Bagdad, Teheran, Kabul – und immer ein orangenes Mikrofon in der Hand: Ulrich Tilgner hat sich den Fernsehzuschauern als Korrespondent für das ZDF eingebrannt. Doch jetzt, nach 26 Jahren freier Mitarbeit, kehrt er dem Mainzer Sender den Rücken zu: Tilgner informierte Chefredakteur Nikolaus Brender bereits im vergangenen Herbst da- rüber, dass er seinen Vertrag als Leiter des ZDF-Studios in Teheran nicht mehr verlängern und vom Frühjahr an für das Schweizer Fernsehen arbeiten wird – weil er die Situation nicht mehr erträgt.
Tilgner kritisiert die zunehmenden „Anpassungsprozesse“ deutscher Redakteure. Weil sie – wenn überhaupt – zu häufig nur auf von der Bundeswehr organisierten Exkursionen unterwegs seien und nicht auf eigene Faust das Leben in krisengeschüttelten Ländern wie Afghanistan oder dem Irak erkunden würden, entwickle sich „eine besondere Sicht der Dinge“. Tilgner will „nicht mehr dabei sein, wenn so Probleme der Bevölkerung unter den Tisch gekehrt werden“. Die Vorwürfe des 60-Jährigen sind geharnischt – in Bezug auf alle deutschen Medien. Beispiel Afghanistan, wo er bereits seit Jahren nicht mehr frei über das Elend der Bevölkerung berichten könne. Nur allzu oft drücke sich der Kurs der deutschen Politik bis in die deutschen Medien durch. „Wenn in Afghanistan entführte Deutsche befreit werden und man als Reporter das Ganze nicht als große Tat mitfeiert, sondern fragt, was da vielleicht schiefgelaufen ist, wird es schwierig“. Es sei „kaum noch möglich, die angepasste Wahrnehmung der Redaktionen zu relativieren“. Die Schweiz, sagt Tilgner, sei auch in dieser Hinsicht ein neutrales Land – sie habe keine Truppen in den Regionen und könne deshalb die wahren Probleme offen zeigen.
Aus seinem Umfeld ist zudem zu erfahren, dass er sich von der Mainzer Redaktion vielfach übergangen fühlte. Beiträge zu Top-Themen aus seiner Region, wie Irans Atompolitik, wurden ohne Rücksprache mit dem Korrespondenten von der Zentrale produziert. Fach- und Ortskenntnis waren offenbar nicht erwünscht. Mal sehen, ob die von RTL abgeworbene Star-Korrespondentin Antonia Rados bessere Karten hat. Daniel Bouhs
Erschienen in Ausgabe 3/2008 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 12 bis 12. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.