Herman & Co.

Sie waren die „Journalisten des Jahres“ 2006: „medium magazin“ fragte, was für sie die journalistischen Höhe- und Tiefpunkte 2007 waren und was sie sich für 2008 erhoffen:

Timm Klotzek,

Chefredakteur „neon“

Höhepunkt 2007:

Der Relaunch der „FR“ Tiefpunkt 2007:

Die Sat.1-Übertragung der Tour de France und Poschmanns Interview mit den Fußball-Weltmeisterinnen im Aktuellen Sportstudio.

Hoffnung für 2008:

Dass nicht allzu viel Geld verbrannt wird durch unausgegorene Online-Ideen von Print-Menschen, die damit bloß ihren visionsgetriebenen Vorgesetzten schmeicheln.

Alexandros Stefanidis,

Redaktion „Süddeutsche Zeitung Magazin“

Höhepunkt 2007:

Susanne Schneider. Meine Kollegin beim „SZ-Magazin“ lag 210 Tage auf der Intensivstation, kämpfte um ihr Leben, kam zurück, schrieb ihre Geschichte auf („Hurra! Ich lebe noch!“, 22.12.06, „SZ-Magazin“) und arbeitet jetzt wieder in der Redaktion. Wenn man das so nennen darf: das „Comeback des Jahres“. Tiefpunkt 2007:

Der Hype um „Vanity Fair“ und die enttäuschenden ersten 10

Ausgaben. Hoffnung für 2008:

Mehr Geld für den journalistischen Nachwuchs (Journalistenschulen). Klaus Boldt,

Reporter

„Manager Magazin“

Höhepunkt 2007:

Keine Ahnung. Wahrscheinlich das Zeug, das am Montag im Sportteil der „SZ“ steht. Guter Stoff. Immer fein geschrieben. Sehr edel.

Tiefpunkt 2007:

Journalistische Tiefpunkte sind immer wieder jene Preis-geilen Journalistenpunks, die ihre Schreibarbeiten bei Wettbewerben einreichen, und die Huldigungen, die sie entgegenzunehmen hoffen. Wenn es eine Krise der Medien gibt, dann ist es wahrscheinlich auch eine Krise der Journalisten selbst.

Hoffnung für 2008:

Dass Zeitungs- und Zeitschriftenverleger ihre Millionen in die Qualität ihrer Redaktionen stecken statt in fragwürdige Internetexperimente. Dann sind die Leute auch bereit, weiterhin für journalistische Produkte zu bezahlen. Noch mehr wünschte ich mir, dass bei Zeitungen und Zeitschriften wieder mehr Leute arbeiteten, die ihre Arbeit wirklich lieben und stolz darauf sind.

Bettina Gaus,

parlamentarische Korrespondentin der „taz“

Höhepunkt 2007:

Carolin Emcke, die in der „Zeit“ unter der Überschrift „Stumme Gewalt“ über den Mord an ihrem Patenonkel Alfred Herrhausen und über den aus ihrer Sicht richtigen Umgang mit der RAF und deren ehemaligen Mitgliedern schrieb.

Tiefpunkt 2007:

Alle Spekulationen über mögliche politische Hintergründe des Rücktritts von Franz Müntefering. Es gibt persönliche Lebensumstände, die derlei öffentliche Mutmaßungen verbieten sollten. Aber offenbar würden manche Kollegen sogar noch einen tödlichen Unfall als „politische Entscheidung“ werten. Und zwar gerade die, die sonst gerne über „kalte Machtmenschen“ philosophieren.

Hoffnung für 2008:

Dass der „Spiegel“ zu seiner – lange vergangenen – alten Form zurückfindet und nicht das Mainstream-Blättchen bleibt, das er jetzt ist.

Sven Gösmann,

Chefredakteur „Rheinische Post“

Höhepunkt 2007:

Wie unbeholfen der „Spiegel“ in der Öffentlichkeit mit seiner Chefredakteurspersonalie umging und wie verkrampft die „SZ“ darüber berichtete. Köstlich.

