Argentinien
Lästige Medien
Karen Naundorf, Buenos Aires
Die neue Präsidentin Argentiniens heißt Cristina Fernández de Kirchner. Und das, obwohl die Ehefrau des noch bis zum 10. Dezember amtierenden Präsidenten, Néstor Kirchner, während des Wahlkampfs Journalisten mied wie lästige Fliegen: Es gab kein Fernsehduell. Sie füllte die Fragebogen der Zeitungen nicht aus, in denen sich die Kandidaten zu Themen wie Inflation und Arbeitslosigkeit äußern sollten. Cristina (Argentinier nennen sie beim Vornamen) gab keine einzige Pressekonferenz. Ganz wie ihr Mann, der in vier Jahren Amtszeit auch ohne auskam. Seit ihrer Nominierung im Juli jettete Cristina um die Welt, ließ sich mit Nicolas Sarkozy, Rupert Murdoch und auch mit Angela Merkel fotografieren. Der Politikchef der renommierten Tageszeitung „La Nación“; begleitete sie, aber auch er konnte ihr auf der gesamten Reise nicht eine Frage stellen. Nur zu einem Treffen gab Cristina einen Kommentar ab: „Mit Merkel gab es ein gutes Feeling, vielleicht auf Grund des Geschlechts.“;
Internet: www.cristina.com.ar
Afghanistan
Erste afghanische Seifenoper
Britta Petersen, Kabul
Der Wiederaufbau Afghanistans schreitet unermüdlich voran. Unter anderem auch im medialen Bereich. Im Oktober beispielsweise wurde die erste Folge der ersten im Lande produzierten Seifenoper ausgestrahlt. Unter dem Titel „Razhaje en Chana“; (Geheimnisse dieses Hauses) zeigt der private Fernsehsender Tolo TV 23 Folgen eines von der hauseigenen Aria TV produzierten Dramas. Das Thema ist aktuell: Ein nach 30 Jahren aus dem Exil zurückkehrender Cousin macht Anspruch auf das Wohnhaus seiner Familie in Afghanistan geltend. Ungeklärte Besitzverhältnisse beschäftigen derzeit nämlich die Gerichte im ganzen Land. Autorin der Serie ist die 26-jährige Filmemacherin Roya Sadat, die frher bereits den Jurypreis des Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Kabul gewonnen hat, das vom Goethe-Institut zusammen mit Arte veranstaltet wird. „Die Serie reflektiert die Nachfrage unseres Publikums nach einem Drama, das das Leben der Menschen, ihren Charakter und ihre Sprache widerspiegelt und in dem sie sich erkennen können“;, sagt Tolo-Chef Saad Mohseni, der seinen Sender vor allem mit Entwicklungshilfe aus den USA aufgebaut hat.
Internet: www.tolo.tv
China
Pingpong Propaganda
Ruth Kirchner, Peking
Vor 36 Jahren ebnete die berühmte „Pingpong-Diplomatie“; den Weg zur Wiederaufnahme der politischen Beziehungen zwischen China und den USA. China hatte seinerzeit, als es so gut wie keine Kontakte zwischen beiden Ländern gab, überraschend das amerikanische Tischtennisteam eingeladen. Jetzt hat die Volksrepublik auch die Pingpong-Propaganda für sich entdeckt: Bei dem nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitag der KP China im Oktober durften handverlesene Delegierte in einem supermodernen Medienzentrum Pressekonferenzen geben – darunter auch die Tischtennis-Weltstars Wang Nan und Zhang Yining. Die Frage, wie sie eigentlich Parteitagsdelegierte geworden waren, konnten oder wollten die beiden Goldmedaillengewinnerinnen (Athen 2004) allerdings nicht beantworten. Stattdessen gaben sie Sätze zum Besten wie „Tischtennisspielen ist mein Job, aber Parteimitglied zu sein, ist eine wahre Ehre.“;
Der Pingpong-Diplomatie von 1971 folgte ein Jahr später der historische Besuch von US-Präsident Richard Nixon in Peking. Die Pingpong-Propaganda von 2007 blieb dagegen bislang folgenlos. Der Versuch, dem einwöchigen Parteitag ein offenes und junges Image zu verschaffen, ist gescheitert. Bei der abschließenden Präsentation der neuen und alten Führungsspitze vor der wartenden Weltpresse hieß es nämlich in guter alter Manier: „Keine Fragen, bitte.“;
Internet: www.cpcnews.cn
Philippinen
Leere Kassen, voller Themen- plan
Hilja Müller, Manila
Dass auf den Philippinen der sogenannte Scheckbuch-Journalismus etabliert ist, ist ein offenes Geheimnis. Rühmliche Ausnahme war bisher das im Jahr 2000 gegründete Nachrichtenmagazin „Newsbreak“;. Das einzige unabhängige, investigative Journal des südost- asiatischen Landes deckte zahlreiche Korruptionsfälle auf, hinterfragte den plötzlichen Reichtum von Politikern oder legte sich mit der einflussreichen katholischen Kirche an. Dafür ernteten Chefredakteurin Marites D. Vitug und ihr Team international Preise und Anerkennung, im eigenen Land machten sie sich indes mächtige Feinde. Teure Verleumdungsklagen, die Verhaftung einiger Redakteure und Drohungen per SMS schienen jenen probaten Mittel, die die couragierten Journalisten mundtot machen wollten. Kautionszahlungen und Gerichtskosten fraßen letztlich zu viel von dem ohnehin mageren Budget des vor allem durch Stiftungen und von ausländischen Organisationen finanzierten Magazins. Die bittere Folge: „Newsbreak“; musste Anfang des Jahres das Erscheinen einstellen. Seither gab es immerhin aktuelle Hintergrundberichte und investigative Reportagen weiter online und in unregelmäßig erscheinenden Sonderausgaben. „Uns ist zwar das Geld ausgegangen, nicht aber die Themen“;, gibt sich Vitug kämpferisch. Jetzt ist sie mit Investoren und Sponsoren im Gespräch und hofft, Anfang 2008 wieder in den Druck gehen zu können. Weil das Internet auf den Philippinen nicht so verbreitet ist und Magazine zudem oft an Freunde und Verwandte weitergegeben werden, ist es wichtig, auch die klassische Medienform zu nutzen.
