en: Hans-Dieter Weber. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.