Tiefpunkt 2007:

Kurze Antwort: Kerner und Herman. Lange Antwort: Dass es weder der „Welt“ noch der „FR“ gelungen ist, die Möglichkeiten des Tabloidformats zu nutzen. Die „FR“ ist selbst optisch genauso langweilig wie vorher; die „Welt Kompakt“ kommt als journalistische Presswurst daher.

Hoffnung für 2008:

Mehr Gelassenheit im Umgang mit Online: Viele sollten endlich begreifen, dass Online nicht die Verlängerung ihrer Printausgabe im Internet oder ein aufgeblasener Nachrichtenticker ist, sondern ein eigenständiges Medium mit eigenen Ansätzen. Ein bisschen weniger Bohei beim Marketing, dafür mehr Einsatz beim Entwickeln wirklich origineller oder nutzbringender Inhalte – das wäre schön.

Ulrich Reitz,

Chefredakteur „Westdeutsche Allgemeine“

Höhepunkt 2007:

Der Ehrenkodex der „WAZ“.

Tiefpunkt 2007:

Eva Herman.

Hoffnung für 2008: Den Einstieg in die multimediale lokale Berichterstattung.

Oliver Eckert,

Geschäftsführer

rp-Online

Höhepunkt 2007:

Matthias Matusseks Video-Blog auf „Spiegel Online“. Ein kluger humoristischer Kultur-Leckerbissen!

Tiefpunkt 2007:

Der Herman-Rauswurf bei Kerner. Es ist keine journalistische Leistung, einen Gast vor die Tür zu setzen.

Hoffnung für 2008:

Begeisterung für Rupert Murdochs Motto „Embrace progress! – Umarme den Fortschritt!“ Christoph Amend,

„Zeit“-Ressortleiter Leben

Höhepunkt 2007:

Das Udo-Jürgens-Porträt von Holger Gertz in der „SZ“, Merkels Chinareise von Dirk Kurbjuweit im „Spiegel“ und die „Stern“-Titelzeile „Einsamkeit – wenn dem Ich das Du fehlt“.

Tiefpunkt 2007:

Herman, Barth, Schreinemakers und Kerner in einer Sendung – nur der wunderbaren Senta Berger gelang an diesem Abend ein sympathischer Auftritt.

Hoffnung für 2008:

Viel Raum für Reportagen und Fotostrecken in Zeitungen und Magazinen – und interessante Formate fürs IPTV.

Paul-Josef Raue,

Chefredakteur

„Braunschweiger Zeitung“

Höhepunkt 2007:

Die Debatte um Glaubwürdigkeit von Zeitungen und die Besinnung auf den eigentlichen Wert von Journalismus: Die wichtigen Nachrichten unparteiisch aufzuspüren und die Menschen zu informieren, ohne auf mächtige Interessen Rücksicht zu nehmen. Statt journalistische Kraft in geschickte Schleichwerbung zu investieren, steigt die Einsicht, es sei besser, diese Kraft in die Qualität von Zeitungen zu stecken.

Wer sein Heil in Parteilichkeit und Schleichwerbung sucht, betreibt den Niedergang der Zeitungen, den er eigentlich aufhalten will.

Hilfreich für Journalisten und Leser sind unmissverständliche ethische Richtlinien, wie die in unserer Verlagsgruppe (WAZ) verabschiedeten. Tiefpunkt 2007:

Journalisten opponieren zu wenig, wie Politiker und Gerichte schleichend, aber vehement ihre Freiheit und die der Verlage einschränken – und damit die Freiheit der Bürger, denen alleine die Presse unabhängige Nachrichten garantiert. Unter dem Deckmantel, die Sicherheit zu erhöhen, wird der Raum für Journalisten immer kleiner, den Mächtigen auf die Finger zu schauen.

Hoffnung für 2008:

Für uns Zeitungen hoffe ich, dass wir endlich den Jammerton abstellen. Geradezu dankbar nehmen wir Nachrichten über das drohende Ende der Zeitungen entgegen und drucken sie mit masochistischem Eifer. Dabei droht weder das Verschrotten von Druckmaschinen noch das damit verknüpfte Ende des Abendlandes. Wir sind ganz schön vital und könnten noch mehr aufleben, wenn wir uns auf das konzentrieren, was wir aus eigener Kraft schaffen können: Qualitätsjournalismus bis in die kleinste Lokalredaktion.

