Glückssachen

Früher war es in Deutschland im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern völlig ver- pönt, in einem journalistischen Text das Wörtchen „ich“ unterzubringen. In Zeiten von Podcasts und Blogs löst sich das Tabu allerdings zunehmend auf. Journalisten entdecken die Möglichkeiten, sich selbst zum Gegenstand der Berichterstattung zu machen. Nicht mehr Objektivität um jeden Preis ist gefragt, sondern mit subjektiv gefärbten Texten eine besondere Nähe zwischen Autor und Lesern zu schaffen. Wie Redakteure von Regional- und Lokalzeitungen dabei vorgehen, zeigen Beispiele aus dem „Göttinger Tageblatt“, der „Waiblinger Kreiszeitung“ sowie der „Ostfriesen Zeitung“ .

Lokaltipp des Monats:

Journalisten mit Familie: „Die Familiensituation ist bei Journalisten durch die Arbeitsbedingungen oft extrem und auch anders als bei anderen Berufen“, sagt Chefredakteurin Ilse Stein vom „Göttinger Tageblatt“. Nur mit Mühe können Kinder und Arbeit unter einen Hut gebracht werden. „Ich wollte das Thema gerne auf unseren eigenen Beruf heruntergebrochen haben“, sagt Ilse Stein. Wochenlang war zuvor über Elterngeld und Wickelvolontariat für Väter öffentlich diskutiert und das Thema von allen Seiten beleuchtet worden. Nur ein Aspekt fehlte: die Situation bei denjenigen, die darüber in den Zeitungen schreiben. Zwölf Kollegen des „Göttinger Tageblattes“ erklärten sich zu einem Beitrag bereit, in denen teilweise sehr Persönliches geschilderte wurde. „Bei den Kollegen, die nicht bereit waren, hatten meistens die Partner etwas gegen eine Darstellung der privaten Situation“, sagt Ilse Stein. Die Artikel, die wöchentlich jeweils einmal liefen, deckten die komplette Bandbreite der Familienkonstellationen ab: eine allein erziehende Mutter, eine freie Mitarbeiterin mit vier Kindern, eine Redakteurin mit neugeborenen Zwillingen, eine schwangere Kollegin, ein Großvater und ein Mann, der eine Erziehungszeit genommen hatte.

Kontakt: Ilse Stein, Tel. (0551) 90 17 66, eMail: i.stein@goettinger-tageblatt.de, web: www.goettinger-tageblatt.de

Ideenbörse:

Ansteckendes Fieber: Als der Lotto-Jackpot vor Kurzem neue Rekordhöhen erreichte, füllten auch die Redakteure der „Waiblinger Kreiszeitung“ Tippscheine aus. In kurzen Sätzen erklärte jeder seine Strategie beim Ankreuzen der Zahlen. Einige Kollegen verrieten, dass sie zuvor in ihrem Leben noch nie einen Lottoschein ausgefüllt hatten. „Die Aktion war auch eine Leser-Blatt-Bindung“, sagt Redaktionsleiter Frank Nipkau. Die Leser konnten eine persönliche Facette der Redakteure kennenlernen. Neben jedem Porträtfoto stand eine charakterisierende Überschrift wie „Die Schnapszahlige“ oder „Der Schnelltipper“.

Kontakt: Frank Nipkau. Tel. (07151) 56 62 60, fnipkau@redaktion.zvw.de, web: www.zvw.de

Nachgemessen: Erstaunliches fanden Sportredakteur Georg Lilienthal von der „Ostfriesen Zeitung“ und sein Volontär heraus: Fast alle Fußballtore in der Region haben nicht die regelkonformen Maße. „Zehn Zentimeter Abweichung waren keine Seltenheit“, sagt Lilienthal, der die Ergebnisse im Blatt dokumentierte und mit Fotos von sich und dem Kollegen auf der Leiter illustrierte. Die Tore aller Vereine ab der Bezirksliga sowie einiger Vereine aus den unteren Klassen wurden ohne Voranmeldung überprüft. Die beiden Journalisten schreiben eine Reportage und beschreiben dabei ihre Messaktion. Tipp: Eine solche Aktion mit einem Video-Blog flankieren.

Kontakt: Georg Lilienthal, Tel. (0491) 9 79 02 82, eMail: g.lilienthal@ostfriesen-zeitung.de, web: www.ostfriesen-zeitung.de

Tipp

Weitere interessante Beispiele aus der lokaljournalistischen Praxis finden Sie in der aktuellen „drehscheibe“.

Kontakt: Redaktion „drehscheibe“,

Raufeld-Medien, Mehringdamm 57, 10961 Berlin, Tel. 030 / 695 665 22, eMail: info@drehscheibe.org,

Homepage: www.drehscheibe.org

Erschienen in Ausgabe 3/2008 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 72 bis 72 Autor/en: Bernd-Volker Brahms. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.