Debattenkultur

Hart, aber fair“, „Anne Will“ und „Maybrit Illner“ – mit Debattenkultur verbindet man das Fernsehen. Viele Zeitungen wollen sich aber die Hoheit über den gesellschaftlichen Diskurs in ihrer Region nicht aus der Hand nehmen lassen und bereiten kontrovers diskutierte Themen wie Missstände bei der Altenpflege für ihre Leser auf. Dabei bietet sich eine Verzahnung von gedruckter Zeitung, interaktivem Online-Angebot und Vor-Ort-Diskussion an. Eine Qualitätssteigerung und eine bessere Leserbindung können die Folge sein. Schließlich erwarten die Abonnenten von ihrer Zeitung heute mehr, als dass sie nur ihrer Chronistenpflicht nachkommt. Wie Redakteure von Regional- und Lokalzeitungen Diskussionen anstoßen, zeigen Beispiele aus der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, der „Braunschweiger Zeitung“ sowie dem „Münchner Merkur“.

Lokaltipp des Monats:

Langer Atem. „Wer sich entscheidet, den Pflege-Notstand zwei Wochen zum Thema zu machen, der braucht Geduld, Geduld, Geduld. Und gute Nerven“, sagt Wilfried Hinrichs, Leiter der Stadtredaktion der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Unter der Rubrik „Thema der Woche“ griff die Redaktion die Defizite bei der stationären Pflege von alten Menschen auf. Zunächst wurden Vorgespräche mit der Heimaufsicht der Stadt, Heimleitern und Pflegefachleuten geführt, um den Problemen auf die Spur zu kommen. Auf eine große Reportage aus dem Heim verzichtete die Redaktion. „Da wäre uns nur die heile Welt vorgeführt worden“, sagt Hinrichs. Stattdessen wurden Interviews mit Experten geführt. Einen Schwerpunkt der Berichterstattung bildete ein Leserforum, bei dem auch anonymisierte Stimmen ins Blatt geholt wurden. Via E-Mail, Internet, Fax, Post oder Telefon konnten sich Leser zu Wort melden. Für eine Podiumsdiskussion stand Deutschlands bekanntester Pflegekritiker Claus Fussek zur Verfügung.

Kontakt: Wilfried Hinrichs, Tel. (0541) 31 06 30, eMail: w.hinrichs@neue-oz.de, Internet: www.neue-oz.de

Ideenbörse:

Nicht vergessen. 25 Jahre nach dem mysteriösen Unfalltod des Fußballspielers Lutz Eigendorf veranstaltete die „Braunschweiger Zeitung“ unter dem Titel „Tod dem Verräter! – Der lange Arm der Stasi und der Fall Lutz Eigendorf“ eine Podiumsdiskussion: Weggefährten, Journalisten und Historiker debattierten vor 400 Lesern in einem Kinosaal über den bis heute ungeklärten Tod des Sportlers. Viele Fakten sprechen dafür, dass die Stasi für den Tod verantwortlich ist. Der gesamte Fall wurde im Vorfeld der Veranstaltung in einer Serie in der Zeitung aufgearbeitet. Vor der Diskussion konnte sich das Publikum eine ältere WDR-Dokumentation zu dem Fall ansehen. Das Blatt konnte mit der Veranstaltung den mysteriösen Tod zwar nicht aufklären, die Leser aber hintergründig informieren und so noch stärker an das Blatt binden.

Kontakt: Denise on der Ahé, Tel. (0531) 3 90 03 15, eMail: vonderahe@bzv.de, Interne http:// www.newsklick.de

Sportstammtisch. Ein Mal pro Woche greift die Sportredaktion des „Münchner Merkur“ ein kontroverses Thema auf der Seite „Freitagsdebatte“ auf. Die Redaktion, ein Experte sowie ein Fan sagen zu einem bestimmten Sportthema ihre Meinung. Häufig geht es um Fußball, allerdings auch um Ethik und Moral im Sport. Beispielsweise wurde schon diskutiert, ob Stars ihre Vorbildfunktion verletzen, wenn sie zu Alkohol und Zigaretten greifen. „Die Resonanz bei reinen Fußballthemen ist aber weitaus besser“, sagt Redakteur Günter Klein. Die Leser werden aufgefordert, online mitzudiskutieren. Obwohl die Redaktion kein Honorar für Experten- und Fanbeiträge zahlt, gab es bis jetzt keine Schwierigkeiten, wöchentlich die Texte ranzuholen. Die Idee zur Debattenseite kommt aus der Chefredaktion, die damit die Leser stärker in die Sportberichterstattung einbeziehen möchte.

Kontakt: Günter Klein, Tel. (089) 53 06 86 58, eMail: Guenther.Klein@merkur-online.de

Internet: http://www.merkur-online.de

Tipp

Weitere interessante Beispiele aus der lokaljournalistischen Praxis finden Sie in der aktuellen „drehscheibe“.

Kontakt: Redaktion „drehscheibe“,

Raufeld-Medien, Mehringdamm 57, 10961 Berlin, Tel. 030 / 695 665 22, eMail: info@drehscheibe.org,

Homepage: www.drehscheibe.org

Erschienen in Ausgabe 4/2008 in der Rubrik „Tipps für Journalisten“ auf Seite 72 bis 72 Autor/en: Bernd-Volker Brahms. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.