Schalttage

Die Dramaturgie hätte kaum symbolträchtiger sein können. Ausgerechnet am 29. Februar stellten sich die neuen Eigentümer des Süddeutschen Verlags in München vor: Schalttag für die Bayern. Tags zuvor hatten sich bereits die beiden Geschäftsführer Klaus Josef Lutz und Hanswilli Jenke von Verlag und Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“ verabschiedet.

 

Nun ist es also vollbracht. Der Süddeutsche Verlag ist nach quälenden Monaten voller Erbstreitigkeiten, Verhandlungspoker und lähmender Taktiererei in die Hände der Südwestdeutschen Medien Holding (SWMH) in Stuttgart übergegangen. Der neue starke Mann dort als Geschäftsführer ist Richard Rebmann, der gemeinsam mit Oliver C. Dubber nun zunächst in der Übergangszeit auch den Süddeutschen Verlag führen wird. Dubber ist wiederum Geschäftsführer der mächtigen Medien Union in Ludwigshafen und ein enger Vertrauter der Schaub-Familie, den Mehrheitseigentümern des finanzkräftigen Medienimperiums am Rhein, das von Thomas Schaub geleitet wird. Bisher gehörte das Schweigen über die eigene Strategie zur Geschäftspolitik der Medien Union – längst schon einer der großen Player in vielen Feldern der Medienbranche. Auch Richard Rebmann, als Verleger des „Schwarzwälder Boten“, Vize-Präsident des Zeitungsverleger-Verbandes und Beiratsmitglied der Zeitungsgruppe Stuttgart, scheute bislang das öffentliche Auftreten. Mit der Übernahme des Süddeutschen Verlags am 1. März verändern sich aber die publizistischen Koordinaten im Süden und damit auch die Rahmenbedingungen, unter denen die Verleger dort bisher vor allem regional agierten. In Zukunft werden sie erheblich mehr als bisher unter öffentlicher Beobachtung stehen, bundesweit. „Eine Fusion von solchem Ausmaß hat es bisher auf dem deutschen Zeitungsmarkt nicht gegeben: Dass die bisher bereits nach Auflagen drittgrößte Zeitungsgruppe – die Stuttgarter Gruppe mit ihren Verflechtungen zur Medien Union und zur Gruppe der Baden-Württembergischen Verleger – mit dem Süddeutschen Verlag den bislang zehntgrößten Verlag übernimmt, stellt eine neue Dimension im Markt her“, sagt Zeitungsforscher Horst Röper. Das erfüllt ihn im Hinblick auf die Verschärfung der publizistischen Konzentration mit erheblichem Unbehagen. Und nicht nur ihn: Viele kleinere unabhängige Verlage sind in Alarmbereitschaft. Sie kennen den aggressiven Expansionskurs der Medien Union und der anderen Stuttgarter Gesellschafter der SWMH nur allzu gut. Der Verdrängungswettbewerb hat schon in den letzten Jahren eine Reihe kleinerer Titel ihre Unabhängigkeit gekostet, ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die „Pirmasener Zeitung“: Eine Zeit lang hat sie sich gegen die „Rheinpfalz“ und deren Teil-Lokalausgabe „Pirmasenser Rundschau“ gewehrt. Jetzt gehört sie selbst zur großen Medien Union- Familie und bezieht ihren Mantel von der „Rheinpfalz“. Welcher Raum bleibt den kleinen Independents künftig noch – im Schatten der großen Medien-Konglomerate?

 

Fragen, wie es nun weitergeht, werden also derzeit längst nicht nur in München gestellt und das Schweigen bisher ließ den Spekulationen breiten Raum: Wie wird sich die neue mächtige Gruppe positionieren und welche Synergien nutzen? Wie geht es mit den redaktionellen Inhalten der einzelnen Titel weiter, wird es auch dort zu Verzahnungen kommen? Die bisherige Praxis bei den großen Regionaltiteln weist nur bedingt darauf hin (siehe auch Seite 30 ff) . Anders sieht es womöglich im Hinblick auf die Internetstrategie aus.

 

Ein Blick auf die anderen großen Regionalverleger zeigt auch hier womöglich einen Weg: Die WAZ-Mediengruppe hat sich das Portal „Der Westen“ gebaut – als großes Dach für seine Titel von „Westdeutscher Allgemeiner Zeitung“ bis „Westfalenpost“. Die Anfangshürden technisch wie inhaltlich sind groß, ein Erfolg noch nicht garantiert. Die Holtzbrinck-Gruppe, wie die SWMH auch in Stuttgart beheimatet, geht einen anderen Weg und setzt verstärkt auf medienunabhängige Internetcommunitys wie StudiVZ. Womöglich mit der Langfriststrategie, ihre Medienmarken mit den Portalen der jungen Communitys zu verzahnen. Das würde Sinn machen. Denn im Internet herrschen andere Bedingungen als im Verbreitungsgebiet der Printpresse. Die Konkurrenten im World Wide Web heißen Google & Co. Es wird spannend, welche Antwort darauf nun die neue Macht im Süden geben wird.

Annette Milz

Erschienen in Ausgabe 3/2008 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 5. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.