Internet: www.newsbreak.com.ph
Slowakei
Grenzerfahrung in der Slowakei
Kilian Kirchgeßner, Bratislava
Wenn irgendwo das Ende der Welt ist, dann sieht es dort wahrscheinlich so ähnlich aus wie auf der Straße vom slowakischen Kosice ins ukrainische Uzhorod. Knapp 100 Kilometer misst die Strecke, sie ist gesäumt von baufälligen Häusern und von Roma-Kindern, die an der Schnellstraße Fußball spielen. Und zwischendrin liegt Sobrance, ein slowakischer Ort, in dem der Supermarkt noch Konzum heißt. Hier treffe ich mich mit Miroslav Uchnar. Von dem Mann hängt für die Slowakei viel ab: Er ist Chef der slowakischen Grenzpolizei und bewacht mit seinen Leuten die Grenze zur Ukraine. Nur wenn sie dicht ist, so hieß es immer, könne das Land am Ende des Jahres dem Schengen-Raum beitreten.
Viele Journalisten hat Uchnar in seiner Karriere noch nicht gesehen – und Ausländer verirren sich eh nur selten nach Sobrance. „Was wir hier haben“;, ruft Uchnar stolz, „das habt nicht mal ihr in Deutschland!“; Damit er den Beweis antreten kann, müssen wir kilometerweit fahren. Uchnars verrauchter Dienst-BMW ist das größte Auto weit und breit, die Einheimischen weichen respektvoll aus, wenn sie ihn im Rückspiegel sehen. Und dann stehen wir endlich an der Grenze. Dort, wo sie im Wald verläuft, ist sie bewehrt mit einer Kamerakette inklusive Nachtsichtgeräten. Sobald sich jemand bewegt, schlägt das System automatisch Alarm. Besonders im Ort Vysné Nemecke, wo der größte Grenzübergang steht, prallt die High-Tech-Offensive hart auf die Jahrzehnte alte Patina: Das größte Bauwerk in der Stadt ist die Garage, in der Uchnars Leute ihre schweren Geländewagen parken und ihre Cross-Motorräder für den Patrouillen-Dienst. Das Bürgermeisteramt ist ein paar Schritte entfernt, ein Häuschen mit rostigem Zaun um den Vorgarten. Es ist früher Nachmittag, aber die Amtsstube ist schon leer. Da winkt mich Miroslav Uchnar wieder in seinen BMW. „Ich weiß, wo Sie den Bürgermeister treffen“;, sagt er, tritt aufs Gas – und lässt mich vor der einzigen Kneipe in Vysné Nemecke aussteigen. „Um die Zeit arbeitet hier im Dorf niemand mehr“;, sagt er. Dann besinnt er sich und ruft mir hinterher: „Außer uns von der Polizei, natürlich!“; Internet: www.minv.sk/schengen
Norwegen
Glücksspiel im TV
Clemens Bomsdorf, Oslo
Es ist noch gar nicht lange her, da ließ sich der norwegische Kultusminister Trond Giske dabei ablichten, wie er bei der Firma Stena metall einen Spielautomaten auseinandernahm. In Norwegen gibt es seit 1. Juli ein staatliches Glücks
spielmonopol. Bis dahin durften Organisationen wie das „Rote Kreuz“; Spielautomaten betreiben, um ihre Einnahmen zu erhöhen, seither hat nur der Staat allein das Recht dazu. Das will die Regierung jetzt vermehrt nutzen und schon bald das chinesische Glücksspiel Keno anbieten. Ein Zahlenspiel, bei dem der Spieler ähnlich wie bei Lotto und Bingo keinen Einfluss auf die Gewinnchancen hat. Weil aber die Ziehung der Zahlen und damit die Ermittlung der Gewinner täglich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen NRK stattfinden soll, hat sich die Journalistengewerkschaft beklagt. Dadurch, so Pål Hansen, Chef der in der Gewerkschaft organisierten Journalisten bei NRK, mache sich der Sender angreifbar. „NRK sollte solche Ziehungen überhaupt nicht senden“;, sagte er. Bisher gab es wöchentliche Ziehungen wie beim Lotto, wenn nun auf tägliches Glücksspiel erweitert werde, fürchtet Hansen mehr kritische Reaktionen. Nicht nur Glücksspielgegner, sondern Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Allgemeinen, werden mit solchen Aktionen, die an das Privatfernsehen erinnern, Argumente geliefert.
Internet: www.nrk.no
Weltreporter
Serie: Die Nachrichten rund um den Globus aus verschiedenen Ländern werden regelmäßig im „medium magazin“; veröffentlicht. Die Autoren sind Mitglieder von Weltreporter.net. Homepage: www.weltreporter.net, eMail: cvd@weltreporter.net.
Erschienen in Ausgabe 12/2007 in der Rubrik „Weltreport“ auf Seite 78 bis 79. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.