Frauke Wolter,

stellvertretende Ressortleiterin Politik der „Badischen Zeitung“

Höhepunkt 2007:

An einen richtigen Höhepunkt kann ich mich nicht erinnern, aber großes Lob an alle Kollegen, die das Thema Klimawandel mit seinen Facetten beleuchtet haben.

Tiefpunkt 2007:

Der Rummel um Eva Herrman und ihr jüngstes Buch …

Hoffnung für 2008:

Am Klima-Thema weiter dranbleiben, auch wenn der Politikertross längst weitergezogen ist.

Wolfgang Herles,

Moderator der ZDF-Kultursendung „aspekte“

Höhepunkt 2007:

Ein journalistischer Höhepunkt war nicht erkennbar. Es war ein so unaufregendes Jahr wie selten.

Tiefpunkt 2007:

Der Tiefpunkt war auch kein Punkt, sondern die schleichende Verflachung der Bildschirme, die Talk-Show-Trostlosigkeit auf allen Kanälen.

Hoffnung für 2008:

Ich erhoffe mir deshalb: mehr Journalismus.

Thomas Kistner,

Redakteur

„Süddeutsche Zeitung“

Höhepunkt 2007:

Im April kassierte, unbemerkt von der mit derlei Themen überforderten Sportpre
sse, das Schweizer Bundesgericht nach 23 Jahren und 750 Prozessen erstmals ein Urteil des Weltsportgerichtshofs CAS. Dabei entwertete es die Verzichtserklärung, mit der sich alle Athleten dem CAS als letzter Rechtsinstanz unterwerfen müssen. Nun droht der Sport seinen Status als Staat im Staat mit eigener Gerichtsbarkeit zu verlieren. Ein einziger Artikel zum Thema trat eine Reihe sportjuristischer Symposien los – und die Furcht, dass der autonome, deshalb immer kriminellere Spitzensport bald in die Mühlen ordentlicher Gerichte geraten könnte.

Tiefpunkt 2007:

Bei Lektüre des Höhepunkts 2006 von Philipp Köster („11 Freunde“) dessen analytische Schärfe bestaunt: WM-Viertelfinale, Berlin, Deutschland obsiegt im Elferschießen gegen Argentinien. Köster beobachtet Kollegen Kistner, der „inmitten überschäumender Freude“ steht und „keine Miene verzieht“. Demonstriert der Kollege, fragte Köster, da nur journalistische Distanz – „oder ist er einfach verklemmt?“. Tja. Wo ist der Unterschied? Auflösung: Hätte Patriot Köster in der 50. Minute der Partie nicht frustriert in die Tischplatte gebissen, wäre ihm Kistners überschäumende Freude aufgefallen – denn da schoss Argentinien das 1:0. Aber geht das? Dass ein Deutscher nicht in Treue hinterm SchwarzrotgoldBanner steht? Zugegen: Klarer Verstoß gegen jede sportjournalistische Vorschrift. Dieses Verhalten rührt aus den Jahren in Südamerika. Trübselige Ecke, wo Gefühle nicht so schäumen. Nicht wie hier, wenn Sommermärchenstunde ist.

Hoffnung für 2008:

WIR! Europa-Champs, Pressefreunde! Hurra!

Ranga Yogeshwar, „Quarks & Co“, WDR /

„W wie Wissen“, ARD

Höhepunkt 2007:

Eine, trotz mäßiger Bildqualität, sehr bewegende Amateuraufnahme in Youtube (http:// www.youtube.com/watch?v=LU8DDYz68kM).

Tiefpunkt 2007: Der angebliche Rausschmiss von Eva Herman bei Kerner. Dieser Tiefpunkt war aber auch spannend und erinnerte mich an eine griechische Tragödie. Senta Berger ist die Mörderin in diesem Stück, man muss nur genau hinsehen! Noch schlimmer waren kurz danach Maischberger und ihre überirdischen Gäste. Herr Bublath verließ die Sendung …

Hoffnung für 2008:

Keinen weiteren Rausschmiss und Inhalt vor Effekt.

Erschienen in Ausgabe 1/2008 in der Rubrik „Chronik“ auf Seite 14 bis 17 Autor/en: Umfrage Katy Walther. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.