Profi auf Probe.

Ja, es gibt sie, die Horrorgeschichten über Journalisten-Anwärter, die abkommandiert werden zu Dauereinsätzen an Kopierer oder Kaffeemaschine; über junge Kollegen, die jede Woche 70 Stunden arbeiten, natürlich ohne Bezahlung, Schreibtisch, E-Mail-Adresse, ohne Rechte. In Konferenzen dürfen sie nichts sagen, meist dürfen sie gar nicht dabei sein. Niemand kennt ihre Namen, sie sind ja eh in wenigen Wochen wieder weg. Es sind Geschichten über einen Posten, den fast jeder Journalist unter 40 Jahren aus eigener Erfahrung kennt: den des Praktikanten.

Unbestritten: Es gibt Redaktionen, die ihre Praktikanten lediglich als Gratis-Arbeitskräfte sehen oder gar als Belästigung empfinden. Journalistenverbände warnen immer wieder vor solchen Arbeitgebern und geben Checklisten heraus, woran sich schlechte Praktikums-Stellen erkennen lassen (z. B. www.djv.de). Doch das sind Ausnahmen. Die Regel ist eine andere: Redaktionen zählen auf ihre Praktikanten, rekrutieren so ihren Nachwuchs, wollen ihnen das Handwerk vermitteln.

Praktikanten zu beschäftigen, das bedeutet für die Redaktionen nämlich nicht nur eine günstige zusätzliche Arbeitskraft, vielmehr muss sie Zeit und Aufwand inves- tieren. Die wenigsten Neulinge arbeiten schließlich von Anfang an so selbstständig, dass ihnen sofort wichtige Jobs übertragen werden können. „Praktikanten sind immer auch eine Belastung für die Redaktion. Die meisten haben noch keine Ahnung, wie man Fernsehen macht“;, sagt Heiner Hug, Chef der Schweizer Tagesschau. Einen Praktikanten beauftragen – das ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Daher setzt kaum eine seriöse Redaktion auf Praktikanten, um ihre Seiten zu füllen. Aber die Chancen wiegen das Risiko und den Aufwand meist auf. Viele Medien haben das erkannt; manche investieren gezielt in den Nachwuchs: Sie bauen eine Lehrredaktion auf wie „Die Presse“; in Wien, oder sie gründen für die Praktikanten eine eigene Akademie wie die „tageszeitung“; in Berlin (siehe Seiten 10 und 11).

Am Thema Praktikum kommt niemand vorbei. Zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften haben in den letzten Jahren die „Generation Praktikum“; als gesellschaftlichen Trend neu entdeckt. Was für manche Branchen tatsächlich eine neue Entwicklung ist, gilt für den Journalismus schon lange: Der Einstieg in den Job läuft über das Praktikum – entweder als „Schnupperkurs“;; als Station während des Volontariats oder während der Ausbildung an einer Journalistenschule; für viele auch während des Studiums. In manchen Lebensläufen reihen sich 15 Hospitanzen aneinander. Und auch erfahrene Kollegen müssen sich immer wieder mit Praktikanten auseinandersetzen: Wenn sie deren Texte redigieren, ihnen erklären, wie man eine Nachricht schreibt oder vom Ressortleiter gefragt werden, wie sich der junge Kollege denn so macht.

Praktikanten profitieren. Wenn es sehr gut läuft, ergibt sich aus einem Praktikum eine freie Mitarbeit, eine Pauschalistenstelle, manchmal sogar ein fester Vertrag. In jedem Fall bieten viele Praktika große Chancen für Berufseinsteiger: Sie bekommen einen Einblick in die tägliche Arbeit, sie sammeln Arbeitsproben, sie knüpfen Kontakte. Sie können sich unter Realbedingungen bewähren, tragen aber noch nicht die volle Verantwortung. Eines leistet ein Praktikum allerdings nicht: Auch bei einem noch so angesehenen Medium ersetzt es keine fundierte journalistische Ausbildung in einem Volontariat oder an einer Journalistenschule. Schreibübungen, Presserecht, Ethik – solche Dinge kommen im Praktikum bestenfalls am Rande vor.

Redaktionen profitieren. Nicht nur Praktikanten erzählen sich Horrorgeschichten. Auch Redakteure und gestandene Journalisten jammern gerne über die mangelnde Qualität vieler Praktikanten: über stille Mäuschen, die nie etwas sagen; über Angeber, die so tun, als wüssten sie schon alles; über die Unfähigen und Unmotivierten, über die Übereifrigen und Unzuverlässigen. Und auch die gibt es. Dennoch lohnt es sich für die meisten Ressorts, sich junge Leute ins Haus zu holen. Mit ihnen hält ein frischer Blick auf Themen Einzug, unverbrauchtes Engagement, vielleicht ist auch der talentierte Nachwuchsredakteur dabei.

