Blasen und Phrasen

„Conditio sine qua non“

Autsch, jetzt kommt auch noch Latein! Von der Conditio sine qua non, wörtlich auf Deutsch „Bedingung ohne die nicht“, schwadronieren gerne Bosse, die ein Jura-Studium auf dem Buckel haben. Der Begriff stammt nämlich aus der Juristerei und besagt, dass eine Handlung ursächlich für eine bestimmte Folge sein muss. Also in etwa, dass der Schlag mit dem Hammer auf den Kopf des untreuen Gatten die Ursache für dessen vorzeitiges Dahinscheiden war. In Management-Sitzungen wird der Begriff dagegen meist simpler gebraucht. Ein Manager, der plötzlich von der Conditio sine qua non anfängt, meint meist nichts anderes, als dass es ohne diese Bedingung einfach nicht geht. „Dass unsere Kooperationspartner dieser Klausel im Vertrag zustimmen, ist für uns eine Conditio sine qua non.“ Meist folgt auf solche Worte der Beifall heischende Blick in die Runde. Flüssig und in Kenntnis der tatsächlichen Bedeutung vorgetragen, kann die Phrase tatsächlich beeindrucken, wenn sie den Phrasendrescher auch etwas abgehoben wirken lässt. Aber Vorsicht: Sehr oft wird nicht bloß die Bedeutung verwechselt, sondern auch die Aussprache gnadenlos verhunzt.

„Das sehen wir ganz entspannt/nüchtern“

Statt mit Latein glänzen zu wollen also einfach mal entspannen und eine Weile den Zitate-Duden im Schrank lassen. Lieber die Hände locker hinter dem Kopf verschränken und den Gesprächspartner wissen lassen: „Das sehen wir ganz entspannt.“ Wichtig: Vorher checken, dass sich unter den Achseln keine Schwitzflecken gebildet haben. Das wirkt irritierend auf Gesprächsteilnehmer. Die Entspannungs-Phrase setzen Sie am besten dann ein, wenn, bildlich gesprochen, die Knie schlottern und der Verhandlungspartner oder Intervie- wer gerade den einzigen wunden Punkt erwischt hat. Jetzt ist es einmal mehr wichtig, genau das Gegenteil vom eigentlich Gemeinten überzeugend rüberzubringen und zu hoffen, dass das Gegenüber intellektuell nicht allzu viel auf der Pfanne hat.

„Das ist mit uns (so) nicht möglich“

Ui, verflixt. Sie sind bei irgendwas erwischt worden und müssen zusehen, wie Sie im Interview oder bei einer Podiumsdiskussion heil davonkommen. Irgendein hundsgemeines Subjekt hat ihrem Gegenüber gesteckt, dass Sie ein Werk schließen wollen/Leute rausschmeißen müssen/den Laden an Heuschrecken verkloppen oder ähnliche Nettigkeiten. Nun hilft nur noch die eiserne Regel: abstreiten, dementieren, ablenken. Die Phrase „Das ist mit uns nicht möglich …“ ist dabei besonders elegant. Denn mit uns ist „das“ zwar nicht möglich, aber mit den neuen Eigentümern – wer weiß das schon? So hat man die Sache elegant vom Tisch gefegt.

Der Fisch stinkt vom Kopfe her

Das nervt, wenn Untergebene oder missliebige Gestalten versuchen, einen mit dieser Killerphrase in Misskredit zu bringen. Egal, was schief läuft in der Firma – wenn einer hinter Ihrem Rücken oder in der Presse sagt: „Nun ja, der Fisch stinkt vom Kopfe her“, dann hat er die Lacher auf seiner Seite und Sie sind der dumme August bzw. der stinkende Fischkopf. Berühmt wurde der Spruch in jüngerer Zeit, weil „Spiegel“-Erbin Franziska Augstein ihn in der Trauerrede für ihren verstorbenen Vater, „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein, sagte. Und obwohl sie es nicht direkt aussprach, war doch jedem klar, wer gemeint war. Es dauerte dann noch ein Weilchen und „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust durfte seine Demission entgegennehmen. Zwar musste er sicher nicht wegen dieses Spruchs gehen, aber geholfen hat ihm das geflügelte Wort vom stinkenden Fisch gewiss auch nicht. Zumal die Phrase in der Presse und anderswo ob ihrer Griffigkeit gerne immer wieder aufgewärmt wurde. Wie also kann man der gefährlichen Wirkung der Fischkopf-Phrase entgehen? Sie einfach selber benutzen! Und zwar am besten immer halb-öffentlich. Also in Besprechungen, beim Geschäftsessen oder im Hintergrundgespräch mit Journalisten. Mit der Phrase macht man sich ausnahmsweise mal ein bisschen kleiner und solidarisiert sich scheinbar mit dem Fußvolk. Wer die Nase rümpft und sich über den stinkenden Fischkopp beklagt, der wird ja wohl selbst nicht dazu gehören zur Stinkerbande der Schlipsträger „da oben“. So setzt es sich hoffentlich in den Hirnen der Gesprächspartner fest und wenn Ihnen dann ein anderer mit dem Spruch an den Karren fahren will, haben Sie längst den Boden dafür bereitet, dass der fischige Gestank ganz woanders verortet wird.

Erschienen in Ausgabe 1/2008 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 65 bis 86. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.