Wo bleibt die Transparenz?

Nach wochenlanger Grundimmunisierung der Branche durch gezielte Vorankündigungen wurde am 11. März mit politischem Geleitschutz verkündet, dass WDR und WAZ-Mediengruppe künftig im Internet kooperieren.

Um es vorweg zu sagen: Der Schleier, der über der Frage der Rechtmäßigkeit dieser Eheanbahnung liegt, wurde bisher nicht gelüftet. Eckpunkte der praktischen Zusammenarbeit sind umschrieben, wesentliche Fragen bleiben aber offen.

Auftragslage. Da ist zunächst die Frage nach der Rechtsgrundlage. Ist das geplante Modell originärer Teil des WDR-Funktionsauftrages? Wenn nicht, müsste die WDR-Mediagroup ökonomisch komplett eigenständig organisiert sein und das auch transparent darlegen. Dank der derzeitigen Informationspolitik dürften aber sowohl KEF als auch Rechnungshöfe mit der Beweisfindung Schwierigkeiten haben.

Es wäre ein Akt medienpolitischer Transparenz gewesen, wenn der WDR sein Angebot, das WDR-Chefin Piel als, fast neu‘ bezeichnet, einem wie auch immer gearteten Public value-Test unterzogen hätte.

Nehmen wir kurzzeitig an, dass jede Vermarktung zum Stammgeschäft des WDR gehört. Es bleibt die Frage, ob das neue Angebot tatsächlich den Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht. Immerhin existieren ähnliche Angebote bereits im Markt. Das Abspielen bereits versendeter TV-Beiträge im Internet wird den publizistischen Wettbewerb in NRW nicht befeuern.

Im Gegenteil: Der Einfluss der geplanten Vermarktungskooperation mit gegenseitiger Bewerbung wird sich negativ auf den erst in der Entwicklung begriffenen Markt für Bewegtbildangebote auswirken. Leidtragende sind lokal und regional in NRW tätige private Unternehmen.

Kein Lehrbuchbeispiel. Ich bin gespannt, wie Meinungsvielfalt gesichert werden kann, wenn die größten regionalen Player am Markt schleichend eine Vereinheitlichung des Online-Nachrichtenmarktes im Video- und Audiobereich verursachen, die immerhin die reale Gefahr eines regionalen Meinungskartells in sich birgt. Als alleinigem Adressaten des sogenannten, Medien’konzentrationsrechtes stellt sich das geltende System angesichts derartiger Kooperationen als zunehmend absurd dar: Auf allen Wegen der Informationsvermittlung via Bewegtbild mit identischem Bildmaterial konfrontiert zu werden, ist sicher kein Lehrbuchbeispiel des Meinungspluralismus.

Dass die Staatskanzlei in diesem Spiel sowohl als treibende Kraft als auch argumentative Abwehrmauer fungiert, lässt nur hoffen, dass die gesunde Distanz der Medien zu staatlichen Entscheidungsträgern auch bei Medienschaffenden in Nordrhein-Westfalen irgendwann wieder zum Kern des journalistischen Selbstverständnisses gehören wird. Relevante Fragen. Neben medienrechtlichen, ordnungspolitischen und wettbewerbsrechtlichen Komponenten wirft die Kooperation übrigens auch vergaberechtlich relevante Fragen auf. Im Ergebnis wird man wohl nicht umhin können, diese Kooperation einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen.

Das würde allerdings voraussetzen, dass sich die Beteiligten grundlegend mit den von der EU geforderten Grundsätzen der Transparenz auseinandersetzen wollen. Fragen der Ermächtigungsgrundlage, des Public values, des Wettbewerbs- und Vergaberechts gehören ebenso geklärt wie die des Beihilferechts. Es wäre schön, wenn sich jemand innerhalb der Republik fände, der sich dieser Fragen annimmt.

Weil sich aber bisher kaum jemand ernsthaft dem wachsenden Drang der öffentlich-rechtlichen Anstalten nach Marktbesetzung und Kommerzialisierung ihrer Marke entgegengesetzt hat, habe ich auch hier  ehrlich gesagt  nicht viel Hoffnung.

Erschienen in Ausgabe 4/2008 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 27 bis 27 Autor/en: Tobias Schmid. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.