Kölner Syndication

Dass manche Beiträge in der „Frankfurter Rundschau“ (FR) und im „Kölner Stadt-Anzeiger“ („KStA“) identisch sind, fällt jedem auf, der beide Blätter regelmäßig liest – schließlich bedienen sich „FR“ und „KStA“ schon seit vielen Jahren aus demselben Korrespondentenpool. Nichts Ungewöhnliches so weit in der Branche. Doch nun sind die inhaltlichen Überschneidungen sogar gewollt: Der Kölner Verlag M. Dumont Schauberg startete zum Jahreswechsel das interne Projekt Syndication.

Mit an Bord sind die drei Abo-Zeitungen der Verlagsgruppe: „FR“, „KStA“ und die in Halle erscheinende „Mitteldeutsche Zeitung“. Texte dieser Titel werden künftig ins neue gemeinsame Intranet eingestellt, aus sich dem sich wiederum alle drei Blätter bedienen. Anfang Dezember trafen sich dazu in Köln die Chefredakteure der drei Zeitungen. Anwesend waren auch Verleger Alfred Neven DuMont und Sohn Konstantin, Geschäftsführer der Mediengruppe M. DuMont Schauberg (MDS). Denn bei Synergien geht es meistens auch um Einspareffekte. „Wir wollen in für uns wirtschaftlich schwierigen Zeiten Kräfte bündeln und dabei dennoch eine Form finden, die dem Charakter unserer Zeitungen angemessen ist“, beschreibt Franz Sommerfeld, Chefredakteur des „KStA“, das Projektziel. „MZ“-Chefredakteur Jörg Biallas äußert sich fast identisch: „Ziel der Zusammenarbeit ist es, in Zeiten angespannter wirtschaftlicher Situationen Synergien zu erschließen und damit Kosten zu mindern.“ Sommerfeld betont allerdings, dass das Projekt nicht von den Verlagsmanagern, sondern von den Redaktionen ersonnen wurde: „Es gibt keine Zielzahlen. Es ist ein Probelauf, und nach einem halben Jahr ziehen wir Bilanz.“

Der Begriff „Content Syndication“ stammt aus der US-Medienlandschaft. Überregionale Leuchtturmblätter wie die „New York Times“, die „Washington Post“ oder die „Chicago Tribune“ lizenzieren Texte (v. a. die Beiträge ihrer Starkolumnisten), Fotos und Videos an eine Vielzahl von Abnehmern. Das Unternehmen NYT Syndicate verkauft mehr als 70 verschiedene Kolumnen aus „New York Times“, „The Boston Globe“ und weiteren Medien der NYT-Mediengruppe an 2000 Kunden in 80 Ländern. Allerdings ist dieser Vertrieb geistiger Markenartikel mit dem DuMont-Projekt nicht wirklich vergleichbar. Erstens erbringt die DuMont-Syndication dem Verlag keine Verkaufserlöse. Außerdem ist Syndication nach amerikanischer Lesart eine Einbahnstraße. Der „New York Times“ würde es nicht im Traum einfallen, Artikel aus den „Rocky Mountain News“ nachzudrucken – sie schickt bei Bedarf eigene Korrespondenten in die Provinz.

Doch was bedeutet es für die „Frankfurter Rundschau“, wenn ihre Seiten künftig in noch nicht absehbarem Umfang mit Beiträgen aus Köln und Halle gefüllt werden? Steht nicht zu befürchten, dass ihr Profil als überregionale Qualitätszeitung verwässert wird? Schließlich legen selbst die kleineren überregionalen Blätter „taz“ und „Financial Times Deutschland“ großen Wert auf eigene Autoren und originäre Beiträge, von „SZ“ und „FAZ“ ganz zu schweigen. „FR“-Chefredakteur Uwe Vorkötter hält die Gefahr eines Statusverlustes der „FR“ jedoch für unbegründet. „Der, Kölner Stadt-Anzeiger‘ ist doch nicht irgendein Provinzblatt. Wir haben gerade erst eine Panorama-Doppelseite über Südafrika mit Text und Bild aus Köln übernommen, wir greifen auf Service-Themen aus dem Magazin des Stadtanzeigers zurück“, sagt Vorkötter. Er betont die Vorteile der Kooperation: „Wir können auf ein großes Textangebot unserer Partner zugreifen, Reportagereisen gemeinsam finanzieren, unsere Kapazitäten zum Beispiel bei sportlichen Großereignissen bündeln und Wochenendprodukte wie Auto und Reise etc. gemeinsam produzieren.“

„MZ“-Chefredakteur Biallas wiederum sieht sich im Dreierteam keineswegs als Juniorpartner, dessen Blatt künftig preiswert aus Frankfurt und Köln befüllt werde. Der ostdeutsche Blick auf politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen sei „gewiss auch eine Bereicherung“ für die beiden anderen Blätter. „Im Übrigen ist es aus rein geografischer Sicht im journalistischen Tagesgeschäft für zwei Zeitungen mit Sitz in den alten Bundesländern sehr hilfreich, mit einer ostdeutschen Redaktion eng zusammenzuarbeiten.“ Für Biallas bedeutet Syndication vor allem, dass „Synergie-Effekte dort genutzt werden sollen, wo Profil, Individualität und Linie der Zeitungen nicht berührt werden.“ Für jeden einzelnen Titel ergebe sich so „eine größere Vielfalt, die letztlich zur Steigerung der Qualität beitragen wird“. Sommerfeld betont vor allem die Kompetenz der Kollegen aus Halle bei Beiträgen zum Thema Rechtsradikalismus, vor allem in den neuen Ländern.

Einen ersten organisatorischen Effekt hat die Kooperation bereits: Zum Jahresende wurden die Berliner Parlamentsredaktionen von „FR“ sowie „KStA“ und „MZ“ zusammengelegt. Künftig werden die drei Zeitungen nicht auch mehr jeweils eigene Teams zu Fußballeuropameisterschaften oder politischen Gipfeltreffen schicken. Aber auf eigene meinungsbildende Beiträge, vor allem auf politische Leitartikel, will jedes Blatt auch künftig nicht verzichten. Eigene Profile bleiben erhalten, betont Sommerfeld und nennt ein Beispiel: „Die, FR‘ argumentiert gelegentlich eher aus einer linkeren, gegen- über der SPD fürsorglicheren Perspektive. Stefan Sauer, einer unserer Berliner Korrespondenten, schlägt dagegen auch schon mal einen kräftigeren Ton an.“ Autoren, deren Beiträge syndiziert werden, müssten auch künftig nicht befürchten, dass ihre Texte wie Agenturmeldungen ohne Absprache zurechtgestutzt werden, sagt Vorkötter: „Für Syndication-Texte gelten grundsätzlich die Regeln, die für alle Autorentexte gelten: Blattmacher bearbeiten Texte, greifen ein und kürzen – und respektieren dabei den Autor.“ Maßgebliche Veränderungen und Kürzungen würden abgesprochen, soweit die Produktion im Tagesgeschäft das zulasse. Was sich an den Honoraren für freie Autoren ändert, die für mehrere der drei Zeitungen arbeiten, ist offenbar noch nicht ganz klar. „Freie Autoren werden auf jeden Fall ein Zusatzhonorar für den Zweitabdruck bekommen. Über die Einzelheiten reden wir noch“, sagt Vorkötter. Sommerfeld stellt momentan nur die festen Freien unter Bestandsschutz: „Die werden wir nicht um die Hälfte ihres Einkommens bringen wollen.“

Erschienen in Ausgabe 1/2008 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 28 bis 29 Autor/en: Ulrike Langer. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.