Dumm gelaufen.

Florian Gless

Ressortleiter Deutschland

und Gesellschaft „stern“;

„Es gibt zwei Typen von nervenden Praktikanten: Die Verstecker und die Schnacker. Die Verstecker sitzen den ganzen Tag mit eingezogenen Schultern vor ihrer Tastatur und klicken zwischen „Spiegel Online“; und „stern.de“; hin und her – in der Hoffnung, dort ein Thema zu finden. Üblicherweise finden sie keines. Ich finde es schade, wenn Praktikanten sich so in ihrem Büro verkriechen. Warum nutzen sie nicht die Möglichkeiten, die sie haben? Die Schnacker haben genau das umgekehrte Problem: Die treten auf, als wenn sie schon drei Henri-Nannen-Preise gewonnen hätten, verkaufen Geschichten über Wert oder blasen Rechercheergebnisse auf. Das ist noch unangenehmer. Die besten Praktikanten arbeiten souverän mit. Ich erwarte, dass sie in die Konferenzen Themenvorschläge einbringen. Und zwar keine, die letzte Woche schon im „stern“; oder bei der Konkurrenz standen. Das ist peinlich. Wer ein spannendes Thema hat, erste Fragen beantworten und auch Kritik begegnen kann, bekommt sofort die Chance, eine größere Geschichte zu recherchieren und zu schreiben. Wenn das klappt, gebe ich auch Aufträge an solche Praktikanten. Denn darum geht es doch: ins Heft zu kommen. Ich selbst hatte das Glück, während meiner Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule eine große „stern“;-Geschichte machen zu können. Mein damaliger Ressortleiter (und heutiger Chefredakteur) Thomas Osterkorn hatte mir das Thema, den Hilferuf eines völlig mittellosen Bauern, gegeben. Als diese Geschichte gedruckt wurde, war das einfach ein großartiges Gefühl.“;

Claus Richter

Redaktionsleiter „Frontal 21“; ZDF

„Immer öfter erlebe ich, dass Praktikanten ein gewisser Bildungsstandard fehlt. Nicht allen – aber zu vielen. Manche Praktikanten verfügen höchstens über rudimentäre politische und his- torische Kenntnisse der letzten Jahrzehnte bundesrepublikanischer Geschichte. Das ist erschreckend. Eine gute Allgemeinbildung ist im politischen Journalismus ein absolutes Muss. Unter Unkenntnis leidet schließlich die Neugier: Wie soll man weiterfragen können, wenn man gar nicht weiß, wonach? Manche Praktikanten sollten meiner Ansicht nach das Faszinosum Fernsehen etwas kritischer betrachten. Angelockt durch die Mode Fernsehen sehen die sich eigentlich als Moderator oder Präsentator. Denen sage ich, dass sie nicht im richtigen Beruf sind – zumindest wenn es um politischen Journalismus geht. Das kommt nicht selten vor. Ansonsten gibt es zwei Gruppen: die Begabten und die weniger Begabten. Erstere sind neugierig; haben ein Interesse, Fragen nachzugehen und dies auch der Öffentlichkeit mitzuteilen. Dazu gehört auch kommunikative Offenheit. Es gibt Leute, die gut kommunizieren können und Leute, denen das nicht liegt. Als Journalist aber sollte man das können.“;

Hartmut Augustin

Ressortleiter Lokales „Berliner Zeitung“;

„Ein typischer Fehler von Praktikanten ist die totale Internetgläubigkeit. Ich habe mal eine Praktikantin beauftragt, ein Thema im Archiv zu recherchieren. Stattdessen saß die tagelang vorm Computer. Am Ende reichte es nicht einmal für einen Fünfzeiler. Einen Kollegen zu fragen oder im Archiv zu gucken, kam ihr nicht in den Sinn. Ohne Internet war sie aufgeschmissen. Manche sind es nicht gewohnt, konservative Recherchetechniken anzuwenden. Ich kenne zwei Extreme von Praktikanten: Einmal die graue Maus – egal, ob männlich oder weiblich. Die Praktikanten sitzen da, warten ab und wollen unterhalten werden. Die sind es gewohnt, dass jemand sie an die Hand nimmt. Manche fürchten den Kontakt mit Menschen – da frage ich mich, wie die sich für den Beruf entscheiden konnten? Das andere Extrem sind die Vorlauten. Die haben schon in der Schule gerufen: „Herr Lehrer, ich weiß es!“;. Wenn man tiefer bohrt, kommt da gar nichts. Ich erwarte nicht, dass ein Praktikant die Aufgaben eines Redakteurs erfüllt. Aber er darf sich auch nicht in die Ecke setzen und zugucken. Er soll mittun. Am liebsten sind mir die Engagierten. Die drängeln sich nicht vor, begreifen aber schnell, was es für Themen in dem Ressort gibt. Die bringen sich ein. Man muss neugierig, schnell, interessiert und engagiert sein. Wer das nicht mitbringt, ist für den Beruf ungeeignet – zumindest in einer Lokalredaktion.“;