Wo sich ein Praktikum lohnt: Eine Hymne an die Lokalredaktion. Die obersten Journalistenlehrer sind sich einig: „Anfangen sollte man immer in einer Lokalredaktion oder einer lokalen Sportredaktion“;, sagt Ulrich Brenner von der Deutschen Journalistenschule in München. Und Sylvia Egli von Matt von der Schweizer Journalistenschule MAZ führt aus: „Immer wieder sagen junge Leute, sie wollen im Praktikum zu „Geo“; oder zum „Spiegel“; gehen. Beginnen sollte man aber bei einer Lokalredaktion.“; Andreas Wolfers von der Henri-Nannen-Schule in Hamburg lobt sogar: „Es gibt keine Schule, die so gut ist wie die Lokalredaktion.“; Warum diese Lobgesänge? Ganz einfach: Im Lokalen haben Praktikanten die Chance, wirklich eingesetzt zu werden und die ganze Palette journalistischer Arbeit kennenzulernen: vor Ort recherchieren, Interviews führen, an verschiedenen Themen arbeiten, in allen Formen schreiben, von der Meldung bis zur Reportage – bei manchen Blättern sogar den Kommentar. Hier können sich Praktikanten am ehesten ausprobieren und hier liegen die Themen im wahrsten Sinne des Wortes „auf der Straße“;. In jedem Ort und in jeder Stadt gibt es Themen wie: Wieso dauern die Bauarbeiten in der Fußgängerzone so lange? Darüber ärgert sich jeder Anwohner. Und mit etwas Glück reichen ein paar Anrufe bei verschiedenen Ämtern und Anliegern, ein kurzes Gespräch mit dem Bauleiter und der Praktikant hat eine Geschichte zusammen.

Wann zu den Großen? Erst wer ein paar Erfahrungen und Arbeitsproben gesammelt hat, sollte sich bei der Politikredaktion der „Süddeutschen Zeitung“; oder beim Deutschlandressort von „Spiegel“; oder „Zeit“; bewerben. Alle anderen werden eh meist aussortiert. Bei den „Großen“; ist es ungleich schwerer, einen Praktikumsplatz zu bekommen – und wenn man da ist, sind die Hürden höher, um etwas ins Blatt oder auf Sendung zu kriegen. Einen Schleichweg bieten manchmal die Online-Redaktionen. Bei „tagesschau.de“; ist es leichter zu hospitieren als bei der 20-Uhr-Sendung. Die Internet-Redaktionen sind häufig auf der Suche nach Praktikanten und werden mehr und mehr mit den Stammredaktionen verzahnt. Allerdings sollte sich niemand Illusionen machen: Häufig genug schreiben Praktikanten in den Online-Redaktionen lediglich Agentur-Meldungen um und heben die Texte der Printkollegen auf die Internetseite. Der umgekehrte Weg ist wesentlich seltener. Doch könnte sich das in Zukunft ändern: Viele Verlage und Sender investieren gerade in ihre Internet-Sparten. Dann kennt man als ehemaliger Praktikant die richtigen Ansprechpartner.

Für jeden Praktikanten gilt: Zeigen Sie sich von Ihrer bes- ten Seite, engagieren Sie sich, verhalten Sie sich professionell, begegnen Sie den Kollegen auf Augenhöhe. Es gibt keinen Grund, sich zu verstecken. Sie sind ein Profi auf Probe – allerdings einer von vielen. Sie müssen positiv auffallen, um sich zu bewähren.

Die Autoren:

Mareike Fuchs arbeitet als freie Journalistin für Print- und Fernsehredaktionen, hat Kulturwissenschaften in Berlin studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert (30.Lehrgang) und während ihrer Ausbildung sieben Praktika gemacht, u.a. beim ZDF, dem „stern“; und der „Berliner Zeitung“;.

Oliver Trenkamp arbeitet als freier Journalist, studiert Politikwissenschaft in Berlin. Er hat ebenfalls die Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert (30.Lehrgang) und sieben Praktika gemacht, u.a. bei der „Frankfurter Allgemeinen“;, dem „Tagesspiegel“; und dem „Spiegel“;.

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Erschienen in Ausgabe 12/2007 in der Rubrik „Praktikum“ auf Seite 2 bis 2. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.