Sebastian Christ

freier Journalist

„Insgesamt habe ich sieben Praktika gemacht, davon drei im Ausland: in den USA, in Frankreich und in Polen. Während meiner Ausbildung an der Journalistenschule habe ich mich dann für ein Praktikum im Lokalteil entschieden – ganz bewusst, weil ich dachte, dass ich dort am meisten schreiben kann. Allerdings habe ich dort die ersten vier Wochen mit Aushilfsjobs verbracht: Statt für die Zeitung zu schreiben, sollte ich sie verteilen; ich wurde als Promoter auf die Straße geschickt. Ich musste Leseranfragen abarbeiten und mir anhören, wenn denen etwas nicht gepasst hat. Schreiben sollte ich lediglich Meldungen, besser gesagt: Ich sollte sie redigieren und korrigieren. Nach vier Wochen hat es mir gereicht und ich habe den Ressortleiter angesprochen. Das kann ich wirklich jedem raten: Wenn etwas schief läuft, mit dem Chef darüber sprechen. Natürlich nicht bei jeder Kleinigkeit, aber wenn man wirklich unzufrieden ist, auf jeden Fall. Bei mir hat es funktioniert: Zwei Tage später hatte ich meinen ersten Lokalaufmacher im Blatt, und die letzten beiden Praktikumsmonate waren richtig gut.“;

Inga Leister

seit Juli 2007 Online-Redakteurin brigitte.de

„Zehn Praktika habe ich hinter mich gebracht. Die meisten gerne, aber es waren auch die Elends-Klassiker darunter. Klassiker 1: Bei einem Radiosender war ich weniger als Luft. Keiner redete mit mir. Meine Kontaktversuche endeten grundsätzlich mit einem „Du, ich habe wahnsinnig viel zu tun“;, einmal sogar mit „Ich bin lieber alleine im Zimmer“;. Ich habe mich damit beschäftigt, immer neue Themenvorschläge aufzustöbern. Aber ich durfte sie den Entscheidern nicht selber vortragen. Und der Redakteur, bei dem ich ab und zu eine Audienz bekam, erwies sich als schwarzes Loch: Irgendwie vergaß er immer, meine Themen in den Konferenzen zu erwähnen – aus Versehen. Klassiker 2: Der K&K-Kassiker – Kaffeekochen und Kopieren in der Presseabteilung einer großen Firma, also genau das tun, was sonst keiner machen will. Am weitesten vom Journalismus war ich wahrscheinlich entfernt, als ich einmal drei Tage lang Weihnachtsgeschenke nebst Grußkarten eintütete. Klassiker 3: Ausbeutung. Eine Lokalredaktion hatte gemerkt, dass ich nicht nur eine kostenlose, sondern auch eine gute Arbeitskraft war. Also kam ich als Praktikantin oft als Erste und ging als Letzte. Ich hätte mich über so viel Übung wohl mehr gefreut, wenn ich zwischendurch noch zum Essen gekommen wäre.“;

Wencke Bugl,

Journalismus-Studentin

„Eins meiner sechs Praktika habe ich in der Wissenschaftsredaktion einer Lokalzeitung absolviert. Dort bekam ich erst gar keine Aufträge – schlicht, weil ich nicht dazugehörte. Der Ressortleiter sagte mir am Anfang: Frag die anderen, wem du helfen kannst. Aber niemand wollte meine Hilfe. Wenn ich ein Thema vorschlug, hieß es: Das ist das Spezialgebiet von Redakteur XY. Jeder hockte auf seinen Themen – echte Besitzstandswahrung. Konferenzen gab es auch nicht. Nur um das Wochenende einzuläuten, kamen die Redakteure jeden Freitag zu einer „Sektrunde“; zusammen: Sie standen in der einen Ecke und tranken miteinander, ich saß alleine in einer anderen. Mir wurde gesagt, dass ich nicht mittrinken dürfe, weil ich nichts in die Sektkasse eingezahlt hatte. Das alles änderte sich erst, als ich mit der Chefsekretärin essen war, regelmäßig mit ihr rauchen gegangen bin und selbst Sekt mitbrachte. Plötzlich gehörte ich dazu, durfte mit den Redakteuren anstoßen. Und auf einmal bekam ich auch Themen ins Blatt. Manche Redaktionen kommen mir vor wie eine geschlossene Zunft, in die man erst durch schrullige Initiationsriten aufgenommen werden m
uss. Das ist nicht schlimm, aber ganz schön anstrengend!“;

Annette Müller

Volontärin „Tages-Anzeiger“;,

Schweiz

„Bei meinem ersten Praktikum arbeitete ich in einer Regionalredaktion. Am ersten Tag sollte ich eine Wintergeschichte über die Seen der Umgebung schreiben, die sogar der Aufmacher des nächsten Tages wurde – das war toll. Bei meinem zweiten Praktikum bei einer Tageszeitung durfte ich zunächst kleinere Polizeimeldungen schreiben. Nach und nach bekam ich größere Geschichten. Beide Praktika haben mir gut gefallen. Irritierend waren die unterschiedlichen Haltungen der Redakteure, was man einem Praktikanten zutrauen kann: Manche kontrollieren jeden Schritt, andere haben mir fast zu viel zugetraut. Sie verhielten sich sehr uneinheitlich. Jeder Redakteur gab ein anderes Feedback – das erschwerte mir die Orientierung. Ich musste meine Position im Gefüge der Redaktion ja erst finden. Als Neuling war ich darauf angewiesen, dass mir die Redaktion spiegelt, was ich darf und was nicht. Mein Wunsch wäre, dass Redaktionen Standards dafür festlegen, was sie von ihren Praktikanten erwarten und was sie ihnen bieten wollen. Ideal wäre ein Mentor, der nicht nur die Texte redigiert, sondern den Praktikanten ihre Stärken und Schwächen aufzeigt.“;

Erschienen in Ausgabe 12/2007 in der Rubrik „Praktikum“ auf Seite 12 bis 13. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.